Alles super

Zur Popularität des Superheld:innen-Genres

Die schiere Zahl und der Erfolg der Superheld:innen-Filme in diesem Jahrtausend provoziert die Frage: Warum sind sie so erfolgreich und beliebt, und welche Bedürfnisse befriedigen sie? It’s the cultural industry, stupid. Diese simple Antwort muss man zwar tumben Kritiker:innen dieses Trends vermitteln, uns genügt sie aber nur bedingt. Sind sie so erfolgreich, weil sie Angebote zur Welterklärung und zur Weltflucht machen sowie Ordnung in eine chaotische Welt bringen? Befriedigen sie Bedürfnisse des Publikums, weil ihre Erzählungen an die Mythen anschließen, die nicht weniger als die gesamte Welt erklären wollen? Sind Superheld:innen-Filme so beliebt, weil sie wie jedes kulturelle Phänomen auch von gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen erzählen – sei es kritisch, sei es affirmativ? 

Sowohl das Feuilleton der westlichen Welt als auch die Cultural Studies vermögen alle möglichen emanzipatorischen und regressiven Tendenzen im Genre zu erkennen, denn die Gattung ist sehr heterogen.Torsten Illner gebührt besonderer Dank für informierte und kritische Filmtipps und Diskussionen, ohne die dieser Artikel nicht zustande gekommen wäre. Sie hat Raum für antikapitalistische, identitätspolitische, diverse und gebrochene Helden:innen, Antiheld:innen und Außenseiter:innen. Ebenso präsentieren die Filme neoliberale Selfmade-Men, die wie Iron Man nicht umsonst an Elon Musk orientiert sind. Dem stehen aber auch proto-faschistische Fantasien wie Zack Snyders Batman vs. Superman gegenüber. Sie liefern Überwältigungsästhetik und Pathos genauso wie Komik, Groteske und häufig auch ihre eigene Parodie. Aber enthalten sie auch eine Kritik an der neoliberalen Ideologie und der politischen Ökonomie, wie die Rezeption in den Cultural Studies unterstellt? 

 

The Avengers als Massenbetrug 

Martin Scorsese behauptete 2019 vor allem in Richtung der Avengers-Reihe, Superheld:innen-Filme seien »kein Kino«, und meinte damit eine ästhetische Qualität. Diesen Fehlschluss, dass Kino eine ästhetische Qualität auszeichne, könnte man ebenso als bloßes Geschmacksurteil über zahlreiche seiner eigenen Filme fällen. Der Erfolg eines Genres wie der Superheld:innen-Filme ist anscheinend Ursache einer Kränkung, die eine einfache Logik der Kulturindustrie verkennt. 

Die Filmindustrie produziert Moden und reagiert auf sie ebenso saisonal wie andere kulturelle Erscheinungsformen. Gleichzeitig spiegeln die kulturellen Phänomene gesellschaftliche und politische Entwicklungen wider. Historienfilme erzählen selten bloß von der Vergangenheit und Science-Fiction-Filme selten bloß von der Zukunft. Stattdessen sind sie Gradmesser des Bildes der Vergangenheit und der Zukunft in ihrer jeweiligen Gegenwart. Entsprechend sind ihnen die Themen ihrer eigenen Gegenwart eingeschrieben. Scorsese begleitete mit Filmen über Kriminalität ab den 1970ern die Transformation des Kapitalismus zum Postfordismus, in der das organisierte Verbrechen sich ebenso umstellen musste wie Hollywood. Das New Hollywood, dem Scorsese zugerechnet wird, mag die Produktionsweisen und die filmische Ästhetik verschoben haben. Aber die Nostalgie der Mafiafilme oder die destruktive Männlichkeit beispielsweise seines Taxi Driver entspringen sowohl einer Sehnsucht nach dem Vergangenen mit vermeintlich klaren Dichotomien als auch einem Ressentiment gegen die Veränderung. Polemisch könnte man Scorsese leicht als einen der alten weißen Statthalter eines Kinos des letzten Jahrtausends denunzieren. 

Sein Argument, dass Superheld:innen-Filme sich häufig nicht durch eine cineastische Qualität auszeichnen, reduziert das Genre offensichtlich auf eine Reihe sehr ähnlich und austauschbar produzierter Filme und übergeht die Heterogenität des Genres. Fragt man nach der Popularität von Superheld:innen-Filmen, sollte präzisiert werden, über welche genau gesprochen wird. Bei den gedruckten Comics gibt es insofern eine Kontinuität, als dass sie regelmäßig erscheinen. Dagegen muss die Darstellung der Figuren in jeder Epoche filmisch neu erfunden werden. Diese Brüche fallen bei den Adaptionen für das Kino umso deutlicher auf, als es dort die kontinuierliche Produktion und damit serielle Erzählweise der Comics aus dem Marvel Cinematic Universe (MCU) der 2000er nicht gab. Batman beispielsweise wurde mit Adam West in den 1960ern als Pop-Art-Figur inszeniert. Die Batman-Reihe der 1990er hatte wechselnde Hauptdarsteller und versuchte sich mit an den Comic-Vorlagen angepassten Adaptionen. Erst die Batman-Reihe von Christopher Nolan inszenierte den Dark Knight als widersprüchlichen Antihelden, der ideal zu brüchigen Männlichkeitsvorstellungen der 2000er passte, ohne Männlichkeit je wirklich zu kritisieren. Dafür schuf die Reihe auch Antagonisten wie Joker und Bane, die als Identifikationsfiguren antikapitalistischer Bewegungen herhalten konnten. Während Spiderman in diesem Jahrtausend circa dreimal neu erfunden werden musste, konnte das MCU mit Iron Man, Thor, Captain America, Hulk, Black Panther und der Avengers-Reihe expandieren. DC Comics musste neben Wonder Woman auf die beiden Überhelden Batman und Superman setzen. 

Parallel dazu erschienen auch zahlreiche Parodien des Genres, die die Selbstreflexivität und das Selbstbewusstsein der Comic-Vorlagen aufnahmen: Kick-Ass, Super oder Deadpool. Komödien wie Thor: Ragnarok und Birds of Prey (and the Fantabolous Emancipation of One Harley Quinn) sind zugleich ernst gemeinte Repräsentationen des Genres und dessen eigene Parodie. Das MCU eignete sich die Komik als Selbstreflexivität an und suggerierte damit, dass man sie nicht so ernst nehmen muss, wie Scorsese das tut. Nimmt man sie ernst, erzählen sie aber etwas über die Zeit, in der sie produziert werden, und deren Ideologie. Vor zehn Jahren hat Dan Hassler-Forest mit Capitalist Superheroes: Caped Crusader in the Neoliberal Age dafür eine mögliche Lesart vorgegeben. Superheld:innen-Filme enthalten kaum eine explizit fundierte Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse. Aber was sagen sie implizit über den gegenwärtigen Kapitalismus und die Kritik daran aus? Wie haltbar sind diese Interpretationen, wenn man dabei nicht in den Modus der Cultural Studies verfallen und überall subversives oder emanzipatorisches Potenzial erkennen will, selbst wo keines ist? 

Eine ganze Reihe kulturwissenschaftlicher Produktion untersucht das Genre der Superheld:innen-Filme ideologiekritisch und identifiziert subversive oder kritische Charaktere: Selbst-bewusste Figuren, die auch infrage stellen, wofür sie selbst kämpfen: »Nicht nur werden Superheldenfilme immer beliebter, ihr Inhalt und ihre Themen bilden perfekt jene Epoche der Wirtschaftsgeschichte ab, die wir als neoliberalen Kapitalismus bezeichnen könnten.«, schreibt etwa Keith A. Spencer auf salon.com. Er erkennt in Anlehnung an das Buch von Dan Hassler-Forest in den Superheld:innenfilmen »die tragenden Schöpfungsmythen des Neoliberalismus […]. [Dieser] erzeugt auch seine eigenen utopischen Narrative, die am deutlichsten in Superheld:innenfilmen zum Ausdruck kommen.« Dass die Kulturindustrie Artefakte produziert, die genau ihre eigenen Produktionsweisen und Grundlagen kritisieren, ohne dabei zur Umwälzung der Verhältnisse beizutragen, ist keine bahnbrechende Erkenntnis. Die Selbstkritik hält der Kapitalismus wie so viele andere Widersprüche aus. 

 

Thor und Iron Man oder Mythos und Aufklärung 

Eine Erklärung für die Popularität von Superheld:innen ist ihre Nähe zum Mythos. Sie beziehen sich auf reale Mythen, die popkulturell transformiert werden und schließen an die großen mythischen Heldenerzählungen an. Sie sind Auserwählte, Erlöserfiguren, nicht nur Helden, sondern Super-Helden, die jegliche Inkarnation des Bösen besiegen können, sei es auch noch so sehr in der Überzahl. Damit bringen sie Ordnung in eine chaotische und unerklärbare Welt. Diese wird in einfache Gegensätze von Gut und Böse geteilt. Die Held:innen aus den Comics, die sich nicht zufällig vor allem an ein kindliches und jugendliches Publikum richten, stellen selten diese Dichotomie infrage. Stattdessen bringen sie wieder ins Gleichgewicht, wo dieses durch die bösen Mächte, ein Missgeschick der Held:innen oder einen Zufall ins Wanken gerät. Dass diese Ordnung richtig ist, steht im Superheld:innen-Universum in der Regel außer Frage. Zweifel, im Sinne des Guten zu handeln, gehören zu beinahe jeder Heldenerzählung dazu. Im Gegensatz zu unserer unübersichtlichen, entzauberten Welt halten die Superheld:innen an einer verzauberten, mythischen Welt fest. Die Bezüge und Anspielungen auf die Mythen und großen Weltreligionen entstammen teilweise einer tatsächlich religiösen Grundierung. Teilweise sind sie säkularisiert und finden nur in postmoderner Weise als Collage oder Pastiche zusammen. 

Jela Krečič Žižek betont in dem Artikel Superheroes: The Making and Unmaking of a Genre in a Stupid Culture die Nähe des Superheld:innen-Genres zur Religion. Erstaunlicherweise zieht sie diese Verbindung für Superman als Erlöserfigur ausgerechnet zum Christentum und ignoriert den jüdischen Kontext der Figur. Superman wurde als Figur von Nachfahren jüdischer Emigranten erfunden. Der Charakter lebt nach der Zerstörung seines Heimatplaneten in der Diaspora. Sein Alter Ego Clark Kent kämpft entsprechend mit den Widersprüchen der Mimikry und der Akkulturation. Da viele der Bezüge implizit bleiben, lässt sich Superman nicht eins zu eins als jüdische Figur lesen. Der Deutung Supermans als modernem Golem wird häufig widersprochen. Wie alle Comicheld:innen ist er zutiefst in die amerikanische Kultur seit den 1930ern eingeschrieben. Als Superheld verkörpert er die Idee, dass der gewöhnliche Mann – und selten die gewöhnliche Frau oder gar diverse Charaktere – es allein mit den Mächten des Bösen aufnehmen kann. Erst die Maske verwandelt laut Jela Krečič Žižek gewöhnliche Menschen in Superheld:innen. Für Dan Hassler-Forest ist der Held »die fantastische Verkörperung eines engagierten liberalen Idealismus«. Die bürgerliche Idee vom Menschen als Helden, wie sie Adorno und Horkheimer in der Dialektik der Aufklärung an Homers Odysseus nachzeichneten, fällt zurück in die Vorgeschichte, den Mythos. Gleichzeitig sind die Superheld:innenen Ausdruck eines zutiefst bürgerlichen Konzepts, der Sehnsucht nach Individualität. 

Umberto Eco hat in seiner Analyse The Myth of Superman an den Comics gezeigt, wie sehr die Vorstellungen der Superheld:innen-Figuren aus der Zeit gefallen sind. Der individuelle Held weicht bereits mit dem Zeitalter der Industrialisierung zu Anfang des 19. Jahrhunderts in der Realität der Masse: Denn »[i]n der Industriegesellschaft ist der Mensch eine Nummer innerhalb der Organisation, die ihm seine Entscheidungen abgenommen hat, verfügt nicht über Produktionsmittel und ist somit der Macht beraubt, selbst zu entscheiden.« Durch die Industrialisierung sind die Individuen austauschbar geworden und finden ihre Residuen nur noch in romantischen Erzählungen. Die Held:innen der Superheld:innen-Filme changieren zwischen menschlichen Figuren im Sinne von Homers Odysseus, den Adorno und Horkheimer als »Urbild eben des bürgerlichen Individuums« verstehen, und den mythischen Göttern und Halbgöttern vor ihm. Sie sind Narzissten und Individualisten wie Iron Man, Batman oder Superman. Sie können sich auf übernatürliche, mythische Kräfte verlassen (Superman, Thor, Wonder Woman), auf zufällige (Spiderman, Hulk) oder auf angeeignete technische (Iron Man, Batman, Ant-Man). Nicht umsonst beziehen sich Darstellungen der letzteren dabei auf die technisch-innovativen vermeintlichen Heilsbringer des Silicon Valley. Robert Downey Jr. hat sich bei seiner Verkörperung des Iron Man an Elon Musk orientiert. Aber auch die rationale Vernunft des digitalen Zeitalters von Mark Zuckerberg oder Steve Jobs scheint aus den Superheld:innen zu sprechen, die sich mit der Vielzahl an kybernetischen Prothesen zunehmend in Cyborgs verwandeln. »Je weiter aber der Prozeß der Selbsterhaltung durch bürgerliche Arbeitsteilung geleistet wird, umso mehr erzwingt er die Selbstentäußerung der Individuen, die sich an Leib und Seele nach der technischen Apparatur zu formen haben.«, nannten Adorno und Horkheimer das in der Dialektik der Aufklärung noch in gänzlicher Unkenntnis der vierten industriellen Revolution. 

Wenn Arbeit in den Superheld:innen-Filmen dargestellt wird, kennt sie dabei nur zwei Extreme. Die benannten Individualisten arbeiten allein an ihren genialen Erfindungen, nur von wenigen Assistent:innen unterstützt. Als Avengers, Guardians of the Galaxy oder Suicide Squad erweitern sie diesen Individualismus um den neoliberalen Teamgeist, mit dem sie gegen das Böse gewinnen können, wenn nur alle ihren Beitrag leisten. Explizit wird Arbeit nur an den Antagonist:innen gezeigt. Die Bösewichte, obwohl sie häufig mit eigenen Superkräften ausgestattet gar Super-Villains sind, betreiben eine anonyme Ausbeutung der Arbeitskraft anderer, die dann als Sklaven die jeweils passende Variante des Todessterns in sehr vorindustrieller Weise zusammenbauen müssen. Als platte Parodie auf die politisch korrekte Sprechweise wird der Begriff Sklaven durch die antagonistische Figur des Grandmaster in Thor: Ragnarok durch »prisoners with jobs«, also Gefangene mit Arbeit, ersetzt. »Superheldenfilme mögen großartig sein, wenn es um Identitätspolitik geht – sie spiegeln die größere Arena des Kulturkampfes wider, in der die progressive Linke weiterhin gewinnt –, aber sie sind schrecklich, wenn es um ökonomische Vorstellungen geht.«, schreibt Keith A. Spencer dazu auf salon.com. Denn während die Repräsentation der Arbeitsverhältnisse als Bezugspunkt auf gegenwärtige Phänomene unterbestimmt bleibt, was das Genre mit einem Großteil der kulturindustriellen Produktion teilt, ist es in puncto Repräsentation diverser Identitäten dabei aufzuholen. Die weißen Super-, Eisen-, Fledermaus-, Spinnen- und Ameisen-Männer werden nur von wenigen weiblichen oder nicht-weißen Figuren kontrastiert. Nichtsdestotrotz gibt es sie gerade in den jüngeren Filmen des MCU. 

Black Widow und Black Panther oder Aufklärung und Moral 

So wenig das Gros der Superheld:innen-Filme antikapitalistisch ist, so wenig ist es weder identitätspolitisch emanzipatorisch noch tatsächlich antisexistisch oder antirassistisch. Im Gegenteil: Den Bechdel-Test bestehen die meisten der Filme nicht. Das Genre ist so heterosexistisch wie die Gesellschaft. Wo Frauenfiguren nicht objektiviert werden und zur bloßen Staffage eines Boy-meets-Girl-Szenarios dienen, am prägnantesten etwa in den zahlreichen Spiderman-Verfilmungen, tendiert ihre Darstellung häufig ins gänzlich Misogyne. Bei weiblichen Protagonistinnen wie Wonder Woman, Black Widow oder Harley Quinn stellt sich die Frage, ob sie nicht mehr Ausgeburt einer männlichen Fantasie als mögliche emanzipatorische oder widerständige Figuren sind. Wonder Woman ist darin weniger durch den Rekurs auf den Amazonen-Mythos als vielmehr in der feminisierenden und häufig kritisierten körperlichen Darstellung mindestens ambivalent. 

Bei Ant-Man and the Wasp feierte Asmita Ghosh auf feminisminindia.com the Wasp noch als die erste weibliche Hauptfigur des MCU, auch wenn schon der Titel sie nachrangig behandelt. Sie mokiert aber, dass nahezu alle Nebenfiguren Männer sind. Black Widow von 2021 korrigiert diese Repräsentation: Ein nahezu komplett weiblicher Cast, lediglich ein Handlanger, eine lächerliche Vaterfigur und der patriarchale Bösewicht sind mit männlichen Figuren besetzt. Entsprechend lobt Mridula Sharma auf feminisminindia.com die feministischen Aspekte von Black Widow, aber kritisiert die imperialistischen. Neben der offensichtlichen Kritik an patriarchaler Gewalt und starken Actionheld:innen belebt Black Widow in schlechtester Bond-Manier die Perspektive des Kalten Krieges und der damit einhergehenden amerikanischen Hegemonie, die von einem vormals sowjetischen Bösewicht bedroht wird. Wie so häufig dreht sich aber selbst die Rettung der Welt in erster Linie um die Rettung der Kernfamilie. Sowohl Ant-Man and the Wasp als auch Black Widow zielen auf die Wiedervereinigung von Familien und begraben darunter ihr vielleicht kritisches Potenzial. 

Luc Boltanski und Ève Chiapello stellten in Der neue Geist des Kapitalismus an Subkulturen und der Künstlerkritik dar, wie der Kapitalismus auch widerständige Praktiken problemlos vereinnahmt. Gleiches zeigt sich besonders effektiv an der Repräsentation und Identitätspolitik, beispielhaft an der Rezeption von Black Panther. Während der Anteil des afro-amerikanischen Publikums bei durchschnittlichen Mainstream-Filmen in den USA bei 15 Prozent liegt, war der Anteil des afro-amerikanischen Publikums beim Start von Black Panther 33 Prozent. Der Film ist einerseits ein ernsthafter Versuch, die Repräsentation von Schwarzen zu erhöhen und Angebote zur Identifikation zu machen. Andererseits ist er auch der Ausdruck einer notwendigen Vereinnahmung durch die kulturindustrielle Verwertungslogik. So bleibt die Erzählung mit einem ausschließlich nicht-weißen Cast innerhalb der Gattung ein bemerkenswertes identitätspolitisches Angebot. Bereits die Erfindung der Figur als Comicheld hat eine ambivalente Geschichte: Stan Lee und Jack Kirby bezogen sich 1966 noch nicht auf die Black Panther Party, die im gleichen Jahr gegründet wurde. Stattdessen fühlten sie die Leerstelle, dass afro-amerikanische Figuren im Marvel-Universum fehlten. Mit dem Publikum, das sich mit dem Helden identifizieren kann, erschlossen sie aber zugleich einen neuen Markt. Der Rekurs auf eine revolutionäre Tradition und zur Black Panther Party ist im Film präsenter als in der Gründungsphase der Comics. 

Die Bezüge zu afro-amerikanischer Tradition und die afro-futuristischen Elemente im Mainstream-Kino mögen ein kulturindustrieller Erfolg politischer und gesellschaftlicher Diskussionen und Umbrüche sein. Sie rütteln an der weißen Hegemonie nicht nur Hollywoods und an der Macht des Rassismus. Aber sie wären nicht Mainstream-Kino, wenn sie nicht auch die ebenso regressiven Tendenzen aufnehmen würden. In der versöhnlichen und liberalen Erzählung muss der radikale revolutionäre Charakter als Antagonist besiegt werden. Der Black Panther, der aus dem Film als Held hervorgeht, ist kein radikaler Vertreter der tatsächlichen Black Panthers wie sein unterlegener Antagonist. Jela Krečič Žižeks Ehemann Slavoj vertritt daher die These, dass das Publikum sich mit den Antagonisten identifizieren würde. Die revolutionäre Figur sei der »eigentliche« Held. Gleiches gelte für die Figur Bane in The Dark Knight Rises. 

 

Batman vs. Superman oder Elemente der Gegenaufklärung 

Der Aufstand der gesellschaftlich Abgehängten, den Bane in The Dark Knight Rises provoziert, wurde häufig als Analogie zur Occupy-Bewegung und als Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft gelesen. Wenn das so ist, bezieht der Film aber sehr deutlich Position. Die Aufständischen sind lediglich destruktive Anarchist:innen, Batman ist dagegen die maskierte Bürgerwehr der extremen Mitte. Er stellt die Ordnung wieder her, in der alle Klassengegensätze erhalten bleiben. Die perfideste und regressivste Inszenierung Batmans liefert jedoch Zack Snyder mit Batman vs. Superman. Zack Snyder hat mit der Adaption von Frank Millers 300 nicht umsonst einen Lieblingsfilm der Rechten produziert. Selbst wo er rechte Ideologie nicht offensichtlich inszeniert, bedient Snyder mit der ihm eigenen Überwältigungsästhetik und übermäßigen Pathos faschistische Bilder. Die scheinbar zweifelnden und gebrochenen Helden Batman und Superman erstrahlen bei ihm in einem riefenstahlschen Glanz. Wie Marvel mit den Avengers versucht sich DC daran, alle seine Held:innen in einem Film zu amalgamieren. Die Superheldin der DC Comics hat es zwar in den Film, aber nicht in dem Titel geschafft. Wonder Woman dient nur für einen weiteren Rückgriff auf die Vergangenheit und den Mythos. 

Mit Suicide Squad von 2016 versuchte DC an das MCU anzuschließen und eine ganze Reihe Super- und Antiheld:innen in einem Film zu versammeln. Das scheiterte narrativ ebenso wie die objektivierende Darstellung von Harley Quinn, für die der Regisseur sich später entschuldigte. The Suicide Squad von 2021 wirkte entsprechend weniger wie eine Wiedergutmachung denn als Versuch, das Prequel aus dem filmischen Gedächtnis zu tilgen. Die Rettung der DC-Filme ist eine Rückbesinnung auf die Komik, die die Batman-Filme der 1960er ebenso wie die Comics auszeichnete. Marvel (bzw. als Eigentümer der Marke: Disney) hatte das längst begriffen. Der Pathos der 2000er vor allem in den Batman-Filmen ist längst einer popkulturellen Leichtigkeit gewichen, die gleichermaßen selbstreflexiv und selbstbewusst häufig nicht mehr sein will als bloße Unterhaltung. Entsprechend lächerlich wirkt es, dass ausgerechnet Martin Scorsese die Oberflächlichkeit und bombastischen Materialschlachten des Genres kritisiert, während er selbst mit The Irishman nichts anderes macht als schon in Mean Streets, Taxi Driver und Goodfellas: Männerfilme, in denen Männer Männersachen machen. 

Die Komik, die den Filmen von Nolan, Snyder und Scorsese fehlt, macht neuere Superheld:innen-Filme wieder attraktiv. Iron Man, Ant-Man und Harley Quinn sind zuvorderst groteske und komische Charaktere. Sie lenken uns ab und ihre Komik erinnert uns an »die Stimmung unserer Kindheit, in der wir das Komische nicht kannten, des Witzes nicht fähig waren und den Humor nicht brauchten, um uns im Leben glücklich zu fühlen.«, wie Freud Anfang des 20. Jahrhunderts in Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten erkannte. Die Popularität gegenwärtiger Superheld:innen-Filme erklärt sich gewiss aus ihrem Unterhaltungswert, der Ablenkung und Flucht aus dem Alltag in ein Universum, in dem das Gute immer über das Böse siegt. Ihre Popularität begründet sich auch in dem Lerneffekt der Kulturindustrie, auf gesellschaftliche Diskussionen zu reagieren: Die Repräsentation von Frauen* und nicht-weißen Personen, von Außenseiter:innen, die als Team ganz im Sinne der neoliberalen Ideologie erfolgreich sein können. Ihre Attraktivität liegt aber auch in ihrem Humor, der, wie Freud in Der Humor schrieb, »so liebevoll tröstlich zum eingeschüchterten Ich spricht«. Die Komik und manchmal auch Stupidität trösten uns über unsere eigene Unzulänglichkeit. Der Humor lässt einen selbstironischen Blick auf die eigenen Makel zu. Ideologisch werden uns diese Makel als Qualität in der kapitalistischen Gesellschaft verkauft: Wir könnten nicht trotz, sondern gerade wegen unserer Makel über Superkräfte verfügen, wenn wir uns nur genug anstrengen. Der Humor ist daher wie der Mythos auch eine Täuschung. Wir werden nie Superheld:innen sein. 

 

Chris W. Wilpert 

Der Autor lebt und arbeitet als Literaturwissenschaftler, Übersetzer und Redakteur in Berlin.