Der Abschied des Proletariats

Ein Beitrag zur Diskussion der »Klassenmetaphysik«

Sofern das Geschlecht der benannten Personen für die vorgebrachten Argumente keine von mir beabsichtigte Rolle spielt, verwende ich willkürlich das generische Femininum oder Maskulinum. Auch Männer sind also im Zweifelsfall mitgemeint.

Mit Abschied von der Klassenmetaphysik formuliert ein Autorinnenkollektiv des Communistischen Labors translib in der Phase 2.55 eine späte Antwort auf Joachim Bruhns Metaphysik der Klasse (Phase 2.12)—ein Beitrag, der seinerseits die Reaktion auf einen Angriff Felix Baums eine Nummer zuvor gewesen war. Bruhn, der am 28. Februar 2019 im Alter von nur 64 Jahren verstorben ist, hatte damals dafür argumentiert, dass der Nationalsozialismus »weder den Begriff noch die Realität des Proletariats« unbeschädigt gelassen habe. Bruhn wendet sich damit gegen die post-operaistischen Versuche, im Zentrum des Proletariatsbegriffs das lebendige Arbeitsvermögen als Quelle gesellschaftlichen Reichtums, sozialer Beziehungen und des Gegensatzes zum Kapital zu identifizieren—eine Bemühung, die sich inzwischen vor allem mit dem Autorenduo Antonio Negri und Michael Hardt verbindet. Seine Überschrift kann deshalb zunächst so verstanden werden, dass er den Glauben zurückweist, die Arbeitskraft sei die ewige Quelle fortschrittlicher oder emanzipatorischer Bewegungen. »Metaphysisch« bedeutet in diesem Zusammenhang, dass gesellschaftliche Verhältnisse und Kräfte auf ein Sein zurückgeführt werden, das ihnen zugrunde liegt. Im vorliegenden Fall wäre der »metaphysische« Gegenstand also die Arbeitskraft, die so angesehen wird, als brächte sie gesellschaftliche Verhältnisse hervor. Gegen eine solche »metaphysische« Sicht beharrt Bruhn darauf, dass die Arbeitskraft selbst gesellschaftlich bestimmt wird. Sie ist keine ewige, überhistorische Größe, sondern hat eine gesellschaftliche Form: Sie ist die Ware, mit der auch diejenigen, die nichts außer ihrer eigenen Haut haben, um es zu Markte zu tragen, in jene Tauschbeziehungen eintreten, die im Kapitalismus die gesellschaftlichen Verhältnisse hervorbringen.

Die Warenform lässt den Inhalt Arbeitskraft aber nicht unberührt. Nicht nur muss das Vermögen der Arbeitenden auf die kapitalistischen Produktionsprozesse mit ihren Effizienz- und das heißt nicht zuletzt: Ausbeutungskriterien zugerichtet werden, die Arbeitskraft wird darüber hinaus auch mit anderen gesellschaftlichen Zuschreibungen aufgeladen. So hat Cheryl I. Harris in einem AufsatzCheryl I. Harris, Whiteness As Property, in: Harvard Law Review 106 (1993) Nr. 8, 1707-1791., der in der angelsächsischen Diskussion bereits klassisch gewordenen ist, gezeigt, wie im Kontext der vom Rassismus durchdrungenen Gesellschaft der USA »Weißsein« nicht nur zu einer Eigenschaft (englisch: »property«), sondern zu einem regelrechten Besitzstand (englisch eben-falls: »property«) wurde, weil »weiße« Arbeitskraft auch nach dem Ende der Sklaverei das Monopol auf viele der ökonomisch lohnenderen Tätigkeiten hatte. Harris erläutert das einleitend am Beispiel ihrer Großmutter, die nur deshalb in einem der großen Geschäfte Chicagos arbeiten konnte, weil sie fern ihres im Süden der USA gelegenen Geburtsorts als »Weiße« durchging und mit niemandem an ihrem Arbeitsplatz darüber sprach, dass sie aufgrund einer falschen Identitätszuschreibung angestellt worden war—bis sie selbst die Belastung der Verstellung nicht mehr aushielt und kündigen musste.

Joachim Bruhn hat dagegen eine andere »rassische« Überformung der Ware Arbeitskraft im Blick, die im deutschen Kontext vertrauter ist. Ihm geht es um die Einordnung der Ware Arbeitskraft in die »Volksgemeinschaft«. Diese wurde wie die »weiße« Arbeiterklasse über Ausschlüsse hergestellt. Der Antisemitismus spielte dabei die größte Rolle.

An den »rassischen« Überformungen zerbricht nun für Bruhn aber die Vorstellung vom Proletariat als einer Gruppe, die sich gemeinsam für die Emanzipation einsetzt. Die Verkäuferinnen von Arbeitskraft werden zu egoistischen Hütern ihrer eigenen Ware, die durch die Zuschreibungen des »Weiß-« oder »Arisch-Seins« an Wert gewinnt. Die Hoffnung, dass es unter kapitalistischen Verhältnissen auch anders sein könnte, verbietet sich für Bruhn spätestens seit diese Unterscheidungen des Proletariats auch über die Wannseekonferenz—den Auftakt zur programmatisch und planvoll betriebenen Vernichtung des »rassisch« definierten Judentums—hinaus aufrecht erhalten wurden. Wenn die Arbeiterklasse angesichts des Umschlags des Antisemitismus in Vernichtung ihre »rassische«So der nationalsozialistische Ausdruck für die Konstruktion von Menschensorten unterschiedlicher Wertigkeit, die als Unterteiglung in »Juden« und »Arierinnen«, »Weiße« und »Schwarze« oder »Farbigkeit« eine gesellschaftlich wirkmächtige Realität geworden ist. Spaltung nicht überwunden hat, so die Frage Bruhns, wann sollte dann der Moment für die wirksame Solidarität der Ausgebeuteten sein?

Die destruktive Partei?

Das Autorenkollektiv des Communistischen Labors translib findet diese Überlegungen nun aber seinerseits zu »metaphysisch«. Die »Proletarisierten« seien zwar nicht von vornherein gute Menschen oder gar revolutionär, sie könnten aber auch nicht auf die unrühmliche Rolle festgelegt werden, die das Proletariat in der Vergangenheit gespielt habe. Vielmehr gehe es darum, wenigstens die Möglichkeit festzuhalten, dass sich aus »schnöden Abwehr- und Verteilungskämpfen« der »Bildungsprozess einer revolutionären Bewegung« ergeben könne.

Es ist nicht schwer zu sehen, woher das Bestreben kommt, gegen die bruhnsche Analyse die Möglichkeit eines solchen Bildungsprozesses offen zu halten. Der Wunsch, den Kapitalismus zu überwinden, führt dazu, dass nach einer gesellschaftlichen Kraft gesucht wird, die den Übergang in eine bessere post-kapitalistische Gesellschaft auch tatsächlich wirklich werden lassen kann. Unklar bleibt hingegen, warum es gerade die »Proletarisierten« sind, auf die in diesem Kontext gehofft wird. Allerdings ist diese Wahl auch nicht ungewöhnlich. Sie folgt einem Schema, das sich nicht zuletzt bei Marx identifizieren lässt und für die marxistische Arbeiterinnenbewegung regelrecht traditionsbildend war.

Das Vertrauen auf das Proletariat speiste sich ursprünglich aus einer ganz einfachen Überlegung. Für Marx war das Proletariat Mitte der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts diejenige Gruppe, die außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft stand. Zwar ist es für ihn zur Erhaltung der bürgerlichen Gesellschaft notwendig (das Proletariat produziert, wovon die bürgerliche Gesellschaft lebt), aber gleichwohl ist dem Proletariat unter den kapitalistischen Produktionsbedingungen nur »Ohnmacht und die Wirklichkeit einer unmenschlichen Existenz«Friedrich Engels/Karl Marx, Die heilige Familie, Marx-Engels-Werke (MEW) 2, 37. zugedacht. Es müsse daher »seine eigenen Lebensbedingungen« und »alle unmenschlichen Lebensbedingungen der heutigen Gesellschaft, die sich in seiner Situation zusammenfassen,« aufheben, um sich aus seinem Elend zu befreien.Ebd., 38. Es sei »die destruktive Partei«Ebd., 37., die Kraft, die die bürgerliche Gesellschaft und mit ihr die Grundlage jeglichen Klassengegensatzes aufhebt.

Auch in heute verfassten Gesellschaftsentwürfen lassen sich Figuren finden, die diesem Konstruktionsschema entsprechen und aus denen Revolutions- oder zumindest Emanzipationshoffnungen abgeleitet werden. Wenn etwa Jacques Rancière davon spricht, Politik sei es, denen einen Anteil—sprich eine Teilhabe an den gesellschaftlichen Ressourcen und Entscheidungen—zuzusprechen, die im Rahmen der herrschenden Ordnung weder berücksichtigt noch gehört werden; wenn Alain Badiou ein Ereignis darin sieht, dass diejenigen, die zwar anwesend sind, aber nicht gezählt, nicht als zugehörig anerkannt werden, nun doch gezählt werden, dann sind die Anteilslosen und Ungezählten Figuren, die der ursprünglichen Bestimmung des Proletariats bei Marx entsprechen: Teil einer Gesellschaft, die für sie keinen offiziellen Platz bereithält. Zugleich aber hat sich der Gegensatz zur bestehenden Gesellschaft merklich gemildert. Keine Rede ist mehr von »Vernichtung«Ebd. oder vom »Zusammenstoß Mann gegen Mann als letzte Lösung« und »totaler Revolution«.Karl Marx, Das Elend der Philosophie, MEW 4, 182.

Angesichts der marxschen Formulierungskraft besteht vielleicht die Versuchung, diese Abmilderung als reformistischen Mangel an Entschlossenheit zu deuten, selbst Resultat eines konformistischen Willens zur Eingliederung in die herrschende Ordnung. Doch wahrscheinlich ist es gar nicht das Fehlen des Willens zur Radikalität, das die heutigen Ansätze so zahm erscheinen lässt. Ihnen vorausgegangen ist vielmehr eine Erfahrung, die schon Marx selbst machen musste. In dem Maße, in dem sich das Proletariat nämlich als Klasse selbst formierte, in dem Maße also, in dem aus den »Proletarisierten« tatsächlich eine kollektiv handelnde Kraft wurde, in diesem Maße veränderten sich die Voraussetzungen des Klassenkampfs. War Marx davon ausgegangen, dass das Proletariat des frühen 19. Jahrhunderts keinen Platz in der bürgerlichen Gesellschaft hat und auch keinen Platz finden kann, zeigten die schrittweisen Erfolge der tatsächlich kämpfenden Arbeiter, die in diesen Kämpfen auch in ihrem Selbstverständnis Proletarierinnen geworden waren, dass sich ihnen plötzlich der Weg zur gesellschaftlichen Integration öffnete.

Die Ohnmacht verschwand nicht, aber sie wurde durch das allgemeine Wahlrecht, die Möglichkeit zur Bildung von Parteien und Gewerkschaften gemildert. Auch die Armut verschwand nicht, die Proletarier wurden nicht zu Bürgerinnen im ökonomischen Sinn der Verfügung über die Mittel der Produktion, aber wo es für die Aufrechterhaltung des Kapitalismus notwendig war, wurde ihr Elend (oft, wie bereits dargestellt, nur für einen Teil der Arbeitenden) soweit gemildert, dass sie im kulturellen Sinn zur bürgerlichen Gesellschaft hinzukommen konnten. Die proletarische Kultur und Moral wurden zu einer Variante der bürgerlichen Moral.

Das Proletariat, das vom passiven Zustand (vom Proletarisiert-Werden) in den aktiven (zum selbstbewusstes Proletariat-Sein) übergeht, verliert also nicht zufällig seine revolutionäre Funktion. Es kann, wenn sein Hass auf die Bourgeoisie, die es ausbeutet, groß genug, der Prozess schnell genug und die Gruppe, die es politisch leitet, entschlossen genug sind, tatsächlich in der Geschichte auch einmal revolutionär sein. Aber es wird wohl kaum, wie es die marxsche Revolutionstheorie beschreibt, in langen und umständlichen Kämpfen, die von Rückschlägen geprägt sind, eine neue Gesellschaft schon allein deshalb aus sich selbst hervorbringen, weil die Verhältnisse es dazu zwingen.

Diese Diagnose mag aus einer Perspektive, die dem linken Traditionalismus verpflichtet ist, ein Schock sein. Sie muss aber weder zu der sozialdemokratischen Konsequenz führen, dass ein gezähmter Kapitalismus ganz erträglich wäre, noch in den liberalen Defätismus münden, dass der Kapitalismus und die bürgerliche Demokratie zwar schlechte Gesellschaftsformen, aber doch die besten seien, die es gibt. Der marxsche Hass auf die Verhältnisse hängt nicht am Proletariat. Zwar braucht er eine »destruktive Partei«, wenn er in die Abschaffung des Kapitalismus münden soll, doch das Proletariat, dem diese Rolle zugedacht war, ist hierfür nur auf den ersten Blick besonders geeignet. Selbst wenn der unversöhnliche Hass auf den Kapitalismus dem Proletariat in die Wiege gelegt worden sein mag, die Schule des Klassenkampfes hat ihm diesen Hass auch wieder ausgetrieben oder ihn—im schlimmsten Falle—umgelenkt: auf »Jüdinnen«, »Schwarze«, »Frauen«, »Schwule« oder Schwache.

Nicht für, sondern gegen; nicht weil, sondern trotz

Die Ausbeutung, die eigentlich der Garant für die Unversöhnlichkeit des Proletariats mit dem Kapitalismus sein sollte, ist für das bürgerliche Gemüt—auch für das proletarische—immer nur ein Warentausch. Die »weiße«, »männliche« Arbeitskraft konnte in diesem Warentausch lange Zeit einen Bonus gegenüber der »nicht-weißen« und der »weiblichen« Arbeitskraft erzielen. Sie kann es noch immer. Aber im Zuge einer erheblichen Deindustrialisierung in den westeuropäischen und nordamerikanischen Staaten verlieren eben auch »weiße«, »männliche« Arbeiter einen erheblichen Teil dieses Privilegs, das ihnen so leicht niemand ersetzen kann.

Die westliche Sozialdemokratie jedenfalls hat bisher kein Rezept der Kompensation gefunden. Ihre Versprechen aus den siebziger Jahren (etwa »Aufstieg durch Bildung«), die sie stumpf wiederholt, weil ihr nichts anderes einfällt, sind längst schal geworden. Was aber sollen die Rufe bringen, die als Reaktion auf die Krise dieser Politik eine Rückbesinnung auf das Proletariat, die Ausgebeuteten fordern? Wenn von abgehobenen sozialdemokratischen Politikeliten gefordert wird, sie sollten sich den alten Problemen der Arbeiter wieder zuwenden, dann geht es in Wahrheit darum, es solle sich endlich wieder von den Frauen, Migranten, Homo- und Transsexuellen, von den unterdrückten und benachteiligten Minderheiten überhaupt abgewendet werden. Das Proletariat, das sich hier als Adressat linker Politik imaginiert wird, ist tatsächlich die Klasse, von der sich Bruhn nur das Schlimmste erwartet: ein politisches Kollektivsubjekt, mit dem sich keine Revolution machen lässt, es sei denn eine rassistische oder nationalsozialistische.

Gegen dieses Phantasma und gegen die marxsche Vorstellung gilt es deshalb daran festzuhalten, dass die »destruktive Partei« keine Gruppe ist, die der Kapitalismus einfach von selbst hervorbringt und zur Revolution treibt. Die »destruktive Partei« kann nur auf einer bewussten Entscheidung beruhen, sich gegen die schlechten Verhältnisse zu stellen und nach Möglichkeiten ihrer tatsächlichen Überwindung zu suchen.

Dem Kollektiv des Communistischen Labors translib wird so etwas als »existenzialistischer Sprung«, vielleicht sogar als »kontemplatives Warten auf den Einbruch der Transzendenz in eine scheinbar hermetisch verfugte Welt« erscheinen,Die beiden Charakterisierungen der Positionen, gegen die das Kollektiv anschreibt, finden sich am Ende von Abschied von der Klassenmetaphsyik. Sie sind nur scheinbar gegensätzlich, denn da das Kollektiv unterstellt, der »existentialistische Sprung« führe zu nichts, ergibt sich das bloße »Warten«, dass die Revolution von allein geschieht, als Konsequenz aus der Wirkungslosigkeit des Sprungs. weil »existentialistisch« hier nichts anderes meint, als sich bewusst für etwas zu entscheiden. Der Klassenkampf sei dagegen in den wirklichen gesellschaftlichen Verhältnissen verwurzelt, die »den Lohnabhängigen die Lebens- und Überlebensbedingungen« diktieren. Dieser Kampf, soll das wohl heißen, sei deshalb nicht einfach ausgedacht oder bloß gewollt, sondern notwendig und wirklich.

Doch gerade vor einem solchen Realismus gilt es sich zu hüten. Er hat in der Geschichte der Sozialdemokratie und des Kommunismus schon immer für die übelsten Kompromisse und größten Verbrechen herhalten müssen. Wenn die einzig realistische Option für die tatsächliche Überwindung der schlechten Verhältnisse der Klassenkampf ist, dann werden in der Logik dieses einen und wichtigsten Kampfes der Rassismus, Antisemitismus, der Sexismus und der ganze übrige Hass des Proletariats zu vernachlässigbaren Kleinigkeiten. In der Logik solcher Kämpfe ist der Kommunismus, die Aufhebung von Ausbeutung und Unterdrückung, immer wieder auf später verschoben worden. Von da war es nur noch ein kleiner Schritt bis zum imperialistischen Burgfrieden, den die deutsche Sozialdemokratie mit der Bewilligung der Kredite für den Ersten Weltkrieg schloss oder zu Stalins realistischem Projekt, den Sozialismus in einem Land zu verwirklichen.

Der Realismus, der historisch immer wieder so tragisch gescheitert ist, zu dem aber letztlich—ob gewollt oder ungewollt—die Vorschläge in Abschied von der Klassenmetaphysik zurückführen, zeichnet sich dadurch aus, dass er vieles an tatsächlicher Unterdrückung und Ausbeutung einfach ausblendet. Sich gegen die schlechten Verhältnisse zu stellen und nach Möglichkeiten ihrer tatsächlichen Überwindung zu suchen, setzt aber die Bereitschaft voraus, diese Verhältnisse und ihre Dynamiken überhaupt erst einmal wahrzunehmen.

Die Ausgebeuteten—auch die »weißen« und »männlichen«—sind von einem solchen Kampf nicht ausgeschlossen. Ihre Nöte und Ängste sind nicht von vornherein irrelevant, aber Armut und Elend sind kein ausreichender Grund dafür, zu einem rassistischen, sexistischen oder nationalistischen Arschloch zu werden, nur um die eigenen Nöte und Ängste auf Kosten Anderer zu lindern. Die Nöte der Ausgebeuteten, Geknechteten und Erniedrigten sind nicht deshalb wichtig, weil »weiße«, »männliche« oder »deutsche« Menschen betroffen sind, sondern obwohl diese Menschen »weiß«, »männlich« oder »deutsch« sind. Doch um dieses »obwohl« ernst zu nehmen, müssen sich die Ausgebeuteten, Geknechteten und Erniedrigten nicht länger als Eigentümer der Ware Arbeitskraft verstehen, sondern als Feindinnen des Kapitalismus, der sie in eine allseitige Konkurrenz zwingt, die permanent droht, ihnen jede Menschlichkeit auszutreiben.

M. Büchse

M. Büchse war früher Redakteur der Phase 2 und versucht jetzt, seinen Lebensunterhalt als intellektueller Wanderarbeiter zu verdienen.