Den Pelz gehörig gegen den Strich bürsten

Auf die Frage hin, ob und was die Linke mit feministischer Gesellschaftskritik zu tun hat, würden wir sagen: Eine ernst zunehmende radikale Linke unzweifelhaft sehr viel. Im folgenden soll im 1.Teil ein Einblick in die wohl in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerten Gesellschaftskritik - dem Wert-Abspaltungs-Ansatz von Roswitha Scholz aus der KRISIS-Gruppe - gegeben werden: Indem er zwei gesellschaftskritische Perspektiven synthetisiert, ohne deren grundverschiedene erkenntnistheoretische Prämissen einzuebnen, ohne eindimensional zu systematisieren, ist er fähig, einen bisher nicht erreichbaren mehrdimensionalen Blick auf die Tiefenstruktur der modernen/postmodernen Gesellschaft und deren strukturelles Formprinzip zu eröffnen. In der folgenden Interpretation des Ansatzes wird insbesondere auf ihm innewohnende zentrale Kritikpunkte einer radikal-feministischen Perspektive von Gesellschaftskritik eingegangen. In einem 2. Teil werden exemplarisch am Thema “Sozialisation” die wesentlichen Kritikpunkte aus feministischer Sicht konkretisiert. Der Artikel basiert in Grundzügen auf einem mehrteiligen Vortrag zu radikalfeministischer Gesellschaftskritik, der in Leipzig gehalten wurde.
 

Einleitung: Insistierung und Abgrenzung

Die Geschichte der Linken ist bisher bezüglich ihres Umganges mit feministischer Kritik nicht gerade ein leuchtendes Beispiel. Denn auch mit Aufkommen der Neuen Frauenbewegung(1) tat sie sich schwer, auf feministische Kritik einzugehen, bestenfalls war es ein “wichtiges Thema”, das getrennt von der ‚allgemeinen‘ Diskussion diskutiert wurde. Oftmals ignorierte man sie dagegen fast vollkommen. Festzustellen ist, dass dies über alle sonst so grundverschiedenen Ansätze in der Linken hinweg eine auch heute noch aktuelle eigenartige Gemeinsamkeit bildet: Die Ausgrenzung feministischer Gesellschaftskritik aus dem Denken(2) . Dies betrifft sowohl die “kampagnenorientierte” ”antifaschistische Bewegung” (laut dem Selbstverständnis der Phase 2 Göttingen zur Einführung der gender jungle-Rubrik in Phase 2, Sommer 2001) als auch die sich davon abgrenzenden, sich als ‚gesellschaftskritisch‘ verstehenden Gruppen.(3) Dabei ist der Umgang der Linken natürlich gesellschaftlich geerdet: Er folgt nicht nur oberflächlich, sondern strukturell ganz und gar dem Umgang der bürgerlichen Gesellschaft.(4)

Mit der Ausgrenzung feministischer Kritik aus dem politischen Bereich ist schließlich auch eine reale Separierungstendenz von Frauen verbunden, die ihnen oftmals und fälschlicherweise angelastet wurde und wird (!), indem man Ursache und Wirkung verkehrt. Vielmehr ist die Separierung Ausdruck und Folge des Unvermögens der Linken, feministische Kritik zu integrieren, ohne deren Prämissen dem Erdboden gleich zu machen. So wurde diese Kritik eben in anderem Rahmen - in Frauengruppen in oder außerhalb der Linken thematisiert(5) . Denn unerkannt blieb von der Linken, dass das (meist) von Frauen Kritisierte sie so konkret persönlich betrifft, dass es ihren Wirkungsbereich auch aktuell einschränkt. Zu kurz greift der Umgang, Sexismus zu thematisieren, indem ein willentliches, bewußtes individuelles Handeln (über)betont wird und so unvermittelt bleibt. Es fehlt dabei eine Einordnung in die Gesellschaftsstruktur, die eben patriarchal geprägtes Verhalten überhaupt hervorbringt. Die grundlegende dialektische Beziehung von Individuum und Gesellschaft, gesellschaftlich historisch geprägte Normen und deren Verinnerlichung in die Psyche werden also außer acht gelassen. Das bisherige Vorgehen vieler linker Gruppen ist um so mehr zum Scheitern verurteilt und geht am Kern des Problems zudem vorbei, wenn der Initiative das pragmatische, ja funktionalistische Ziel zugrunde liegt, als Struktur besser funktionieren, mehr leisten zu können. Das wäre im Gegenteil aus einer radikalfeministischen Perspektive ein Angriffspunkt. Denn radikale feministische Gesellschaftskritik zielt grundsätzlich darauf ab, das alltägliche Leiden der von den patriarchal geprägten gesellschaftlichen Verhältnissen Betroffenen(6) zu vermindern und als Basis einer Auseinandersetzung anzustreben. Wie stark dieses Leiden, das gesellschaftlich verursacht und das tägliche Leben einschränkt, wirkt, wird im 2. Teil unseres Artikels exemplarisch an der Problematik der “gesellschaftlichen Sozialisation” konkretisiert. Es kann nicht stark genug betont werden, dass dieses Ziel der Leidensverminderung eine der motivationsstärksten Quellen des Feminismus, ja überhaupt jeder Gesellschaftskritik ist. Andererseits gilt es grundsätzlich, das gesellschaftliche Formprinzip, das dass hierarchische Geschlechterverhältnis in die Grundstruktur der modernen Gesellschaft einläßt, zu kritisieren. Diese Grundstruktur läßt sich jedoch nur über die Priorität der Leidensverminderung von (hauptsächlich) Frauen in dieser Gesellschaftsform überhaupt erfassen: Da der Blick auf Gesellschaft immer von der Position des Betrachters geprägt ist und kulturell-historisch Frauen aus der allgemeinen, nämlich öffentlichen Gesellschaft ausgegrenzt waren, ist in die ‚allgemeine‘ Perspektive der männliche Standpunkt eingeschrieben. Korrigiert werden kann dieser androzentrische Blick auf Gesellschaft aber nur, wenn Frauen ermöglicht wird, ihre Erfahrungen, die notwendig der Logik des männlichen Prinzips widersprechen müssen, einzubringen, d.h. weder unter männlichem Vorzeichen oder unter Anpassungsdruck, noch als bloße Duldung. Es muß sich also gegen eine solche trivialistische, weil androzentrisch ausgerichtete Vereinnahmung des Feminismus gesperrt werden, die feministische Kritik als bloßen weiteren Bereich in die Politik anhängen will.

Stattdessen ist eine schlichtweg andere Perspektive auf Gesellschaft und damit vermittelt eine andere Form der Auseinandersetzung gefragt, die das hierarchische Geschlechterverhältnis als existent und mehrdimensional wirkend (im Sinne der Wert-Abspaltung) anerkennt. Dies wird zur notwendigen Prämisse der Möglichkeit für eine kritische, umfassendere und nicht teilbereichsbeschränkten Auseinandersetzung über die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse.

 

1. Die Wert-Abspaltung: Die Quellen des Ansatzes

Der Ansatz speist sich aus 2 gesellschaftskritischen Quellen: einer radikalfeministischen Perspektive und einer Perspektive der neuen Marxrezeption. Mit ersterem Begriff belege ich diejenigen Ansätze, die als patriarchales Grundproblem nicht die untergeordnete Stellung der Frau in der Gesellschaft bezeichnen, sondern grundlegend das System der Geschlechterordnung in Frage stellen. Das polar gedachte Geschlechterverhältnis selbst ist das Problem, nicht die ‚Ungleichheit‘ von Frauen. Ein anderes Denken würde die Problematik auf ein Verteilungsproblem von ökonomischen, kulturell-symbolischen und sozialen Ressourcen verkürzen und so das Maß, an dem diese Ungleichheit gemessen wird, nicht in Frage stellen: Das Maß läge außerhalb der Betrachtung und würde stillschweigend als neutrale Kategorie vorausgesetzt. Diese ausgegrenzte Kategorie bezeichnet jedoch die männliche Norm, die kulturell historisch nachweisbar ist(7) . Radikalfeministische Betrachtung setzt also genau da an, wo ‚allgemeine‘ gesellschaftliche Betrachtungen aufhören: Sie fragt nach deren stillschweigenden Voraussetzungen, die wirken, ohne bewußt reflektiert zu sein. Dazu gehört die Basiskritik des Androzentrismus, die Kritik des universalisierenden Blickes von Männern auf Gesellschaft, der mit der Moderne zur allgemeinen Grundlage der Gesellschaft aufgestiegen ist und damit strukturell wirkt: Der Mann spricht im Namen der Menschheit, ohne diese repräsentieren zu können und ohne seine strukturell herausgehobene Stellung in der Gesellschaft als solche zu reflektieren. Im Gegenteil: Seine Position wird als allgemein (für alle) geltend in der Gesellschaft vorausgesetzt. Diese männliche Selbstbezüglichkeit bei gleichzeitiger abstrakter Abspaltung von zugeschriebener ‚Weiblichkeit‘ findet auf allen gesellschaftlichen Ebenen statt: sowohl auf der materiellen, auf sozialpsychologischer und auch auf kulturell-symbolischer Ebene. Radikale feministische Kritik überprüft diese stillschweigenden Voraussetzungen also auf ihre gesellschaftliche Konstitution und Geschichte hin: Alles scheinbar menschlich ‚Natürliche‘ und in dem Sinne überhistorisch gesetzte. So ist es nur logische Konsequenz, dass das neutral vorausgesetzte menschliche Instrumentarium zur Erfassung von “Realität” – das heutige Denksystem kritisch unter die Lupe genommen wird.(8) Das Denken wird mit seinem Kategoriensystem, seinen Begriffsbildungen etc. auf seine Gewordenheit und seine Geschichte hin untersucht und in seiner Einlagerung in die Dynamik des Geschlechterverhältnisses erfaßt. In Anknüpfung an die Kritische Theorie (v.a. Adornos Kritik der Identitätslogik) wird davon ausgegangen, dass die patriarchale Gesellschaftsstruktur sich insofern in das Denken und in Begriffe eingeschrieben hat, als deren zugrundeliegende Logik eine kulturell-historisch männlich geprägte ist (9) , nicht- verwertbares als ‚Weibliches‘ identifiziert und als nicht-logisch und formlos ausgrenzt wird. Insofern erscheint ‚Weiblichkeit‘ in den Begriffen nur durch Nicht-Existenz (als blinder Fleck) oder als inferior gesetztes Unwesentliches.

Die zweite Perspektive – die der neuen Marxrezeption - grenzt sich vom traditionellen Marxismus oder Arbeiterbewegungsmarxismus ab, dessen zentraler Kritikpunkt die Aneignung des Mehrwerts durch das Kapital ist – d.h. unterschiedlliche Verteilung von Ressourcen in der Gesellschaft. Stattdessen insistiert die neue Marxrezeption auf die kapitalistische Produktion. Kritisch–historisch werden die Begriffe in ihr kontextualisiert. Die Wertproduktion wird dabei als spezifisch für die kapitalistische Gesellschaft herausgearbeitet – im Gegensatz zum traditionellen Marxismus, der sie überhistorisch als menschlich, natürlich voraussetzt. Die erst wenige hunderte Jahre alte Form der kapitalistischen Vergesellschaftung ist nicht auf den ökonomischen Bereich beschränkt, sondern wirkt auf allen gesellschaftlichen Ebenen: Sie formt u.a. ein nach dem Verwertungsprinzip und der Identitätslogik strukturiertes Denken(10) und eine spezifische Form der sozialen Beziehungen (“Fetischismus”), die es vorher in dieser Form nicht gab. Das hat zur Konsequenz, dass der Kapitalismus als Gesellschaftsform separat betrachtet werden muß, um Rückspiegelungen in andere nicht warenförmige Gesellschaftsformen zu vermeiden.

Beiden Quellen gemein ist ein historisches, aber in erläutertem Sinne geschichtskritisches Vorgehen und die durch Erkenntnis- und Subjektkritik ermöglichte Kritik der Basiskategorien.

 

Die Entfaltung des Wert-Abspaltungsansatzes

Seinem Selbstverständnis nach ist dieser Ansatz eine nicht abgeschlossene Theorie, eine Synthese zweier gesellschaftkritischer Perspektiven, ohne dass deren grundverschiedene erkenntnistheoretischen Prämissen eingeebnet werden und ohne eindimensional zu systematisieren. Der Ansatz ist der Versuch, den Blick auf die Tiefenstruktur der Gesellschaft, auf das gesellschaftliche Formprinzip der modernen/postmodernen Gesellschaft zu eröffnen, indem die heutige Gesellschaft als Momentaufnahme in einem dynamischen Prozeß betrachtet wird – sie befindet sich im Fluß. Gleichzeitig wird die kapitalistische Gesellschaft separat betrachtet, da erst mit ihrem Aufkommen das Geschlechterverhältnis und die Geschlechterrollen - wie wir sie heute kennen - entstehen. Die Wert-Abspaltung nimmt ihren frühen Ausgangspunkt in der Antike. Aber erst mit der Durchsetzung der Industrialisierung im 18.Jahrhundert und der vollständigen Entfesselung der Warenform, steigt die Wert-Abspaltung zum gesellschaftlich strukturierenden Formprinzip auf, erfaßt die Gesellschaft vollständig und strukturiert sie auf allen Ebenen durch. Die Wert-Abspaltung hat seitdem sowohl auf der gesellschaftlichen Wesens- als auch auf der Erscheinungsebene strukturierende Wirkung.

Roswitha Scholz beginnt diese Synthese strukturell mit einem radikal-feministischen Grundsatz: Der Kritik an der unhinterfragten, stillschweigenden Voraussetzung des Geschlechterverhältnisses und der damit verbundenen androzentrischen Prägung der Perspektive, der Kategorien und Begriffe in der neuen Marxrezeption, wie z.B. “Wert” und “abstrakte Arbeit” als auch des marxistischen Gesellschaftsbegriffes. Die kapitalistische Gesellschaft ist nach Marx geprägt von einer spezifischen Produktionsform: Es entstehen mit der Industrialisierung anonyme Märkte, die von voneinander isolierten Privatproduzenten beliefert werden. Statt der Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen steht nun die ständige Wertproduktion im Mittelpunkt. Die Verwertungslogik, d.h. immer höhere Produktion in immer kürzerer Zeit, bestimmt nach Marx die Gesellschaft total. Als ‚Gesellschaft‘ faßt er jedoch lediglich einen bestimmten Teilbereich, nämlich exakt den, der kulturell-historisch dem Mann zugeordnet war/und dies strukturell unzweifelhaft immer noch ist: Die öffentliche Sphäre. Sie ist die dominante, stark ausdifferenzierte gesellschaftliche Sphäre (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Kultur etc.). Jedoch muß man feststellen, dass ein Bereich von diesem gesellschaftlichen Rahmen abgespalten ist und der einer völlig anderen Logik, nämlich Zeit zu verausgaben, folgt: Die Reproduktionssphäre. Sie war und ist kulturell-historisch der Frau zugeordnet und umfaßt den Bereich des gesamten Privatlebens, in dem Freizeit verbracht, Familienleben gepflegt wird etc. Daraus folgt: 1. Die Allgemeingültigkeit der bisherigen marxistischen Theorie als Gesellschaftstheorie ist androzentrisch verzerrt und wird durch die Existenz der Reproduktionsphäre widerlegt: Als gesellschaftlicher Bezugsrahmen wird die (männlich strukturierte) Produktionssphäre (=öffentliche Sphäre) statt die gesamte Gesellschaft vorausgesetzt. 2. Die Reproduktionssphäre kann nicht aus der Verwertungslogik erklärt oder abgeleitet werden. Einerseits sind die beiden Sphären voneinander unabhängig, andererseits bedingen sie sich gegenseitig und sind dialektisch miteinander vermittelt. Die Reproduktionssphäre bildet sozusagen den notwendigen Schatten des Werts, ist aber nicht der Wert.

Mit diesem Bild wird auch eine Gewichtung, eine Hierarchie deutlich: Die öffentliche Sphäre ist mit ihrer ausdifferenzierten Bereichsstruktur der dominante, sichtbare Teil, während die Reproduktionssphäre formlos, unsichtbar, unbedeutend bleibt. An die Sphären sind mit ihrem Entstehen eindeutige, d.h. sich ausschließende Geschlechtscharaktere geknüpft: Eigenschaften, Tätigkeiten, Gefühle, Haltungen etc. die idealitär den Geschlechtern angehangen und zu ihrer Natur erklärt wurden.(11) Die geschlechtsspezifischen Zuschreibungen charakterisieren wesentlich die symbolische Ordnung des warenproduzierenden Patriarchats. Die Wert-Abspaltung meint aber nicht eine bloße starre Struktur der hierarchischen Sphärentrennung, sondern ist selbst mehrdimensional als dynamisches Formprinzip zu denken. Sie ist nicht auf die ökonomische Ebene beschränkt. Vielmehr umschließt sie als übergeordnete Metastruktur alle Ebenen und Bereiche, also wirkt sie ebenso auf sozialpsychologischer, als auch auf kulturell-symbolischer Ebene. Die Ausdifferenzierung des Lebensraumes in einen Bereich, in dem man arbeitet und einen anderen, in dem man sich erholt, reproduziert ist samt der polaren Geschlechterordnung erst mit Durchsetzung der kapitalistischen Produktion entstanden, sie ist also kein überhistorisches Phänomen, sondern ein Phänomen der Moderne.

 

Konsequenzen

Es muß einer Linken also darum gehen, nicht bei einzelnen patriarchalen Alltagserscheinungen festzuhängen, sondern das diesen Erscheinungen zugrundeliegende Formprinzip der Wert-Abspaltung als Grundlage der aktuellen Gesellschaftsform abzuschaffen. Es hat nichts mit emanzipatorischen Ansätzen zu tun, Frauen anzuhalten, sich einzubringen, sich also sozial wie Männer zu verhalten. Das wäre lediglich die Verlagerung des Geschlechterverhältnisses nach einer Seite hin, ohne die polarisierende Hierarchie des Geschlechterverhältnisses anzutasten. Darüber hinaus entspräche es geradezu der aktuellen systemimmanenten(12) realen Tendenz in der postmodernen warenproduzierenden, patriarchalen Gesellschaft: Das männliche Prinzip weitet sich auf Frauen teilweise aus, ohne seine moderne Konstitution, die dialektisch an ein inferior gesetztes Gegenbild geknüpft ist - selbst aufgehoben zu haben. Die Sphärentrennung und deren geschlechtsspezifische polare Struktur bliebt erhalten: Trotz tendenzieller Auflösung von Ehe und patriarchaler Kleinfamilie, zunehmender Erwerbstätigkeit von Frauen etc. liegt trotzdem die Kindererziehung fest in weiblicher Hand. Der Zeitbezug von Frauen kann sich demnach von der Reproduktionssphäre nicht vollständig lösen. Die Sphärentrennung bleibt somit strukturell geschlechtsspezifisch als Grundprinzip erhalten und stellt die systemimmanente Grenze der Veränderung der heutigen Gesellschaft dar. Das Patriarchat verwildert lediglich, da die Wert-Abspaltungsform unaufgehoben bleibt, ohne eingeschriebene Hierarchisierungen grundsätzlich vorher destruiert zu haben.

Es muß also um die reale Überwindung von sozialer Männlichkeit und Weiblichkeit gehen, wie sie in der Moderne polar entstanden und in der Postmoderne unaufgehoben fortwirken. Die Spezifik der Postmoderne ist also nicht, dass sich das hierarchische Geschlechterverhältnis in geschlechtsneutrale Gleichheit auflöst – wie gemeinhin auch in linken Kreisen angenommen wird. Vielmehr wird, in dem es sich an aktuelle Gegebenheiten systemimmanent anpaßt, strukturelle Widersprüche des Geschlechterverhältnis und sein wahnhafte Konstitution in der Moderne nun überhaupt erst einmal auffällig.

 

Es gilt also, den Pelz der linken Praxis und Gesellschaftskritik gehörig und fein säuberlich gegen seinen patriarchalen Strich zu bürsten. Das wird weh tun: Etwa ‚allgemeine‘ Grundpositionen auf Androzentrismus hin zu überprüfen. Es verlangt kritische historische Betrachtung auch gegenüber der eigenen Geschichte, eine Synthese von radikalfeministischer und neomarxistischer Erkenntnis- und Subjektkritik. Da der Inhalt einer solchen neuen Perspektive zudem nie ihrer Form unvermittelt gegenüber steht, ist mit ihr auch eine Veränderung der Auseinandersetzungs-, und Gruppenform notwendig verbunden. Einerseits heißt es die inhaltliche Nicht-Repräsentanz von Frauen und Androzentrismus in eigenen ‚allgemeinen‘ Positionen als auch formell in den Strukturen herauszuarbeiten und ihr gleichzeitig entgegenzuwirken. Das kann durch eine andere Gruppenstruktur erfolgen, die die realen gesellschaftlichen Verhältnisse “verkehrt” – dadurch werden ‚Selbstverständlichkeiten‘ in ihrer androzentrischen Prägung nicht nur formell sichtbar, es wird auch ein anderes inhaltliches Bild in der Diskussion entstehen: Indem eine Gruppe mehrheitlich aus Frauen besteht und vom Ansatz der Wert-Abspaltung ausgeht. Darüber hinaus kann auf die Methode der Erinnerungsarbeit von Frigga Haug hingewiesen werden. Diese wirkt realen Vereinzelungs-Mechanismen, die auf Frauen in der öffentlichen Sphäre wirken (also auch in der Politik) entgegen und versucht, mögliche gesellschaftliche Grundstrukturen des Geschlechterverhältnisses aus individuell erscheinenden Phänomen zu kondensieren. Nichtzuletzt muß man sich wohl oder übel auch mit einer Grundkritik an ‚Politik‘ aus diesem Blickwinkel beschäftigen, ist es einerseits ein durchweg männlich strukturierter Bereich und andererseits als staatsvoraussetzende Struktur prinzipiell systemimmanent.(13)

 

2. Radikalfeministische Kritik am Beispiel der menschlichen Sozialisation in unserer Gesellschaft

Im folgenden möchte ich von einem solchen Standpunkt anhand von Studien die menschliche Sozialisation vom Säuglingsalter bis zur Schule skizzieren. Die Untersuchungen sind nicht ohne die nötige System- und Leistungskritik zu betrachten. Es kann letzten Endes kein linksradikales Ziel sein, Frauen den Männern gleichzustellen und sie zu gleichberechtigten Warenproduzenten zu machen. Dies wäre keine Befreiung, sondern eine Angleichung an die männliche Norm. Einzige Befreiung aus dem Zwang des Dualismus ist die radikale Beseitigung des ganzen Systems als warenproduzierendes Patriarchats. Gesucht ist ein neuer Mensch. Trotzdem gehört eine Beschäftigung im Bereich der Gleichberechtigung zu jeder linken Position. Dies ist notwendig, um Frauen das Leben hier lebenswerter , ja überhaupt lebbar zu machen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich mit Sozialisation auseinanderzusetzen.(14) Dies ist wichtig, um zu begreifen, wie total die Gesellschaft auf Individuen wirkt, wie stark die hierarchische Bewertung der Geschlechter ist und was das für Frauen und Mädchen bedeutet, die ihr Leben lang gedemütigt und herabgesetzt werden und irgendwann ihre Minderwertigkeit, die ihnen aufgrund ihres kulturell zugewiesenen Geschlechts permanent vermittelt wird, für sich annehmen. Im Ergebnis mit dieser Auseinandersetzung fordere ich eine Sensibilisierung v.a. (aber nicht nur) von Männern für den Wahnsinn der da alltäglich (ganztägig!) im Kindergarten, in der Schule, zu Hause, auf Arbeit mit Mädchen bzw. Frauen passiert. Das heißt, auch sich zu fragen, welche Rolle spiele ich (der Mann) dabei? Wie wirke ich auf Frauen? Schränke ich Frauen ein? Vergewissere ich mich, dass das, was wir gerade tun, auch in ihrem Sinne ist? Was will sie? Und ich fordere durch eine theoretische Abgrenzung zu diesem Wahnsinn, die Hinwendung zu einer radikalen Kapitalismuskritik und die Entwicklung von Perspektiven, die die gesellschaftlichen Zwänge, Wertungen und Kategorisierungen, denen Menschen unterworfen sind, ablehnen. Die Ansätze, die ich im folgenden darstellen möchte, führen die Geschlechterdifferenz ausschließlich auf gesellschaftliche Verhältnisse zurück und sollen jeder biologistischen Argumentation den Boden entziehen.

Ein Mädchen oder Junge ist man nicht, dazu wird man. Die Versuchung, biologistisch zu argumentieren, ist jedoch sehr groß, da sich geschlechtsstereotype Verhaltensweisen schon in den ersten Lebensjahren des Kindes zeigen, also noch bevor es sprechen kann. In Wirklichkeit ist es nur ein Beweis dafür, wie früh eine geschlechtsspezifische Sozialisation einsetzt und welche klaren Vorstellungen man darüber hat, was ein Mädchen ist, und was ein Junge; diese Stereotype werden - zu einem großen Teil unbewußt - den Babys vermittelt; so konsequent, dass in den Untersuchungen unterschiedlichster Familien eine verblüffende Regelmäßigkeit in den Statistiken auftritt. Die Studien zeigen zum Beispiel das unterschiedliche Verhalten der Mütter gegenüber einem Jungen und einem Mädchen während des Stillens.(15) Es stellte sich heraus, dass Mädchen um die Hälfte kürzer gestillt werden als Jungen. Jungen, die stärker als willensstarke, autonome Wesen betrachtet werden, werden Pausen während des Stillens eher zugestanden, als Mädchen. Mädchen werden dazu angehalten, sich zu beeilen, was sie dann auch tun. Schon jetzt wird dem Mädchen vermittelt, nicht so viel Aufwand zu machen und Arbeit abzunehmen(!). Ihr Wille wird ohne Bedenken gebrochen. Im Laufe der Jahre wird das Mädchen zu einer praktischen Assistentin. Sie wird von Anfang an zur Sauberkeit angehalten und lernt z.B. schneller selbständig aufs Klo zugehen und eigenständig zu essen. Dem kleinen Jungen wird für solche Sachen mehr Zeit gelassen, er darf eben Schmutzfink sein. Es wird öfter mal ein Auge zugedrückt, wenn der Junge dreckig vom Spielen kommt, Hauptsache er konnte sich so richtig austoben. Im Ergebnis bringen sich die Mädchen im Alter von 16 Jahren nach Untersuchungen 4- Mal mehr in die Hausarbeit ein als Jungen.(16)

Wenn die Kinder etwas älter werden, verlagert sich ihr Interesse von den Bezugspersonen hin zu Neuem. Jungs werden in diesem Bereich wesentlich stärker gefördert und zu den Objekten ihres Interesses zugewandt.(17) Mädchen werden jetzt mehr herumgetragen und von möglichen Gefahren abgehalten. Es wird ihnen schwer gemacht, sich auszutesten und eigenständig Sachen auszuprobieren. Sie geraten so in eine größere Abhängigkeit von der Bezugsperson und in eine größere Kontrolle, als die Jungen. Von vornherein werden bestimmte Verhaltensweisen geschlechtsspezifisch bestärkt und andere behindert. Diese Rollenverteilung verinnerlichen die Kinder sehr schnell und bestimmen danach ihre Interessen. Mädchen konzentrieren sich scheinbar natürlich in ihrem Spiel auf das “drinnen”(soziale Themen, Spiel mit Puppen u.s.w.). Die Jungen spielen das “draußen” (Objekten und der Umwelt zugewandt). Der Junge spielt Lokomotivführer und fährt in die große, weite Welt, das Mädchen setzt sich allerhöchstens mit ihrer Puppe in den Zug. Sie läßt sich fahren und kümmert sich ums Kind.

Im Vorschulalter gestalten die Kinder ihr Spiel selbständig und spielen Beobachtetes nach. Sie eignen sich so spielerisch Normen, Werte und Regeln der Erwachsenen an, besonders beliebt: Mutter-Vater-Kind-Spiele. Die Zuständigkeitsbereiche sind genau verteilt, sie lernen real existierende Über- und Unterordnungsverhältnisse.

Besonders deutlich wird die ungleiche Behandlung in Sportspielen. Von Anfang an wird die Körperkraft der Jungen, zum Beispiel durch entsprechendes Spielzeug, stark gefördert. So sind die Jungs in allen körperlichen Entwicklungen den Mädchen weit voraus. Sie können zum Beispiel eher stehen und laufen als Mädchen. Diese unterschiedliche Behandlung zieht sich durch die Kindheit bis in die Schule. Spielen die Mädchen mal das gleiche Spiel, wie die Jungen, dann wird in Sportlehrbüchern dazu angehalten, bei Mädchen doch lieber einen Volleyball zu benutzen, anstatt einen Medizinball. Bei der Auswahl von Spielen für Mädchen wird mehr Gewicht auf Grazie und Körperbeherrschung gelegt, bei den Jungen auf die Ausbildung von Kraft. Bei einer so kontinuierlichen Förderung der Muskelkraft bei den Jungen ist es kein Wunder, dass sich relativ früh Unterschiede im Kraft- und Ausdauerbereich einstellen. Aufgrund der unterschiedlichen qualitativen Bewertung der Geschlechter verkörpern die Mädchen das Schwache - ein Zeichen ihrer Unterwürfigkeit und Unselbständigkeit- sind sie es nicht, gelten sie als unweiblich. Natürlich setzt sich eine Minderbewertung der Mädchen aufgrund ihres Geschlechts auch in der Schule fort. Den Mädchen wird z.B. in Fächern wie Mathe oder Physik ein fehlendes Vorstellungs- und Abstraktionsvermögen nachgesagt. Jungs werden in diesen Fächern gefördert und bestätigt, Mädchen links liegen gelassen. Gute Leistungen werden bei Jungs auf ihre Begabung zurückgeführt, bei Mädchen auf ihren Fleiß. Das macht die Mädchen natürlich wesentlich uninteressanter und das lassen die LehrerInnen, meist unbewußt, die Mädchen auch spüren. Durch die fehlende Zuwendung verlieren die Mädchen an Selbstbewußtsein, beteiligen sich weniger am Unterricht und bekommen dadurch noch weniger Zuwendung. Jungen bekommen den größten Teil der Lehraufmerksamkeit, sie werden beispielsweise doppelt so oft gelobt und getadelt. Die Mädchen machen den Unterricht durch ihre Disziplin erst möglich. Ein bewährtes Mittel ist es, ein Mädchen neben einen Jungen zu setzen, in der Hoffnung, dass die Jungen dadurch etwas ruhiger werden. Dass die Mädchen dabei von den Jungen vielleicht gestört werden könnten, interessiert dabei nicht. Die Norm (in androzentrisch vorausgesetzter Manier) sind die Jungs! Auch bei der Bewertung von Schularbeiten spielt das Geschlecht eine Rolle. “Beim Anblick liebevoll ausgeführter Projekte, bei denen viel Zeit und Aufmerksamkeit auf die Präsentation verwendet wurde, neigen Lehrpersonen dazu, geringschätzig zu reagieren, wenn sie glauben, die Arbeit einer Schülerin vor sich zu haben: “Ich finde, sie hätte mehr Zeit darauf verwenden sollen, Fakten auf den Tisch zu legen, als sich um eine hübsche Form zu bemühen (...) Aber, wenn ich dieselbe Arbeit einem Jungen zuschrieb war das Lob fast überwältigend und es wurde nicht bloß die äußere Form erwähnt, sondern jedesmal wurde auch der Inhalt - die Fakten -gewichtiger bewertet.”(18) Mädchen haben kaum die Chance, sich gegen diese Mißstände zur Wehr zu setzen. Dominantes Verhalten bei Mädchen wird wesentlich stärker sanktioniert, als bei Jungen (ist unweiblich). Sie gelten dann schneller als aggressiv und arrogant. Angesichts der hohen Prozentzahl der Abiturientinnen bleibt zu sagen: “Sie haben sich ihre Leistungen nicht mit Hilfe der Schule, sondern trotz Schule erarbeitet.”(19)

Mädchen und Frauen haben in ihrem Leben kaum eine Möglichkeit ihre Persönlichkeit so zu entwickeln wie Jungen und Männer. Es wird ihnen schwer bis unmöglich gemacht, ihren Willen zu äußern und durchzusetzen bzw. ihn überhaupt erst zu entfalten. Notwendig für die Entfaltung des Willens des Mannes müssen sie ihren eigenen oft zurückstellen und es fällt ihnen schwer ihre eignen Grenzen festzusetzen, die von anderen Personen nicht überschritten werden dürfen, weil sie es nie gelernt haben. Da der so hochgepriesene bürgerliche freie Willen männlich konstituiert ist, kommen ihre Bedürfnisse da nicht vor und sie müssen sich dem unterordnen. Selbst wenn Frauen ihren Willen artikulieren, wird dieser nicht ernst genommen, da nicht davon ausgegangen wird, dass sie einen haben. Der Wille der Frau ist in dieser Gesellschaft faktisch nicht vorgesehen. Frauen sind strukturell und oft sehr konkret Objekte des Willens des Mannes und sind Gefahren der Gewalt bis hin zur Vergewaltigung ausgesetzt. Aufgrund ihrer immer wieder propagierten Schwäche haben es die meisten Frauen meist nicht gelernt, sich gegen solche Angriffe zur Wehr zusetzen. Es muß darum gehen, mit Frauen und Mädchen Solidarität zu üben, sie ernst zu nehmen, ihnen Mut zu machen und sie vor allem stark zu machen, damit sie von dieser ganzen Scheiße nicht erdrückt werden.

 

 

Literaturempfehlung:

Roswitha Scholz: Der Wert ist der Mann. In Krisis 12/1992

dies.(2000): Das Geschlecht des Kapitalismus. Feministische Theorien und die postmoderne Metamorphose des Patriarchats.

Karin Hausen: Die Polarisierung der Geschlechtscharaktere. In: Heidi Rosenbaum(Hrsg.): Familie und Gesellschaftsstruktur.

Christina von Braun (1995): Nichtich. Logik Lüge Libido. Verlag Neue Kritik, F/M

Evelyn Fox-Keller (1998): Liebe, Macht und Erkenntnis. F/M

Robert Kurz: Geschlechtsfetischismus. In Krisis 12/1992

Frigga Haug (1998): Vorlesungen zur Einführung in die Erinnerungsarbeit.

Regina Becker-Schmidt/Gudrun Axeli-Knapp (2000): Feministische Theorien zur Einführung. Hamburg

Alfred Sohn-Rethel (1971): Warenform und Denkform. Aufsätze. F/M

Theodor W. Adorno (1966): Negative Dialektik.

 

 

Fußnoten:

(1) Dies gilt auch (in weitaus negativeren Maße) für historisch ältere linke Strömungen/Ereignisse, auf die sich die Neue Linke gern bezieht: zu erinnern ist dabei etwa an den Umgang mit Frauen wie Emma Goldmann in der anarchistischen Bewegung, an Olymp de Gouges, die in der französischen Revolution Frauenrechte forderte, da die Ideale der französischen Revolution ausschließlich für Männer galten oder Alexandra Kolontai im Anschluß an die Oktoberrevolution in Rußland

(2) Eine Spezifik der sich entfaltenden bürgerlichen Gesellschaft ist es, im Prozeß ihres Entstehens eine eineindeutige polare und in diesem Sinne totale Geschlechterordnung zu etablieren, indem für die neue Struktur ‚Unwesentliches‘ als ‚Weiblich‘ identifiziert und in einer neu enstehenden Sphäre des Privaten isoliert wird, während der Rest als allgemeine - nunmehr rein männliche - Gesellschaft ‚gereinigt‘ fortbesteht.

(3) Obwohl sich die Krisis-Gruppe von anderen linken Gruppen tatsächlich in positivem Sinne abhebt, ist sie von der Kritik leider nicht auszunehmen: Während sie den Ansatz integrieren, bleibt ihre ‚allgemeine‘ Perspektive eindeutig in androzentrischen Begriffen verhaftet. Sie sind radikalverbalistisch. Konsequent dagegen wäre - ausgehend von der Wert-Abspaltung als gesellschaftlicher Metastruktur (Kontext) - eine völlige Überarbeitung der Marxschen Begriffe, der Krisentheorie etc. anzugehen.

(4) siehe z.B. Wissenschaftsbetrieb, indem sich langsam eine Frauen- und Geschlechterforschung etabliert, diese aber weitgehend isoliert bleibt, während die ‚große‘, sich weiter allgemein und universalistisch gerierende Wissenschaft völlig unbekümmert davon die Welt weiterhin androzentristisch erklärt.

(5) Andererseits hat sich ein Großteil der feministischen Denkansätze auf die Kritik des Geschlechterverhältnisses festschreiben, ja ausgrenzen lassen, ohne sie mit anderen gesellschaftskritischen Perspektiven, die sich erst einmal neutral gerieren zu verbinden und eine grundlegende Gesellschaftskritik zu entwerfen.

(6) Hier kann und wird nicht existentialistisch & biologistisch vorausgesetzt, dass es sich hier per se um ‚Frauen‘ handelt: Prinzipiell kann es jede Person sein, weil jede dem Zwang der Kategorie ‚Zweigeschlechtlichkeit‘, ‚Zwangsheterosexualität‘ (à Transsexualität, Intersexualität) ausgesetzt ist und dem nie entspricht. Auch ‚Männer‘ können an der zugeschriebenen und unerfüllbaren ‚Männlichkeit‘ leiden. Natürlich muß immer betont werden, dass die Hierarchie für sie tendenziell qualitativ als auch quantitativ unterschiedliche Leidenspotentiale vor prägt.

(7) siehe Hausen, von Braun, Fox-Keller,...

(8) Ich hebe den dekonstruktivistischen Ansatz – entgegen R. Scholz – ausdrücklich insofern hervor, da dieser Ansatz maßgeblich die Ebene der Genese von Denken, Sprache etc. beleuchtete und den Blick darauf fokusierte, inwiefern das Subjekt-Objekt-Verhältnis von schaffendem Akteur und geschaffenem Zeichensystem so erhebliche Wirkung auf das Zeichensystem hat, dass das als ‚genuin menschlich‘ verstandene Werkzeug selbst eben so stark historisch geschliffen hat, dass das heutige Sprach- und Denksystem an sich vom historisch Agierenden geprägt ist. Dass der Ansatz darüber hinaus nicht materialistisch geerdet ist, sehe ich zweifellos als notwendige Basiskritik.

(9) siehe v.a. Christina von Braun

(10) siehe Sohn-Rethel: Warenform und Denkform., aber auch Rudolf Wolfgang Müller: Geld und Geist.

(11) Dass Geschlechterstereotype, die sich heutzutage aufzulösen scheinen, in ihrer Eindeutigkeit erst mit dem 18 Jahrhundert kulturell geformt wurden, wird sehr gut erklärt in: Karin Hausen: Die Polarisierung der Geschlechts-charaktere.

(12) Geschlechtervorstellungen usw. verändern sich auch innerhalb des kapitalistischen Systems mit der gesellschaftlich-kulturellen Wert-Abspaltungsdynamik.

(13) Johannes Agnoli: Kritik der Politik.

(14) Sozialisation meint, die Eingliederung eines Menschen in die Gesellschaft durch gesellschaftliche Prägung, insbesondere durch Erziehung.

(15) Studie von H. A. Moss in: Ursula Scheu: Wir werden nicht als Mädchen geboren, wir werden dazu gemacht

(16) Friedrich/ Bergk, ebenda

(17) Lewis, ebenda; Die Untersuchung zeigt, welche Versuche unternommen werden, die Aufmerksamkeit kleiner Jungen von den Eltern weg (hier wurde die Mutter untersucht) zu Spielobjekten zu lenken: “Der Junge wird durch die Mutter aktiv anderen Objekten zu gewandt. Sie schleudert z.B. Stofftiere weit von sich weg, damit sich der Junge von ihr entfernt, sich aktiv seiner Umgebung zuwendet. Und wenn er sich ihr nähert, streichelt sie ihn und dreht ihn wieder von sich weg, dem Objekt der Umwelt zu.”; ebenda

(18) Dale Spender in Die Schule macht die Mädchen dumm, Franziska Stalmann

(19) Franziska Stalmann, ebenda

Sabrina und Grit
La Fin Du Cercle, Leipzig