Die Idee des Kommunismus

Die Reformulierungen der traditionellen Revolutionstheorie

Die Idee einer kommunistischen Revolution ist seit den sechziger Jahren nicht nur in einer Krise, eine bestimmte Idee der Revolution ist anscheinend auch unwiederbringlich verloren gegangen. Während Realsozialismus und Stalinismus, Faschismus und Nationalsozialismus sowie das Ende des Industriezeitalters und des Fordismus den Kommunismus zwar als politische Bewegung, Partei und staatliche Verfassung in eine Krise bringen konnten, nicht aber die Idee als solche, ist in jener Zeit eine bestimmte Idee des Kommunismus gestorben. Sie ist aufgrund ihrer Bestimmung selbst gestorben, sodass die Idee des Kommunismus gleichsam ohne inhaltliche Bestimmung geblieben ist.

Diese Bestimmung war, vereinfacht zusammengefasst, die folgende:

1.) Die Revolution ist Aufhebung bestimmter gesellschaftlicher Widersprüche. Der Kommunismus ist die Folge einer logischen Konsequenz und einer objektiven Notwendigkeit; beide ergeben sich insbesondere aus dem Widerspruch von Arbeit und Kapital.

2.) Die Revolution ist Folge einer bestimmten geschichtlichen Entwicklung. Der Kommunismus ergibt sich aus dem Fortschritt der Produktivkräfte sowie ihres Widerspruchs zu den sie fesselnden Produktionsverhältnissen, der Kommunismus ergibt sich aber auch aus bestimmten krisenhaften Zuspitzungen und Verelendungstendenzen im Kapitalismus.

3.) 1. und 2. ergeben einen subjektiven Faktor: Revolutionäres Bewusstsein ist Einsicht in die objektive Notwendigkeit sowie in die geschichtliche Mission. Für beide muss das Bewusstsein buchstäblich Partei ergreifen, denn die revolutionäre Zutat der Subjektivität besteht geradezu darin, sich mit jener objektiven Notwendigkeit, die in den kapitalistischen Widersprüchen und ihrer geschichtlichen Entwicklung liegt, zu identifizieren. Diese Identifikation der Subjektivität mit der objektiven Notwendigkeit war die Idee der Revolution schlechthin. Es war diese Identifikation, die im Klassenbewusstsein, in der Partei und schließlich, zumindest für den Übergang zum Kommunismus, im sozialistischen Staat Gestalt annehmen sollte.

Diese Bestimmung, die der Kommunismus gleichsam noch durch den Kapitalismus zu erhalten schien (bzw. durch dessen Selbstnegation), ging verloren, und dadurch wurde eine radikale Neubestimmung notwendig. Alle Referenten der Londoner Konferenz On the idea of Communism (Birkbeck, 13.–15. März 2009) argumentierten von diesem Bruch her. (Alessandro Russo hat den Bruch und den neuen Ausgangspunkt markiert: Die chinesische Kulturrevolution sei die erste Revolution gewesen, die nicht mehr dem klassischen Modell gefolgt sei, auch wenn sich dann doch wieder eine Staatspartei durchgesetzt habe.) Es gibt somit einen gemeinsamen Ausgangspunkt in der Kritik der traditionellen Revolutionstheorie und in der Notwendigkeit einer Neubestimmung. Insofern hat die Konferenz auch eine Zwischenbilanz aus 40 Jahren Kritik des traditionellen Marxismus und 40 Jahren neuer Marx-Diskussion gezogen.

Die Reformulierungen der traditionellen Kapitalismuskritik

Kritik und Aufarbeitung des traditionellen Marxismus und der Versuch einer Neubestimmung des Kommunismus sind allerdings unterschiedliche Wege gegangen. Für die Zusammenfassung der Kommunismus-Konferenz bietet es sich sogar an, vereinfachend zwischen verschiedenen Sprachräumen zu unterscheiden.

So ist z.B. nur im deutschsprachigen Raum die neue Marx-Diskussion bis heute geprägt durch eine Phase der Rekonstruktion der Kritik der Politischen Ökonomie, mit einer Konzentration auf das Kapital sowie speziell auf die Kategorien der Wertformanalyse. Die Diskussion ist zudem durch die Kritische Theorie »vorbereitet« worden und an Hegels Dialektik sowie an Kant und am Neokantianismus orientiert. Diese Kritik der Politischen Ökonomie war in der Londoner Konferenz abwesend. Dafür waren zwei andere wichtige Diskussionsstränge vertreten: der französische und der italienische.

Die italienische Diskussion wurde vertreten durch Toni Negri, Alessandro Russo, Alberto Toscano und Gianni Vattimo (auch Michael Hardt lässt sich dazuzählen). Sie ist geprägt durch den Operaismus, der in den sechziger Jahren eine Kritik am Ökonomismus, am Determinismus sowie an der Repräsentations- und Vertröstungspolitik des traditionellen Marxismus durch eine Subjektivierung und Politisierung der ökonomischen Kategorien durchgeführt hat. Diese Abkehr ist auch für den Postoperaismus bestimmend geblieben, der vor allem durch Negri und Hardt bekannt geworden ist.

Die (post-)operaistische Kritik am traditionellen Marxismus hat allerdings zu einer Abkehr geführt, die sich geradezu als Umkehr lesen lässt und dadurch eine Reformulierung des traditionellen Marxismus ergibt: Statt Klassenbewusstsein und Arbeitermacht werden Arbeiterwissen und General Intellect als Produktivkraft verherrlicht. Hauptproduktivkraft sind nicht Wissenschaft, Technik und Maschine, sondern Sprache, Kommunikation und Informationsverarbeitung. Die kommunistische Bewegung muss nicht von einer kommunistischen Arbeiterpartei organisiert und geführt werden, stattdessen ist die Multitude in gewisser Weise bereits eine molekulare Revolutionierung des Kapitalismus, nämlich durch eine unrepräsentierbare Selbstorganisation. Diese schafft allein aus sich heraus ihre Organe. An die Stelle des Industrieproletariats und seines zentralen Orts, der Fabrik, treten die postfordistischen, nomadisierenden Produzenten; das Kapital heißt nun Empire; Herrschaft und Ausbeutung treten auf durch Territorialisierung, Disziplinierung und Kontrolle; aus dem Kampf um den Mehrwert ist die Flucht aus der Arbeit und das Beharren auf der Unrepräsentierbarkeit und dem Überschießen des gesellschaftlichen Reichtums geworden; an die Stelle des klassischen Revolutionsmodells, mit einer Machtergreifung durch eine zentrale (Staats-)Partei am Tag X ist die konstituierende Macht der Menge und der Vernetzung getreten.

Eine gemeinsame Schnittmenge der italienischen und französischen Beiträge lag in der Frage nach dem Gemeinsamen schlechthin. Die Frage nach dem Kommunismus ist die Frage nach dem Gemeinsamen im Unterschied nicht nur zum Privaten, sondern auch zum Öffentlichen, und zwar einschließlich der sozialistischen Öffentlichkeit, die auf bloße Verstaatlichung hinausläuft. Der Kommunismus ist demnach noch die Überwindung dieser Alternative zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen, ja, er ist vielleicht überhaupt das Gemeinsame jenseits aller juristischen, politischen und ökonomischen Formen und Institutionen der Repräsentation (das Gemeinsame jenseits der Repräsentation ist gleichsam das gemeinsame Jenseits). Insbesondere Jacques Ranciere ging der Frage nach, wie Singularitäten und das Universelle sich verbinden ohne Vermittlung durch den Staat, wie etwa das Wissen oder das Soziale das Gemeinsame sein können ohne die Formen bürgerlich-kapitalistischer Vermittlung.

Neben dieser gemeinsamen Schnittmenge fiel aber auch der französische Sonderweg auf, für den Alain Badiou wegweisend ist. Wenn sich die italienischen Beiträge, insbesondere die von Negri und Hardt, vereinfacht als Politisierung und Subjektivierung der Ökonomie statt als Kritik der Politischen Ökonomie verstehen lassen, so kreisten die französischen Beiträge um die Idee des Politischen als solchen. Das Politische »als solches« heißt nicht, es ohne die Ökonomie zu bestimmen, sondern in bewusster Distanz zur Ökonomie. Das Politische wird aber insbesondere politisch, indem es Distanz nimmt zum Staat.

Auf der Konferenz gingen Jacques Ranciere, Judith Balso und besonders Alain Badiou in diese Richtung (das gilt auch für den Beitrag von Peter Hallward). Ihre Beiträge verbanden die Bestimmung der Idee des Kommunismus (absolute Gleichheit, das Gemeinsame, Verbindung von Singulärem und Universellen) mit der Notwendigkeit, den bisherigen Formen der Gleichheit (einschließlich der sozialistischen) zu entkommen, insbesondere der Gleichheit durch Staat und Recht. Dadurch ist auch hier die Idee des Kommunismus mit der Notwendigkeit einer radikalen Abkehr von Partei und Staat verbunden, aber ohne in der Abkehr, wie etwa bei Negri und Hardt, die traditionelle Idee des Kommunismus im General Intellect, der Multitude etc. wiederauferstehen zu lassen. Stattdessen geht die Abkehr mit einer radikalen Bereinigung einher, die nur noch eine radikale Subjektivität stehen lässt, nämlich die Subjektivität des Politischen, des freien Willens und der Entscheidung.

Der kritische Weg zum Kommunismus führt jedenfalls nicht mehr über die Notwendigkeit, die Kritik auf das Bestehende zurückzuführen, auf bestimmte gesellschaftliche Widersprüche und Bedingungen, auf unverwirklichte Möglichkeiten und politische Bewegungen o.ä. Die Kritik lässt sich mithin auch nicht mehr auf Formeln wie »immanente Kritik«, »Bestimmung durch Negation« oder »Kritik durch Darstellung et vice versa« bringen. Kritik kann nur im Bruch bestehen und muss sich durch eine Distanznahme vollziehen, und Distanz heißt hier vor allem Distanz zum Staat. Diese »subtraktive« (Badiou) Logik soll keine Abkehr von der Politik sein, bei Badiou soll sie im Gegenteil der politische Akt schlechthin oder als solcher sein.

Kommunismus als Idee statt Idee des Kommunismus – Badiou

Bei Alain Badiou, der zentralen Figur der Konferenz, scheint die Abkehr, die '68 ihren Ausgangspunkt genommen hat, radikaler durchgeführt worden zu sein als anderswo. Seine Absage an den Ökonomismus und Determinismus, an jede Politik der Repräsentation und an die Vertagung des Kommunismus auf die Reife der Bedingungen oder des richtigen Augenblicks, sowie seine Distanznahme zum Staat scheinen alle Verbindungen zu gesellschaftlichen Widersprüchen und Bedingungen, zu einem Sinn in der geschichtlichen Entwicklung sowie zu politischen Bewegungen abzuschneiden. Wo im Postoperaismus von Negri und Hardt die Idee des Kommunismus nur von bestimmten Gestalten bereinigt ist, von Partei und Staat, Arbeit und Fabrik etc., dafür aber in den Gestalten eines Gegenentwurfs wiederaufersteht, da hat Badiou eine Bereinigung betrieben, ohne die traditionelle Idee des Kommunismus durch einen Gegenentwurf und mit neuen Gestalten zu reformulieren. Mehr noch, es geht darüber hinaus darum, sich der Notwendigkeit, die bestehenden Verhältnisse und Bedingungen zu analysieren und daraus bestimmte Schlüsse zu ziehen, zu entheben.

Die Konsequenz daraus ist die Reformulierung der Idee des Kommunismus rein als solcher. »Rein als solcher« heißt: Reformulierung der Idee der Revolution als Ereignis, und die Reformulierung findet durch die Formalisierung des Ereignisses statt. Wie ist das zu verstehen?

Unter »Idee« versteht die Philosophie, aber auch der Alltagsverstand, dass sich das Bewusstsein eine Vorstellung oder ein Bild macht. Ihre systematisch stringenteste Entwicklung erhielt die Idee durch Hegels dialektische Logik, die die absolute Idee begründet, nämlich die Identität von Denken und Sein. Diese Identität wird Hegel zufolge durch den Begriff verwirklicht, denn der Begriff begreift, dass das reflektierende Denken eine trennende Vermittlung ist, die Objekt und Subjekt ebenso trennt wie vermittelt.

Wenn also »Idee« schlicht die Identifikation der Objektivität durch die Subjektivität ist, so war die Idee des Kommunismus, dass die Arbeiterklasse die gesamtgesellschaftliche Bestimmung ihrer Arbeit und das eigene Vermögen als die gesellschaftliche Produktivkraft schlechthin erkennt. Die Arbeiterklasse sollte sich durch subjektive Selbsterkenntnis und ihr Selbstbewusstsein jedoch nicht nur mit der eigenen objektiven gesellschaftlichen Bestimmung identifizieren, sie sollte auch die Entfremdung und Beherrschung der Arbeit durch die kapitalistische Privatisierung, Aneignung, Ausbeutung etc. erkennen; die Arbeiterklasse kann also nicht unmittelbar auf die gesellschaftliche Bestimmung und auf die produktive Kraft ihrer Arbeit zurückkommen. Die Identifikation der Arbeiterklasse mit der eigenen produktiven Kraft und der gesellschaftlichen Bestimmung sollte daher diejenige Identifikation zunächst im Bewusstsein begreifen und ideell vorwegnehmen, die durch die Revolution noch gewaltsam durchgesetzt werden muss, damit sie sich im Kommunismus dann praktisch verwirklicht.

Von dieser Idee des Kommunismus bleibt bei Badiou nur die Idee rein als solche: Die Identifikation der Objektivität durch die Subjektivität wird bei Badiou zum revolutionären Akt der Subjektivität schlechthin. Die Idee der Identifikation als solcher ist: das Ereignis. Die Idee des Kommunismus ist dann nurmehr der Glaube an die Objektivität der eigenen Subjektivität, d.h. daran, dass die Subjektivität die bestehende Objektivität und sich selbst überwindet, dass sie über beides hinausgeht, revolutionäre Zutat ist und eine neue Situation schafft, kurz, dass sie etwas ereignen kann.

Das Ereignis ist nicht die Realisierung einer bestimmten Möglichkeit. Das geschieht Badiou zufolge immer nur im Status der Normalität oder der Immanenz, also in der Teilnahme an einer bestimmten, historischen Situation oder Sequenz. Der Status wird definiert durch den Staat, die Ökonomie, das Recht etc. Es geht nicht darum, Konsequenzen aus einer bestimmten Situation zu ziehen und eine bestimmte Möglichkeit zu verwirklichen – dann wäre der Kommunismus doch wieder notwendiges Ergebnis logischer oder geschichtlicher Folgerichtigkeit; er würde also letztlich auf Fakten beruhen. Stattdessen muss es um die Eröffnung der Möglichkeit als solcher gehen, und dieses Eröffnen ist ein Ereignis, weil es nur im Bruch mit dem Bestehenden eintritt. Eine radikal neue Situation muss axiomatisch eintreten; insofern ist die Vernunft gewaltsam. Und auch dieses Ereignis eines gewaltsamen Einbruchs eröffnet keine bestimmte, wenn auch neue Möglichkeit. Das Ereignis eröffnet vielmehr eine neue Definition dessen, was möglich sein kann.

So unbestimmt die Idee des Kommunismus bei Badiou auch bleibt – die Idee als solche verteidigen heißt, dieses Ereignis verteidigen, mithin eine Wahrheit, die eben nicht auf Fakten und Tatsachen beruht, sondern die in dem liegt, was darin nicht nur nicht aufgeht, sondern auch nicht daraus hervorgeht. Die Wahrheit ist das Zusätzliche, der Einbruch des Realen durch ein neues soziales Subjekt und eine radikale Neubestimmung dessen, was möglich ist. Die Revolution wird das Ereignis gewesen sein, das nicht seine Begründung nachträglich stiftet, also erst aus dem Kommunismus heraus und retroaktiv, sondern es wird umgekehrt ein Ereignis dadurch gewesen sein, dass es zum Unbegründeten wird. Das Ereignis wird also nicht nur das gewesen sein, das sich aus dem Vorherigen nicht wird zureichend begründen lassen, sondern es wird das Unbegründete geworden sein, weil es einerseits weder aus bestimmten Bedingungen noch aus einer irgendwie reifen Situation oder einer geschichtlichen Entwicklung mit Notwendigkeit folgt und andererseits durch das Überschießende kommt; es ist dieses Überschießende, das gleichsam das Unbegründete begründet.

Nicht nur die Notwendigkeit des Ereignisses wird von Badiou allein durch dessen Formalisierung begründet, auch der Kommunismus, der durch das Ereignis eintreten soll, erhält bei Badiou eine inhaltliche Begründung nur durch eine Formalisierung des Universellen. Diese Formalisierung des Universalismus hat bei Badiou nicht nur eine Ontologie hervorgebracht, sondern die Ontologie ist wiederum Mathematik. Die Mathematik ist geradezu das Denken des Seins als Sein.

Doch so unbestimmt die Idee des Kommunismus bleibt, so wenig soll sie ein inhaltsloser, leerer Formalismus sein. Gerade die Formalisierung soll eine Art revolutionäre Ethik sein: Die Idee der Revolution ist der Gaube an die Objektivität subjektiver Entscheidung und die Treue zu diesem Ereignis. Und gegenüber dem Ereignis gibt es bei Badiou weder eine erwartende noch eine abwartende Haltung. Während Derrida eine ab- und erwartende Haltung einnimmt, wenn er sich »gastfreundlich« gegenüber dem Ereignis zeigen will (auf dass es eintreten möge), besteht bei Badiou die revolutionäre Ungeduld darin, dem Ereignis die Treue zu halten. Dabei heißt Treue halten nicht nur, auf ein zukünftiges Ereignis zu setzen, sondern auch durch diese Setzung bereits aufseiten der Subjektivität eine Entscheidung zu treffen, eine Entscheidung, die zusätzlich im Spiel ist.

Post-Marxismus

Es soll hier nicht darauf eingegangen werden, inwiefern Badiou eher den Grundzug des Existenzialismus und der Politischen Theologie teilt als den der Kritik der Politischen Ökonomie. Es reicht zu fragen, warum das Ereignis, genau wie die Idee der Multitude, allein emphatischen Erwartungen vorbehalten sei? Es ist nicht einzusehen, warum ein Ereignis nur dann »wahr« oder »echt« sein soll, wenn es der Kommunismus gewesen sein wird. Zumal gerade ein Ereignis wie die Oktoberrevolution, das Badiou zufolge ein »echtes Wahrheitsereignis« gewesen sein soll, sich als bürgerlich-kapitalistische Revolution herausgestellt hat, und selbst diese kapitalistische Revolutionierung der Gesellschaft war bereits eine nachholende. Die Singularität des Ereignisses wiederholt sich also. Dagegen ist ein »Ereignis«, von dem her Kapitalismuskritik tatsächlich neu zu denken ist und das tatsächlich singulär blieb: der Holocaust, anscheinend kein Einwand gegen die emphatischen Erwartungen an das Ereignis. Ebensowenig sind anscheinend antisemitischer Pogrom, nationalrevolutionäre Bewegung, religiöse Selbstorganisation ein Einwand gegen die emphatischen Erwartungen an die Multitude.

Slavoj Žižek, neben Alain Badiou die zentrale Figur der Konferenz, hätte eine eigenständige Betrachtung verdient, auch wenn er vor allem Bekanntes vorgetragen hat. vor allem aus seinem Artikel zur Krise: http://www.journals.uchicago.edu/doi/pdf/10.1086/59867 Hier kann nur festgehalten werden, dass auch bei Žižek die Kapitalismuskritik und die Idee des Kommunismus religiöse Züge annehmen, obwohl gerade Žižek die Kritik der Politischen Ökonomie nicht nur immer wieder einfordert, sondern gelegentlich der neueren französischen Philosophie auch das Vergessen der Ökonomie vorgeworfen hat.

Badiou hat auf Nachfrage aus dem Publikum immerhin bestätigt, dass für ihn Ökonomie Wirtschaft im herkömmlichen Sinne sei. Kritik der Ökonomie könne nur an der Reformierung des Bestehenden teilnehmen. Wenn Ökonomiekritik einen solchen Status hat, ist eine »Distanznahme« im Sinne dessen, was Badiou »subtraktive Logik« nennt, zu begrüßen. Allerdings verkennt eine solche »Distanznahme« von vornherein den Status der Marxschen Ökonomiekritik, und nur dadurch muss eine solche Kritik wohl »post«-marxistisch genannt werden.

~Von Frank Engster.