Die von AntifaschistInnen gegründete, von einem antifaschistischen Schutzwall umgebene antifaschistische DDR war in vielerlei Hinsicht relativ nahe dran an dem, wie sich gewöhnliche NPD-KameradInnen die Gesellschaft wünschen. Ein autoritäres Ein-Parteien-System, fast ausländerfrei, antiamerikanisch, antizionistisch, durchmilitarisiert, medial gleichgeschaltet, kurz, ein Traum für nationale SozialistInnen. Umso bemerkenswerter ist es, dass ausgerechnet und einzig die Nachfolgerin der ehemaligen Staatspartei nach dem Mauerfall 1989 für Antifas die wichtigste Anlaufstelle war.
Als der nationale Taumel der Wendezeit in rassistische Pogrome überging, als die bis dahin gehemmte Dissidenz der DDR-Jugend sich in der Etablierung zahlreicher Nazi-Gruppierungen entlud, gab es auf dem Gebiet der ehemaligen DDR keinerlei zivilgesellschaftliche Institutionen, an die man sich als jugendlicher Linker, als Punk, Hausbesetzerin oder Hausbesetzer oder eben schließlich als Antifa wenden konnte; die PDS übernahm diese Funktion. Sie zeigte sich offen für jene jungen Radikalen, obwohl sie ihr kulturell völlig fremd waren. Schließlich hielten sich die alten Kader selbst für Antifaschisten – auch wenn sie bis dahin eine Republik geleitet hatten, die »rassisch reiner« war als Deutschland unter der NSDAP, in der ein Geschichtsbild verbreitet wurde, nachdem in den KZ hauptsächlich KommunistInnen vergast worden seien, und in der man statt den Staat der Holocaust-Überlebenden zumindest anzuerkennen, eifrig den antiisraelischen und antisemitischen Terrorismus unterstützte. Diese GenossInnen sahen nun also nach dem Fall des »antifaschistischen Schutzwalls« die Vorboten des Faschismus in Form von Bananen und Bankfilialen ihr Land überziehen. Und so galt ihre Solidarität folglich den jungen Antifas. Im Grunde war es ein Missverständnis.
Das ist die kurze Version der Nachwende-Geschichte von PDS und Antifa. Dass es darin zahlreiche Widersprüche und, erinnern wir uns an Wurzen, auch Gegenbeispiele gab, widerlegt diese grundsätzliche Einschätzung nicht. Im Gegenteil. Dass etwa die lokale PDS in Wurzen sich damals gegen Antifa-Demos (1996 und 1999) in ihrer Stadt wehrte und das Nazi-Problem herunterspielte (die Parteispitze aus Berlin solidarisierte sich hingegen mit der Antifa-Mobilisierung), lag sicher auch daran, dass sie die örtlichen Jugendlichen, die alkoholisiert und arbeitslos an der Bushaltestelle Nazi-Sprüche klopften ebenso wie deren organisierte Form im Grunde als Opfer des vom Westen her über den niedergerissenen »Schutzwall« schwappenden »Faschismus« verstehen mussten. War der Faschismus nach DDR-Lesart doch nur – im Sinne Georgi Dimitroffs – »die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals«. Ähnliches erlebten wir 1997 in Gollwitz, als sich die Gollwitz-Linke ein für allemal vom Antifaschismus los- bzw. sich endgültig auf die dimitroffsche Faschismus-Theorie festlegte – was dasselbe ist. Jürgen Elsässer, heute hundertprozentig auf dem nationalbolschewistischen Weg, konstatierte damals in der Jungle World: Nach Gollwitz sei es »nicht nur illusionär, sondern reaktionär, sich positiv auf die Linke zu beziehen«.
An dieser Stelle genügt es nicht, das antifaschistische Verständnis der PDS/Linkspartei zu hinterfragen, auch das der postautonomen Antifa muss in diesem Zusammenhang kritisiert werden. Auch wenn sich gerade aus der Antifa, mehr als aus jeder anderen linksradikalen Bewegung der neunziger Jahre, recht viele emanzipatorische Ansätze entwickelt haben, sollte man nicht verschweigen, dass auch in der Antifa-Bewegung das dimitroffsche Faschismus-Verständnis immer wieder Geltung erfuhr. Vor allem bei dem den Leserinnen und Lesern der Phase 2 aus der ersten Phase bestens bekannten Gerede vom »Revolutionären Antifaschismus«, der zugleich auch Kampf gegen den Kapitalismus sein sollte. Nur dank einer gefestigten antirassistischen und antiautoritären Grundeinstellung der meisten aus der libertären autonomen Bewegung kommenden Antifas sind hier Auswüchse wie »Gollwitz« größtenteils ausgeblieben.
Nicht alle haben sich vom »Revolutionären Antifaschismus« gelöst. Den hatte die AA/BO (schon im Namen bezog man sich auf den Antifaschismus der thälmannschen KPD) in ihrem Gründungsdokument u. a. so definiert: »Der Kampf gegen Faschismus ist auch ein Kampf gegen die gesellschaftlichen Bedingungen, aus denen heraus die Bereitschaft der Menschen resultiert, faschistische/ chauvinistische Denkmuster anzunehmen (Konkurrenzmechanismen, patriarchale Sozialisation, Vereinzelung, ...)« – dass mit den »gesellschaftlichen Bedingungen« schlicht »der Kapitalismus« gemeint war, war dabei kein Geheimnis. Dimitroff lässt grüßen – oder eben auch der in der DDR als die antifaschistische Ikone schlechthin verehrte Ernst Thälmann (»Mein Volk, dem ich angehöre und das ich liebe, ist das deutsche Volk, und meine Nation, die ich mit großem Stolz verehre, ist die deutsche Nation, eine ritterliche, stolze und harte Nation«), auf den auch das historische Vorbild der Antifaschistischen Aktion zurückgeht. Der nationalistische Stalinist Thälmann hatte zwar zu Recht immer wieder darauf hingewiesen, dass Kapitalisten Hitler unterstützt und diverse Hoffnungen mit ihm verbunden hatten, allerdings erlebte er nicht mehr, dass es am Ende nicht rote Frontkämpferbündler, sondern die Armeen der kapitalistischen Großmächte USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion waren, die den Deutschen ihren Faschismus zerschlugen.
Vielleicht passte es also auch stellenweise zusammen, das mit der PDS und der Antifa. Trotzdem: Das Bündnis war größtenteils ein Missverständnis – Tatsache ist allerdings, dass es bestand. Die PDS unterstützte unzählige antifaschistische Demonstrationen, Aktivitäten und Gruppen, übernahm viele von deren Forderungen, auch machten zahlreiche Antifas in der PDS Politik, die Partei wurde für Jahre zu einer wichtigen Struktur für die antifaschistische Bewegung in Ostdeutschland.
Die PDS der Nachwendezeit war aber nicht nur für die radikale Linke ein Bezugspunkt und ein Ersatz für zivilgesellschaftliche Institutionen (SozialarbeiterInnen, Kirche, AStA, Gewerkschaft, NGO, Vereine usw.), sondern auch für die »ganz normalen Bürger«. Wer Probleme mit der Rente, dem Amt, dem Vermieter hatte, ging zum PDS-Büro. Wohin auch sonst? Die PDS hatte sicher von allen Parteien den größten Verdienst bei der Organisierung des geordneten Übergangs von der DDR- zur BRD-Realität. Gleichzeitig war es völlig offen, wie sie sich politisch entwickeln würde, und es war vermutlich richtig, zu jener Zeit zu versuchen, die Entwicklung dieser Partei zu beeinflussen. Und wer im Osten gesellschaftliches Feedback haben wollte, der kam an ihr auch nicht vorbei.
Drum stellt sich heute die Frage, ob sie jetzt, da die Partei bundesweit gesellschaftliche Relevanz und mediale Präsenz erfährt, nicht erst recht Bezugspunkt oder Betätigungsfeld einer außerparlamentarischen Linken, bzw. der Antifa, sein kann.
Allerdings haben wir es inzwischen mit einer »neuen« Partei zu tun, die sich »Die Linke« nennt, und aus einer Fusion der PDS/Linkspartei mit der westdeutschen Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (Wasg) entstanden ist. Sie ist wie die PDS in den Neunzigern einerseits Repräsentanz von vielem, was eine Antifa bekämpfen müsste, sprich sie müsste eigentlich Gegenstand der Antifa sein, nicht ihre Bündnispartnerin. Andererseits und gleichzeitig ist sie Teil einer antifaschistischen Linken und übernimmt immer noch wichtige Funktionen im Kampf gegen Rechtsextremismus und Neonazi-Strukturen, und auch gegen faschistische Denkmuster, gegen Rassismus, Homophobie oder auch den Überwachungsstaat – und das nicht nur aus taktischen Überlegungen heraus, sondern durchaus auch aus Überzeugung.
Mehr als die Partei haben sich die gesellschaftlichen Umstände verändert. Linke Jugendliche in der ostdeutschen Provinz sind nicht mehr auf Teufel komm raus auf die PDS als Ansprechpartnerin angewiesen. Wer in einem kleinen Kaff in Mecklenburg-Vorpommern ein linkes oder autonomes Jugendzentrum aufbauen oder ein »Alternatives Jugendcamp gegen Rechtsextremismus« veranstalten will, kann meist auch andere Gönner finden – Sozialprojekte, Gewerkschaften, Bildungsträger oder die örtliche Pfarrerin. Mit ein bisschen Geschick kann man auch ein paar Euro vom »Bündnis für Demokratie und Toleranz«, sprich vom Bundesinnenministerium, oder ähnlichen Fördertöpfen abzocken. So wie die Rentnerin auch nicht mehr mit ihrem unverständlichen Bescheid zum PDS-Büro um die Ecke tapern muss, ist die nicht-rechte, also alternative Jugendkultur in der ostdeutschen Provinz, die immer noch einer rechten Hegemonie gegenüber steht, nicht mehr zwangsläufig auf die Linkspartei als Unterstützerin angewiesen.
Dies ermöglicht ein souveräneres Verhältnis zur Linkspartei, auch ein kritischeres. Die Meinungen darüber, wie das aussehen kann, gehen allerdings weit auseinander. Während ein Teil der Antifa-Bewegung die Linkspartei als Bündnispartnerin oder als Ziel ihrer gesellschaftlichen Interventionspolitik und zuweilen auch als Arbeitgeber angenommen hat, forderte etwa Sören Pünjer in der Bahamas (50/2006), die Partei nicht anders als die NPD zu behandeln: »Den links wählenden Jammerossi, in dem es kaum anders denkt als im NPD-Wähler, hat die PDS zu einem Dauerproblem kultiviert. Man kann es drehen und wenden wie man will: Die hauptverantwortliche Ost-Agentur zur ständigen Reproduktion nationalsozialistischer Gesinnung heißt nicht NPD oder Freie Kameradschaften, und erst recht nicht Jörg Schönbohm, sondern Linkspartei«. Pünjer forderte gar antifaschistische Intervention gegen die »örtlichen Kameradschaften von der Linkspartei«.
Dass es im durchschnittlichen »links wählenden Jammerossi« kaum anders denkt, als im NPD-Wähler, könnte aber auch, wenn es stimmt, ein Argument für die Unterstützung der Linkspartei sein, denn ihr (erneut in Arbeit befindliches) Parteiprogramm und die Verlautbarungen der meisten ihrer PolitikerInnen unterscheiden sich zum Glück ja doch größtenteils recht eindeutig von denen der NPD. Und man möchte sich tatsächlich nicht vorstellen, die heutigen Linke-WählerInnen würden stattdessen der NPD ihre Stimme geben. Wenn es möglich wäre, in der Linkspartei eine emanzipatorische Politik durchzusetzen, würde man gleichsam ein großes, für national-sozialistische Ideen anfälliges Klientel nach Links ziehen können. So wie die PDS in den Neunzigern ihre Mitglieder Kraft der Autorität der Parteispitze in Berlin dazu erzogen hat, zum Beispiel Rassismus böse zu finden und sie zu antirassistischen Demos geschickt hat, könnte die Partei auch heute noch aufgrund der Autoritätshörigkeit vieler Mitglieder im Osten einen Beitrag zur Reeducation leisten.
Allerdings hat sich in der Partei doch auch einiges verschoben. War in der Vergangenheit die Parteispitze in fast allen Belangen zumindest immer einen Schritt emanzipatorischer als die Basis, droht nun, die Stimme der Basis das Zepter zu führen. Und zwar ausgerechnet in Gestalt eines Wessis und Sozialdemokraten: Oskar Lafontaine. Während die PDS 1992/1993 gegen die faktische Abschaffung des Asylrechts demonstrierte, war Lafontaine im Westen für die SPD einer der Wegbereiter der rassistischen Grundgesetzänderung. Eine Distanzierung Lafontaines von seinen Ausländer-Raus-Positionen ist nicht bekannt. Für seine »Fremdarbeiter«-Äußerung bekam er einen Partei-Rüffel und es wurde sich darauf geeinigt, dass er sich zu diesem Thema zunächst nicht mehr äußern solle. Das übernimmt dafür jetzt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Klaus Ernst. Er argumentierte erst kürzlich in der Talkshow mit Maybritt Illner im ZDF gegen den Zuzug von AusländerInnen: »Wir haben drei Millionen Arbeitslose – nach meiner Meinung sind es sogar sechs Millionen. Deren Qualifikation wird einfach nicht abgerufen. Stattdessen sollen fertig ausgebildete Fachleute aus dem Ausland kommen. Das passt nicht zusammen. Bevor man Azubis und Arbeitskräfte aus dem Ausland holt, sollte man an die Arbeitslosen und Schulabgänger ohne Lehrstelle hierzulande denken«.
Auch die AntiimperialistInnen und AntizionistInnen erleben vor allem durch die Westzufuhr und die Integration von der trotzkistischen Sekte Linksruck in der Linkspartei eine neue Blütezeit. Dass Gregor Gysi in seiner Rede zum 60. Jahrestag der Staatsgründung Israels nicht nur dem Antizionismus, sondern auch dem Antiimperialismus eine Abfuhr erteilte, war zwar einerseits ein hoffnungsvolles Zeichen, andererseits auch Ausdruck davon, dass es offenbar höchste Eisenbahn ist, in der Partei einer bestimmten Entwicklung den Riegel vorzuschieben.
Wenn das denn überhaupt möglich ist. Der Jugendverband solid wehrt sich jedenfalls mit Händen und Füßen gegen die Etablierung des israelsolidarischen Bundesarbeitskreises (BAK) Shalom. Beim letzten Bundestreffen aller Bundesarbeitskreise in Essen Mitte Juni wurden die Mitglieder des BAK Shalom regelrecht gedemütigt, ihre Flyer entwendet und zerrissen und der solid-Bundessprecher Max Steiniger erklärte als Reaktion auf eine kleine im Partyraum angebrachte Israel-Fahne, diese habe bei solid nichts zu suchen, denn sie symbolisiere »die Unterdrückung und den Mord an hunderttausenden Menschen«. Beim nächsten BAK-Wochenende wolle er, es war wohl ironisch gemeint, ein Transparent mit der Aufschrift »Intifada bis zum Sieg« mitbringen. Schon zuvor hatte der BundessprecherInnenrat von solid dem BAK Shalom die Gelder eingefroren und ihm quasi einen Maulkorb verhängt.
Auch der Ober-Antizionist der Partei, Norman Paech, ist noch nicht, wie vom BAK Shalom gefordert wird, als außenpolitischer Sprecher zurückgetreten, sondern vielmehr zum Gegenangriff übergegangen und unterstellt dem BAK in antisemitischer Weise als jüdisch bzw. zionistisch gesteuerte Marionetten, als »Boy-Group des Henryk M. Broder«, zu fungieren. Zwar gibt es regelmäßig Protest aus der Partei, wenn sich wieder mal irgendwelche Politikerinnen oder Politiker mit der Hizbollah solidarisieren oder die Hamas schönreden, doch ordentliche Beschlüsse, die solche Positionen sanktionieren würden, gibt es nicht.
Für israelsolidarische Positionen, wie sie der BAK Shalom vertritt, gibt es in der Linkspartei keine Mehrheit, soviel steht fest. Allerdings ist es auch längst nicht ausgemacht, dass sich die Hardcore-AntizionistInnen durchsetzen werden. Es gibt durchaus zahlreiche Menschen in der Partei, die dies unter allen Umständen verhindern wollen. Die junge Welt, das Kampfblatt der Antiimps in der Linkspartei, die seit Wochen massiv gegen den BAK Shalom wettert, nennt ihn einen »Sprengsatz«, einen »Spaltpilz in der Partei«. Das klingt spannend! Man könnte also durchaus sagen: Wenn es irgendwo in einem relevanten Teil der Gesellschaft eine Auseinandersetzung mit Antiimperialismus, Antizionismus, mit der Frage »Wie hältst du's mit Israel?« gibt, die, je nachdem wie sie ausgeht, auch folgenreich sein wird, dann in der Linkspartei. Weshalb es Sinn machen kann, sich genau jetzt genau dort zu engagieren. So ähnlich begründete etwa Sebastian Voigt in der Jungle World (23/08) sein Engagement für den BAK Shalom. Dem widersprach in derselben Ausgabe Jan Gerber: »Konsequente Solidarität mit Israel hätte die Linkspartei nicht als Partner zu begreifen, sondern als Gegenstand der Kritik. Denn auch wenn die antizionistischen Hardliner auf einen etwas weniger verfänglichen israelpolitischen Jargon getrimmt werden könnten, wäre das allenfalls ein Beitrag zur Modernisierung des Antizionismus«. Eine Überlegung, mit der man sich ebenfalls auseinandersetzen sollte. Letztlich haben die vergangen 18 Jahre immer wieder gezeigt, dass es nur dann emanzipatorische Prozesse in der Partei gibt, wenn sie von der Parteispitze quasi verordnet werden. Und so gesehen, sieht es nicht gut aus für die Linkspartei, solange Lafontaine ganz oben an der Spitze steht.
Vielleicht müssen wir an dieser Stelle noch einmal auf den obszön scheinenden Vergleich von Linkspartei und NPD zurückkommen. Denn wenn da etwas dran sein sollte, stellten sich für die Antifa ja tatsächlich ganz neue Fragen. Sagen wir es so: In der Linkspartei gibt es alles. Emanzipatorische Linke und rot-braune Nationalbolschewisten. Es gibt auch in den programmatischen Schriften für jeden Geschmack etwas. Entscheidend dürfte sein, mit welchen Themen die Partei konkret Politik macht, sprich den Diskurs anfüllt. Der kommende Bundestagswahlkampf wird dabei sicher aufschlussreich sein. Dass die Linkspartei nicht die NPD ist, sieht man natürlich dort am deutlichsten, wo sie regiert und lupenreine SPD-Politik macht, wie etwa in Berlin.
Fragte man nach dem gesamten Weltbild, nach der Ideologie, würden vermutlich selbst die schlimmsten völkischen Antiimps in der Linkspartei nicht als FaschistInnen erscheinen. Jedoch: Auch die wenigsten NPD-WählerInnen im Osten verfügen über ein geschlossenes faschistisches Weltbild. Darauf kommt es aber auch nicht an. Das Problem am KZ-Wärter ist nicht, dass er Nazi ist, sondern dass er KZ-Wärter ist. Dazu genügt eine Portion Antisemitismus und eine Portion blinder Gehorsam, eines ideologischen Manifests bedarf es nicht.
Im Grunde umtreiben den rechtsextrem wählenden »Jammerossi« derzeit vier Dinge: Die Bonzen da oben, die dem kleinen Mann das Geld aus der Tasche ziehen, die Heuschrecken und die amerikanische Globalisierung, die mit nationaler Rückbesinnung beantwortet wird, die fremdbestimmende EU-Bürokratie, und am Rande noch die Ausländer, die allerdings im Osten eine geringere Rolle spielen, weil dort die von der SED geschaffene ausländerfreie Zone quasi weiter besteht. Anders gesagt: Antiimperialismus, Antiamerikanismus, Nationalismus und völkischer Antikapitalismus sind die Themen, mit denen die Nazis ihre Erfolge feiern. Gegen diese Ansichten müsste sich antifaschistisches Handeln also heute richten, wenn es mehr sein soll, als die Zerschlagung von Neonazi-Strukturen. Es müsste sich gegen alle Erscheinungsformen dieser Ansichten richten, egal, ob sie in der NPD, der CDU, am Stammtisch, in der Kirche oder der Moschee – oder eben in der Linkspartei zutage treten. Von wo aus man sich gegen sie richtet, ist dabei wohl zweitrangig.
Vielleicht lässt sich so auch noch das Konzept des »Revolutionären Antifaschismus« zumindest ansatzweise positiv wenden. Wie war gleich der Satz? »Der Kampf gegen Faschismus ist auch ein Kampf gegen die gesellschaftlichen Bedingungen, aus denen heraus die Bereitschaft der Menschen resultiert, faschistische/chauvinistische Denkmuster anzunehmen«. Übersetzt man »die gesellschaftlichen Bedingungen« nicht eins zu eins mit »Kapitalismus«, dann lässt er sich durchaus auch auf völkischen Antikapitalismus von »links«, auf Islamismus, auf nationalistisch gewendete Globalisierungskritik, Sexismus oder gesellschaftlichen Rassismus anwenden. Höre ich den Einwand, das sei jetzt aber keine Kapitalismuskritik? Entschuldigung, wir sprachen über Antifaschismus.
IVO BOZIC
Der Autor ist Redakteur der Wochenzeitung Jungle World.