Alles verbirgt die dunkle Seite ... Star Wars II

Die Metaphysik des Faschismus

„Für mich klingt das ganz nach einer Diktatur" - Senatorin Amidala
„Wenn es funktioniert" - Anakin Skywalker

Bei Star Wars: Episode I ließ sich der großnasige Kleinkapitalist Watto ja noch zweifelsfrei als der ewige Jude identifizieren, und auch der Handlanger des Bösen, die laut Vorspann „unersättliche" Handelsföderation ließ genug Raum für entsprechende Projektionen. Das berechtigte Urteil war schnell gefunden: Wir hatten es mit einem antisemitischen Machwerk zu tun. Wie viel angenehmer waren da doch die Visionen der Original-Trilogie, in der das Böse noch das Gesicht der imaginierten Gesamttotalität von Faschismus und Kommunismus trug, die letztlich nicht zuletzt vor dem kernigen Charme Harrison Fords kapitulieren musste. Doch jetzt ist Episode 11 eingeschlagen, und siehe: Auch Sternenkrieger können vielschichtig sein. Und so müssen die Jedi-Ritter in Episode II das spezifisch bürgerliche Trauma vom Aufstieg des Faschismus erleben, an dem sie selbst nicht ganz unschuldig sind. Die Frage, wie es dazu kommen konnte, kann uns George Lucas letztlich ebenso wenig beantworten, wie sie selbst es können. Wahrscheinlich musste er die Dialektik der Macht erfinden, weil er die Dialektik der Aufklärung verpasst hat...
 

Dunkle Herzen

"Ich liebe die Demokratie" - Kanzler Palpatine

Die Republik, die in Episode II durch Korruption und Separatismus bedroht ist, repräsentiert zweifellos das große Projekt des westlichen Universalismus: Eine Ordnung zu schaffen, die im Rahmen der wertförmigen Vergesellschaftung Ausgleich und Gerechtigkeit hervorbringt. Die eigentliche Bedrohung dieser Idealgesellschaft kommt allerdings nicht von Außen, sondern aus ihrem Innersten. Darth Sidious, die Verkörperung der dunklen Seite der Macht, so weiß der eingeweihte Fan, ist niemand anders als Kanzler Palpatine, politischer Führer der Republik und vorgeblich aufrechter Demokrat. Jetzt erneut Antisemitismus zu wittern, verfehlt den Kern der Sache zwar nicht völlig, wird aber der Vielschichtigkeit der Situation nicht gerecht: Vielmehr scheint Lucas sich hier beim näheren Hinsehen dem Liebknechtschen »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« zu verpflichten. Denn Palpatine ist tatsächlich kein Fremdkörper im Herzen der Republik, er ist dort Zuhause. Wirtschaftliche Korruption scheint nicht sein Bier zu sein - Sein Machtstreben ist ein absolutes. Während seine Methoden hintergründig sind, ist die von ihm angestrebte Herrschaft eher direkt als manipulativ.

Palpatine selbst ist es, der die dunkle Bedrohung von Korruption und Separatismus hervorbringt. Je doch ist er nicht mit dieser Bedrohung identisch, ihre Inszenierung ist ihm nur Werkzeug, um den repressiven Reflex der Republik zu provozieren - Militarisierung und Ermächtigungsgesetze. Hier könnte Lucas tatsächlich aus einem bundesdeutschen Geschichtsbuch über die Weimarer Republik angeschrieben haben, denn die Sündenböcke Palpatines lesen sich wie ein who's who faschistischer Feindprojektionen:
Neben der schon bekannten Handelsföderation mit ihrer (in der deutschen Synchronisation) erbfeind-französisierten Aussprache sitzen am runden Tisch der Separatisten das Banken-Konsortium und die Droiden-Föderation, deren Delegierter nicht umsonst als die Verkörperung des Arbeiters als Bestandteil der Fabrik erscheint. Die KPD lässt grüßen. Unter der Führung von Count Dooku, der für sich in Anspruch nimmt, selbst den Kampf gegen die Korruption zu führen, arbeiten sie am Sturz der Republik, ohne jemals die eigentliche Gefahr zu sein. Dooku arbeitet tatsächlich für Palpatine, der wiederum für den faschistisch überhöhten Machtanspruch der Republik steht. Die separatistischen Kräfte werden als Wegbereiter des Faschismus aufgefasst - Ganz, wie es der KPD in den Zwanzigern gerne nachgesagt wird.
Während Star Wars zum einen die Konstruktion des abstrakten Kapitals (militärisch interessanterweise vertreten durch Kampfdroiden) durch die faschistische Ideologie hervorhebt, lässt sie andererseits die der Ideologie nur scheinbar vorgängigen Subjekte als solche intakt. Für Star Wars gibt es das Weltjudentum also tatsächlich, und es trägt logischerweise auch eine Mitschuld an seiner Sündenbockfunktion für den Faschismus. Kritikwürdig erscheinen hier nicht die Grundvorstellungen des Faschismus, sondern ihre totalitäre Konsequenz. Damit teilt Star Wars das Dilemma bürgerlicher Faschismusanalysen, die nicht in der Lage sind, strukturellen Antisemitismus als generativen Prozess zu begreifen, der durch seine Erzählpraxis so etwas wie die jüdische Weltverschwörung diskursiv hervorbringt, ohne bis kurz vor Schluss jemals von Juden reden zu müssen.
 

Ein Jedi tut, was zu tun ist

„Von einem Sieg du sprichst, Obi-Wan? Der Angriff der Klonkrieger begonnen hat“ - Yoda

Dieses Dilemma verdeutlicht sich in der Rolle der Jedi-Ritter. Als Repräsentanten der friedfertigen und wehrhaften Demokratie tun sie das, was in ihrer Logik das einzig richtige ist – sie verteidigen die Republik. Und so werden die eigentlich gutwilligen Demokraten zu Wegbereitern des Faschismus. Der gehasste Gungan Jarjar Binks, Paradebeispiel für das erfolgreich integrierte Andere, darf den Kriegskrediten zustimmen, da die SPD gerade nicht da ist. Und tatsächlich wäre diese Zustimmung ja innerhalb seiner Logik nicht falsch - schließlich muss der Separatismus bekämpft werden, um die Republik zu retten, und tatsächlich kann er nur mit militärischen Mitteln bekämpft werden. Disqualifiziert wird diese Handlungsweise für den Zuschauer einzig dadurch, dass es ja Palpatine war, der alles geplant hat, um an die Macht zu gelangen. Authentische Separatisten haben durchaus authentische Gewalt verdient. Nur sind Dookus Truppen nicht authentisch, was auch den Jedi schwant. Doch gleich dem automatischen Subjekt können sie nur ihre Rolle in Palpatines Masterplan erfüllen - Sie selbst sind es, die ihn politisch und militärisch ermächtigen, sein faschistisches Regime zu errichten. Das Dilemma der Aufklärung hält sie gefangen: Denn wenn Maxime ihres Handelns sein soll, dass es auch für jeden anderen gültige Maxime sein darf (wie Kant fordert), dann lautet die Frage im Rückschluss: Wie wird dieses Handeln zur allgemeingültigen Maxime, also auch zur Maxime für die Separatisten? Das totalitäre Regime scheint die Antwort zu sein. Und so kommen wir nicht ohne klammheimliche Freude in den Genuss, den sanften und weisen Yoda als Kommandanten der späteren Sturmtruppen zu sehen. Auch die Regierung der Weimarer Republik bediente sich ja bekanntermaßen der faschistischen Freikorps. Das I-Pünktchen auf diesem Parallelismus ist dann, das es sich bei den Klonkriegern um ein eugenisches Projekt handelt...
 

Das dunkle Andere

„Sie sind wie Tiere, und wie Tiere habe ich sie abgeschlachtet“ - Anakin Skywalker

Die Frage, die Star Wars letztlich unbeantwortet lassen muss, ist die der Herkunft des Faschismus. Tatsächlich wird er als das notwendige Andere transzendental metaphorisiert - Die dunkle Seite der Macht ist der notwendige Gegenpart der lichten Seite.
Damit kommt Lucas einer Analyse schon erstaunlich nahe. Entsprechend ist Palpatine geschichtslos: Die Hervorbringung des Faschismus als gegenläufigen Prozess zur Etablierung des Universalismus der Vernunft bleibt unbeschreibbar, eine Kehrseite, die erst sichtbar wird, wenn sie zum Ausbruch kommt.
Die Ausbruchsgeschichte wird an Anakin Skywalker vollzogen: Nicht etwa die innere Logik des bürgerlichen Staates ist es, die den letzten Anstoß gibt für das Umschlagen in den Faschismus. Dazu muss doch wieder ein äußerer Anlass her, die Bedrohung oder Verletzung von außen - Der Tod von Anakins Mutter Shmi durch die Hände der primitiven Tusken. Der Faschismus ist also sowohl die Verteidigung gegen die vorzivilisatorische Barbarei wie auch der Rückfall in sie. Die Moral: Die Demokratie bedarf einer ständigen freiwilligen Selbstkontrolle (Und ist deshalb im Gegensatz zu Episode II erst ab 18 freigegeben). Als Anderes ist nur denkbar das Nachgeben gegenüber der Versuchung der Gewalt, des Ausagierens der Macht. Star Wars erzählt die Logik von bürgerlichem Staat und Faschismus mythisch nach. Genau an der Analyse dieses Verhältnisses muss der Film jedoch notwendigerweise scheitern. Der Faschismus kann nur mystifiziert werden als der Exzess, der aus dem eigenen Inneren heraus undenkbar ist und somit entweder aus dem Nichts kommt oder vom feindlichen Außen ausgelöst wird. Würde die Figur des großen Strippenziehers Palpatine aus dem Film gestrichen, vielleicht würde dann der Faschismus deutlicher als Kehrseite der bürgerlichen Vernunft in Erscheinung treten. Tatsächlich ist er seiner Selbststreichung erstaunlich nahe, erledigen sich doch alle seine Pläne praktisch von alleine. Entsprechend gesichtslos bleibt er als Darth Sidious - für das Volk steht dagegen ein verantwortungsbewusster Führer bereit. Mit Gesicht, wenn auch ohne Rotzbremse.

Phase 2 Berlin