Autonome Organisierung Teil 1

Zur Auflösung der AA/BO

Im April 2001 gab die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation in Göttingen ihre Auflösung bekannt. Damit endete nach fast neun Jahren der erste bundesweite Organisationsansatz autonomer Antifa-Gruppen. Hier soll nun versucht werden, ihre Entstehungsgeschichte nachzuzeichnen, ihre Politik kritisch zu hinterfragen und einen Ausblick auf die Zukunft zu wagen.

Der Gründung der AABO am 25. Juli `92 in Wuppertal ging eine Diskussion voraus, die mit einer Reflexion über den Zustand der Autonomen, bzw. der autonomen Bewegung begann. Die autonome Bewegung entstand Anfang der 80er Jahre als bewusste Abgrenzung zur Politik der damaligen Linken in der BRD. Die Erinnerungen an das dogmatische, autoritäre Gehabe der sog. K-Gruppen, die sich in ihren Kommunismusvorstellungen an China, Albanien oder an der Sowjetunion der Stalin-Ära orientierten, waren noch frisch. Die Autonomen verstanden sich im Gegensatz dazu als undogmatische, hierarchiefreie Bewegung. Es entstand eine subjektive Politik, die sich in erster Linie an den eigenen Erfahrungen orientierte, die das Lebensgefühl über eine wissenschaftlich-theoretische Herangehensweise setzte und Befreiung in erster Linie in der direkten Aktion suchte. Die Autonomen proklamierten nicht nur den Bruch mit dem Staat, sondern auch den Bruch mit der Gesellschaft. Folgerichtig gab es bei den meisten auch keine gesamtgesellschaftliche Utopie, wie etwa eine kommunistische Gesellschaft, es ging eher um die Erkämpfung von Freiräumen und der recht ungenauen Formel vom selbstbestimmten Leben. Verbindliche Strukturen waren selten und gingen, wenn überhaupt nicht über Städtetreffen, die einen Erfahrungsaustausch gewährleisten sollten hinaus. Eine weitergehende Organisierung war verpönt, da sofort irgendwelche Hierarchien vermutet wurden. Während der 80er Jahre waren die Autonomen eine bedeutende Bewegung. Über Themenfelder wie Hausbesetzungen, Erkämpfung und Verteidigung von autonomen Zentren, AKW, Startbahn-West, Anti-NATO, Frauen- und Lesbenkampf, Hafenstr. in Hamburg etc. konnten über Jahre hinweg Tausende mobilisiert werden.

Auch die etwa parallel zu den Autonomen entstandenen RAF-nahen antiimperialistischen Gruppen prägten das linksradikale Bild der 80er Jahre. Diese Gruppen, die sog. »Antiimps«, waren in ihrer Politik stark in ternationalistisch orientiert. Sie unterstützten die weltweiten antiimperialistischen Befreiungskämpfe und die Forderungen der Befreiungsbewegungen. Ähnlich wie bei den Autonomen spielte der Anti-Nazi-Kampf auch bei den Antiimps eine untergeordnete Rolle.

Ende der 80er gerät die autonome Bewegung an ihre Grenzen. Autonome AktivistInnen verliessen die Gruppen, sobald ökonomische Zwänge ihre Lebensbedingungen veränderten. Die subjektivistische »Politik der ersten Person« rächte sich. Erfahrungen waren aufgrund fehlender Strukturen nicht weitergegeben worden. Das ausschließliche Agieren in den sog. selbstbestimmten Freiräumen hatte in die Isolation geführt. Die antiimperialistischen Gruppen, die etwa seit Anfang 1988 bis auf die Thematisierung der politischen Gefangenen politisch nicht mehr in Erscheinung getreten waren, verschwanden mit dem Niedergang der RAF.

Unterdessen hatte sich als Reaktion auf das Erstarken der Neonazis die Antifa als eigener Teilbereich herausgebildet. Schon damals gab es verschieden Strömungen von antifaschistischen Gruppen: die einen setzten auf Recherche- und Aufklärungsarbeit, die anderen wollten reine Anti-Nazi-Politik, die dritten vertraten ein Konzept, welches sie revolutionären Antifaschismus nannten, d.h. Antifa-Politik sollte auch immer die Rahmenbedingungen angreifen, in denen faschistische Strukturen gedeihen konnten und geschützt, gepflegt, gefördert wurden; namentlich den imperialistischen Kapitalismus.

Spätestens mit dem Fall der Mauer lag die Notwendigkeit antifaschistischer Politik klar auf der Hand: Ein nationaler Einheitschor schmetterte mit »Deutschland einig Vaterland«-Gesängen jeden Zweifeler darnieder, Naziparteien gelangten in diverse Landesparlamente, Flüchtlingsheime brannten, während PolitikerInnen bekundeten, das Asylrecht müsse abgeschaft werden. Gleichzeitig schossen in jeder Stadt Antifagruppen wie Pilze aus dem Boden. Auch viele Autonome verstanden sich nun als Teil dieser Bewegung.

Im Sommer 1991 fand ein erstes bundesweites Antifatreffen statt. Die Resonanz war groß , auch wenn Aufgabenstellung und Zielsetzung ziemlich unklar waren. Doch recht schnell kristallisierte sich eine Diskussion um das Stichwort " Organisation" heraus. Der Grund dafür war, dass viele die autonome Politik der 80er nicht einfach wiederholen wollten. In einer Situation der eigenen Schwäche und der gesellschaftlichen Isolierung, in der sich die radikale Linke in der BRD befand, hatten sich die Unzulänglichkeiten loser Zusammenschlüsse immer deutlicher gezeigt. Doch der Organisierungsgedanke stieß von Anfang an auch auf starke Ablehnung. Vor allem " Altautonome" blieben im Denken der 80er verhaftet. Sie stellten die Gefahren einer Organisation deutlich über die Chancen.

In dieser Situation meldeten sich zwei Gruppen zu Wort. Die Gruppe f.e.l.s. aus Berlin führte im Berliner Szeneblatt »Interim« eine monatelange Debatte und erklärten auf einer Veranstaltung symbolisch ihren »Austritt aus den Autonomen«. Symbolisch deshalb, weil die Autonomen ja kein Mitgliederverein waren. Die Autonome Antifa (M) aus Göttingen stellte im gleichen Zeitraum ihr »Organisierungspapier« zur Diskussion. Ihre zentralen Thesen waren:

Der Niedergang der ausserparlamentarischen, autonomen Bewegung muss gestoppt werden.

Eine Konsequenz aus der Aufarbeitung der autonomen Geschichte muss die bundesweite Organisierung sein.

Um die gesellschaftliche Isolation aufzubrechen müssen Bündnispolitik und Öffentlichkeitsarbeit Bestandteile autonomer Politik werden.

Gezielte Jugendarbeit zur Nachwuchsfö rderung müssen gewährleistet werden.

Legitimität und Notwendigkeit von Militanz müssen besser vermittelt werden.

Ansatzpunkt ist der Antifaschismus.

Kampf dem Faschismus heisst Kampf dem imperialistischen System.

Auch dieser Vorschlag wurde heftigst kritisiert. Auch wenn weiterhin organisationsablehnende Gruppen teilnahmen, waren die folgenden Bundestreffen auf die Gründung einer antifaschistischen Organisation ausgerichtet.

Es sollte schnell gehen. Darüber bestand Einigkeit. Das zunehmende Erstarken der Nazis und die immer rassistischer werdende Politik des neuen Großdeutschland machten es erforderlich möglichst bald eine starke Gegenkraft auf die Beine zu stellen. Würde man erst alle theoretischen Fragen klären, die Analysen vereinheitlichen wollen und eine gemeinsame gesellschaftliche Utopie entwickeln, es hätte bis heute noch keinen Organisationsansatz gegeben. Auf der anderen Seite galt es der Unterschiedlichkeit der Gruppen Rechnung zu tragen. Es gab grössere, gefestigtere und relativ kleine neue Gruppen, Gruppen mit reiner Antifa-Praxis und welche, die auch andere Themen bearbeiteten, einige bezeichneten sich als KommunistInnen, andere wollten sich gar keinem "Ismus" verordnen. Dies alles musste unter ein pragmatisches, arbeitsfähiges Dach gebracht werden.

So entstand die AA/BO als eine Organisation ohne Programm, was für eine Organisation untypisch ist. Die Ziele der AA/BO orientieren sich daran, was als realistisch angesehen wurde. Das machbare sollte allerdings nicht das endgültige Ziel sein.

Kurzfristige Ziele der AA/BO waren:

Der Ausbau der gemeinsamen politischen Praxis im klassischen Antifabereich und der Aufbau personeller, wie technischer Strukturen.

Die Entwicklung einheitlicher programatischer Standpunkte, wie Faschismus- und Imperialismustheorie, Patriarchatsanalyse, wie Gesellschaftsanalyse überhaupt sollten zwar unmittelbar angegangen werden, zählten jedoch zu den mittelfristigen Zielen der Organisation und wurden darüberhinaus als Prozess begriffen.

Langfristige Ziele waren:

Die Entwicklung einer konkreten Utopie sowie die Entwicklung einer Strategie zur Überwindung des kapitalistischen Systems.

Die Vertagung der Klärung wichtiger Fragen, die über den Antifakampf hinausgingen, war eine notwendige Voraussetzung dafür, das sich die AA/BO Ende Juli `92 als Organisation gründen konnte.

Der Start der AA/BO verlief unerfreulich. Offensichtlich standen doch nicht alle Gruppen hinter dem gerade gemeinsam beschlossenen Konzept. Die Auseinandersetzungen spitzten sich an der Frage der Organisationsmitgliedschaft zu, einige Gruppen verliessen in Folge dieser Diskussionen die BO im Februar `93. Wirklich kein gelungener Start.

Trotzdem war die Stimmung der 11 verbliebenen BO-Gruppen äusserst motiviert und optimistisch. Jetzt konnte es endlich losgehen. Im Frühjahr `93 wurde dann die erste BO-Aktionsreihe »Gegen faschistische Zentren und Treffpunkte vorgehen« beschlossen. In dieser Kampagne wurden alle Elemente der neuen, organisierten Antifapolitik sichtbar. Die Aktionen, Demonstrationen und Veranstaltungen liefen in den jeweiligen BO-Städten zeitnah innerhalb weniger Wochen. Mit dem gemeinsamen Motto, einem gemeinsamen bundesweiten Plakat und der Verwendung des gleichen Organisationsnamens wurde der Zusammenhang der Kampagne hergestellt. BO-organisierte Mobilisierungsveranstaltungen warben für die jeweiligen Aktionen, koordinierte Pressearbeit sorgte dafür, das die Kampagne über die Medien öffentlich wahrgenommen wurde. Nach den Querelen der Anfangsphase war doch noch ein erfolgreicher Start gelungen.

Im Laufe der Jahre gab es ähnlich angelegte BO-Kampagnen. Themen waren u.a. der 9. November (Novemberrevolution/Reichsprogromnacht/Antisemitismus), Patriarchat (internationaler Frauentag), politische Gefangene, Geschichtsarbeit, 8. Mai (50. Jahrestag der Befreiung von deutschen Nationalsozialismus), Parlamentarismus (Wählt den antifaschistischen Kampf), »Innere Sicherheit« und Internationalismus.

Die Versuche der AA/BO mit Themen außerhalb der klassischen Anti-Nazipolitik an die Öffentlichkeit zu gehen waren jedoch größtenteils von wenig Erfolg gekrönt. Oft fehlten die praktischen Anknüpfungspunkte und in der Regel auch ein verbindendes Element das für eine bundesweite Wahrnehmbarkeit hätte sorgen können. Auch die Innenwirkung dieser Kampagnen war für die AA/BO bescheiden. Analytisch und Inhaltlich haben die Aktivitäten kaum weitergebracht, da die dazu notwendigen Diskussionen nur sehr oberflächlich und nicht kontinuierlich geführt wurden. Die AA/BO konnte mit über Antifa hinausgehenden Themen kein inhaltliches Profil gewinnen, was sie zu Recht für nicht primär antifaschistisch orientierte Linke nicht sonderlich attraktiv machte.

Zweimal wurde über die Einrichtung einer Programmkommission versucht, stärkeres inhaltliches Profil zu erlangen. Beide Versuche scheiterten. Auch die BO war nicht vor dem typisch linken Phänomen »10 Linke - 12 Meinungen« gefeit.

Es gab noch ein anderes, grundsätzliches Problem, der unterschiedliche Stand und auch die unterschiedliche Grösse der Gruppen. Dazu kam, daß der Aufgabenbereich stetig wuchs. Gab es in den 80er Jahren noch etliche Gruppen, die die unterschiedlichsten Themenbereiche abdeckten, so war in den 90ern sehr viel zusammengebrochen. Vieles, wo man sich früher anschliessen konnte, musste man nun selbst machen. Oftmals scheiterte die BO auch an einer nicht realistischen Einschätzung der Kapazitäten. Die Folge war, das einzelne Aktionen von nur wenigen, grösseren BO-Gruppen angegangen wurden. Die anderen blieben aussen vor, was negative Folgen für die Mobilisierungsfähigkeit hatte. Wenige Aktive führten zu Zeitdruck, worunter inhaltliche Diskussionen litten. Der Zwang, sich zu Erlangung der Aktionsfähigkeit zu einigen, führte zu vielen inhaltlichen Kompromissen. Minimalkonsense hatten zur Folge, das das, was die BO in ihren Publikationen zu sagen hatte, oftmals nichts wirklich neues oder vorwärtsweisendes beinhaltete. Unzufriedenheit hatte Organisationsaustritte zur Konsequenz. Neue Gruppen kamen kaum dazu.

Um dieser Stagnation zu begegnen wurde das Konzept »Offensive `99« entwickelt. Ausgehend von der AA/BO-Tagung »Bis hierher und weiter« in Berlin sollte eine ganzjährige, bundesweite Kampagne gegen Nazistrukturen initiert werden. Die BO richtete auf ihren Bundestreffen die AG »Offene Struktur« ein. Zu dieser AG wurden alle Gruppen eingeladen, die die »Offensive 99« mittragen wollten.

Auf den ersten Blick war diese Initiative ein Erfolg. Eine unüberschaubare Zahl von Gruppen mobilisierte unter dem Offensive-Logo gegen die Nazistrukturen in ihrer Region. Das Bedürfnis, sich, wenn auch punktuell, in einen gemeinsamen Zusammenhang zu stellen, war sogar grösser als erwartet. Das war`s dann aber auch leider schon. Zudem war die AA/BO nicht mehr stark genug um die durchaus entstandenen neuen Kontakte produktiv zu nutzen und gemeinsame Folgeaktivitäten zu starten. Nach der Auswertung der Offensive setzte dann die Diskussion über die Zukunft der BO ein. Im Laufe dieses Diskussionsprozesses kristallisierte sich dann die Einsicht heraus, das die AA/BO an ihre Grenzen gestoßen ist.

Die AA/BO hat durchaus einiges erreicht. Die Erkenntnis, das (differenziert konzipierte) Bündnisarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und gemeinsames Vorgehen unverzichtbare Bestandteile linksradikaler Politik sein müssen, hat sich durchgesetzt. Die Organisationsfrage an sich ist lange nicht mehr so umstritten, wie noch zu Beginn der 90er Jahre. Was also die formulierten kurzfristigen Ziele betrifft, hat die AA/BO ihre historische Aufgabe erfüllt. Weiter ist sie nicht gekommen und weiter wäre sie mit ihrem Konzept auch nicht gekommen. Deshalb hat sich die AA/BO auf ihrem letzten Bundestreffen Anfang April in Nürnberg aufgelöst. Mit diesem Schritt ist allerdings die Frage der nicht-parteiförmigen, linksradikalen Organisierung nicht abgeschlossen. Abgeschlossen ist lediglich eine erste Phase. In dieser Situation war es richtig das Alte zu beenden um Räume für das neue aufzumachen. Hauptaufgabe ist nun die Diskussion über den Eintritt in die Phase II zu organisieren. Ziel ist die Schaffung einer neuen linksradikalen Organisation.

Doch unter welchen Vorzeichen? Um eines ganz klar vorweg zu sagen: Die AA/BO ist mit ihrem Ansatz nicht an der staats-antifaschistischen Initiative der rot-grünen Bundesregierung gescheitert. Genausowenig wurde die Diskussion über die Zukunft der Antifa durch eben diesen Staatsantifaschismus ausgelöst. Die Einsicht, dass die AA/BO mit ihrer Politik an ihre Grenzen gestossen ist, hatte sich bereits Monate vor Schröders Aufruf zum »Aufstand der Anständigen« durchgesetzt.

Es kann bei den Überlegungen für eine neue Organisation also nicht darum gehen, sich neue Politikfelder zu suchen, weil eine Vermittlung antikapitalistischer Inhalte über den Ansatz Antifaschismus durch die neue Staatslinie schwieriger geworden ist. Genauso wenig kann eine neue linksradikale Orientierung über die pure Addition mehrerer Teilbereiche erreicht werden. Eine neue Organisation muss sich aus einer gesamtgesellschaftlichen Orientierung herausbilden, d.h. sie muss alle existierenden Widersprüche zum Bestandteil ihrer Politik machen. Diesen Anspruch hatte, wie gesagt, auch der revolutionäre Antifaschismus, dem sich die AA/BO verschrieben hatte. Eine Organisierung unter antifaschistischen Vorzeichen läuft aber immer Gefahr die existierenden Widersprüche aus dem Faschismus heraus zu erklären, indem man den Faschismus als Ausgangspunkt der Analysen nimmt. »Hinter dem Faschismus steht das Kapital«. Diese Parole verdeutlicht diesen Ansatz. Der Ansatz, der die Komplexität der warenproduzierenden Gesellschaft und alle ihre immanenten Widersprüche zum Ausgangspunkt nimmt, würde sagen: Faschismus ist eine der möglichen Optionen des Kapitalismus zur Krisenbewältigung und zur Abwehr antikapitalistischer Kräfte. Eine Situation wie die heutige, das das Kapital auch mal hinter dem Antifaschismus stehen kann, hätte dann kaum für so viel Verwirrung gesorgt, wie das bei einigen Antifagruppen der Fall war und ist.

Es war richtig den Antifa-Ansatz der frühen 90er aufzugreifen und ihm mit der Gründung der AA/BO einen organisierten Rahmen zu geben. Nur so konnten die notwendigen Mobilisierungen dieser Zeit zustande gebracht werden. Nur so konnten viele, die aus Empörung gegen die Nazis »einfach was tun wollten« eingebunden werden. Heute geht es darum zu verdeutlichen, das der Faschismus nicht das einzige Übel dieser Welt ist. So notwendig es auch ist in Teilbereichen spezialisiert zu arbeiten - und Antifa ist ja nur ein Teilbereich - um perspektivisch inhaltlich/analytisch weiterzukommen muss jetzt der Blick auf und für das Ganze geschärft werden.

Dem Vorwurf, das die Linke oft, sehr oft Durchsetzungsgeschichte geschrieben hat, darf sich auch und gerade die Antifa nicht verschließen. Die Gefahr, das sich dies wiederholt besteht immer. Die Flexibilität und Integrationskraft des Kapitalismus dürfte noch nicht erschöpft sein. Doch der beste Schutz dagegen ist die Radikalität. Nicht nur in der Form, der Militanz, sondern vor allem im Inhalt.

Es wäre falsch, wenn ein linksradikaler Ansatz, aus Sorge, es könnten, wie auch immer definierte Massen, abgeschreckt werden, seine eigentlichen Ziele verschweigt. Ziel ist die Überwindung des Kapitalismus und die Errichtung einer herrschaftsfreien, ausbeutungsfreien und klassenlosen Gesellschaft, mit einem Wort - Kommunismus. Das Mittel ist die soziale Revolution. Es ist klar, dass eine revolutionäre Situation in weiter Ferne ist und dass linksradikale Positionen gesamtgesellschaftlich fast keine Rolle spielen. Revolutionäre Situationen erwachsen aus vorrevolutionären Situationen, vorrevolutionäre Situationen entstehen durch die Zuspitzung von Widersprüchen. Widersprüche müssen erkannt, analysiert und benannt werden. Gleichzeitig muss jeder reformistischen Illusion klar entgegengetreten werden. Die Aufgabe wird also sein, den Antagonismus zwischen dem kapitalistischen System und der Bewegung seiner Überwindung in seiner ganzen Totalität herauszuarbeiten. Dies ganz grundsätzlich aber gerade auch immer wieder an konkreten Punkten. Um die Widersprüche allgemein und an konkreten Punkten zu vermitteln, muss in die Gesellschaft hineingewirkt werden. Das geht nicht ohne politische Praxis. Papiere und schlaue Analysen sind wichtig, sie alleine haben zu keinem Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte auch nur einen Millimeter verändert. An Kritik um der Kritik willen darf eine linksradikale Organisation kein Interesse haben. »Die Revolution aber ist der höchste Akt der Politik, und wer sie will, muss auch das Mittel wollen« (F. Engels, MEW 17/416)

Wie aber kann eine neuer Organisierungsansatz zu Analysen und Inhalten kommen? Auch wenn die AA/BO gescheitert ist, einer ihrer Ansatzpunkte bleibt richtig. Der Prozess braucht einen verbindlichen Rahmen und er braucht konkrete Initiativen. Es hat keinen Sinn, wenn Gruppen alleine vor sich hinmachen und es hat auch keinen Sinn, wenn sich für die nächsten Jahre in Theorie- und Debattierzirkel zurückgezogen wird.

Aber anders wie bei der BO-Politik der letzten Jahre muss die Herangehensweise an konkrete Initiativen eine primär inhaltliche sein. Das heisst konkret, egal welcher Themen sich der Organisationsaufbauansatz auch annimmt, er darf bei seiner Analyse nicht bei der Beschreibung der augenfälligsten und brutalsten Erscheinungsformen des Kapitalismus stehenbleiben, sondern er muss die jeweilige Erscheinungsform auf ihren systemimmanenten Kern hin untersuchen. Der Erfolg eines neuen Organisierungsprozesses steht und fällt mit der Bereitschaft hinter die Dinge zu schauen und aus den Erkenntnissen Konsequenzen und Strategien abzuleiten, die über eine konkrete Aktion hinausgehen.

Und anders, als bei der AA/BO darf eine neue Organisation erst dann gegründet werden, wenn aus der Aufbauarbeit inhaltliche-analytische, programatische und strategische Eckpunkte herausgearbeitet worden sind.

Phase 2 Bonn