Die imperiale Ordnung

Empire Rezension Teil II

In Phase 2.03 wurde unter dem Titel "Vom Imperialismus zum Empire" letzteres mit der Analyse von Antonio Negri und Michael Hardt als jene Struktur des globalen Kapitalismus beschrieben, die sich seit dem Ende des II. Weltkriegs als Nachfolgemodell des Imperialismus herausgebildet hat. Ein Regime ohne zeitliche und räumliche Beschränkung, das trotz seines militärischen Potentials als Friedensordnung nach dem Ende der Geschichte auftritt und die Produktion der Welt, die es beherrscht, samt der menschlichen Beziehungen in ihr regelt. Empire ist damit das Ordnungsmodell des kapitalistischen Universalismus, in dessen Zeichen die Auseinandersetzungen am Beginn des 21. Jahrhunderts stehen.
 

Die Ebenen imperialer Macht

Der Kapitalismus ist weltumspannend geworden. Die Regionen, die ihm gegenüber als weiße Flecken auf dem Globus erscheinen, bilden kein prinzipielles Außen mehr. Sie sind weder von ihm noch nicht durchdrungen, noch hätten sie ihn schon überwunden. Sie bilden eher Zonen jenseits des Interesses an Ausbeutung, weil es in ihnen weder etwas zu holen noch loszuwerden gibt, sie im Prozess der Kapitalakkumulation also völlig langweilig erscheinen. In ihnen herrscht der Kapitalismus des Desinteresses, eine Herrschaft von sehr niedriger Intensität. Trotzdem bleibt festzuhalten: Die Welt ist heute dem Kapitalismus immanent.
Wenn die Verwirklichung der Abschaffung einer äußeren Sphäre den Namen Empire trägt, dann stellen sich die Konflikte nicht mehr als ein Kampf innen gegen außen dar, sondern werden zunehmend zu Auseinandersetzungen im Innern. Die Rede von der "Weltinnenpolitik", die zum Paradigma grüner Außenpolitik geworden ist, reflektiert diesen Zusammenhang, der nicht dazu verführen sollte, die Differenzierungen im Innern der Ordnung des Empire zu unterschätzen. Die verschiedenen Intensitätszonen des Kapitalismus werden begleitet von verschiedenen Arten imperialer Macht. "Auf den ersten Blick und bei rein empirischer Beobachtung erscheint der konstitutionelle Rahmen für die neue Welt eine ungeordnete, sogar chaotische Menge von Kontrollorganen und repräsentativen Organisationen zu sein. Diese globalen konstitutionellen Elemente verteilen sich auf ein weites Spektrum an Körperschaften (in Nationalstaaten, Assoziationen von Nationalstaaten und internationalen Organisationen aller Art); sie sind unterteilt nach Funktion und Inhalt (wie politische, finanzielle, gesundheitliche und bildungspolitische Gebilde); und sie werden durchzogen von einer Vielfalt produktiver Tätigkeiten. Schauen wir aber genauer hin, enthält diese ungeordnete Menge trotzdem einige Referenzpunkte. Eher als um ordnende Elemente handelt es sich um Matrizen, die relativ zusammenhängende Horizonte innerhalb der Unordnung des globalen juristischen und politischen Lebens festlegen." (309)
Die Matrizen sind die Äußerungsformen der Macht im Empire. Ihre höchste verbindet sich mit den USA und als ihren Partnern auf dieser Ebene den G7-Staaten. Aus diesen Nationalstaaten heraus entscheiden sich die Bedingungen des internationalen Austauschs, sei es durch finanzpolitische Regularien, sei es mittels der Durchsetzung kultureller Standards oder der Vorgabe von Modellen der gesellschaftlichen Organisation und Lebensweise. Und vor allem zeigt sich die herausgehobene Position dieser Staaten und die Rolle der USA als Führungsmacht auf militärischem Gebiet. Die militärische Komponente sichert letztlich die anderen Hegemonieansprüche und ist auch ein gewichtiges Kriterium für die ökonomische Bedeutung, macht sie doch die USA und die G7-Staaten zu den "sure havens" für jede Investition von zu akkumulierendem Kapital.
Damit kann sich eine zweite Matrix auf die höchste Form imperialer Macht beziehen. Gebildet aus den Organisationsformen, die für die alltägliche Verbreitung und Durchsetzung der kapitalistischen Ordnung jenseits des Krisenfalls sorgen. Es sind die transnationalen Firmen, die das Leben der internationalen Beziehungen ausmachen, die Verbindungen herstellen und ihnen einen Sinn geben. Und es sind zum anderen die Nationalstaaten, die für die Durchsetzung und Regulation der kapitalistischen Prinzipien sorgen. Während die transnationalen Firmen für die Kommunikation der globalen Verhältnisse sorgen, bilden die Nationalstaaten die Vermittlungsinstanzen unter der hegemonialen Machtausübung.
Als Vermittlungsinstanzen verweisen die Nationalstaaten jedoch auch auf eine dritte Ebene imperialer Macht, die in der bürgerlichen Theorie als Kollektivsubjekt, als im Staat repräsentierter Wille seiner Bevölkerung bezeichnet wird. In der Tat können im Konfliktfall auch Nationalstaaten Ausdruck der Interessen ihrer Bevölkerung gegen die hegemoniale Ordnung sein. Jedoch werden sie in dieser Funktion zunehmend von einer anderen Größe im politischen Geschehen abgelöst, die wie die Nationalstaaten zwischen vermittelnder Durchsetzung der globalen Ordnung und Interessenvertretung unterprivilegierter Schichten schwankt. Diejenigen NGOs, "die manchmal im weiten Sinne als humanitäre Organisationen charakterisiert werden, sind es, die wirklich zu den mächtigsten und bekanntesten in der gegenwärtigen globalen Ordnung geworden sind. Ihr Mandat ist weniger, die Interessen irgendeiner beschränkten Gruppe zu befördern, sondern direkt globale und universale menschliche Interessen zu repräsentieren. [...] Ihr politisches Handeln beruht auf einem universellen moralischen Aufruf - was auf dem Spiel steht, ist das Leben selbst." (313) Sie erweisen sich damit gerade aufgrund ihrer Losgelöstheit von den staatlichen Interessen als geeignete Vermittlungsinstanzen, die einerseits die Formen des Lebens an globalen Standards orientieren, andererseits aber auch die Probleme bei deren Umsetzung aufnehmen können. Der Übergang an den kapillaren Ende der Vermittlung imperialer Macht von den Nationalstaaten zu den NGOs verweist auch auf den paradigmatischen Übergang von den Disziplinarregimes, die von den Staaten und ihren Gewaltapparaten repräsentiert werden, zu den Regimes der Kontrolle, die vermittels sozialer Modelle und der Hilfsangebote der NGOs durchgesetzt werden.
Die Teilung der imperialen Macht ist damit nicht eine Aufteilung in gegensätzliche Machtblöcke, sondern eine Teilung, die nach funktionalen Unterschieden verläuft. Sie folgt kulturell dem Modell der bürgerlichen Gesellschaft in den USA, in denen die einzelnen Gewalten des Staates als ein System gegenseitiger Kontrolle und Balancefunktionen angesehen werden. Die Kräfte des bürgerlichen Staates bilden ein Netzwerk, das insgesamt die Ordnung aufrecht erhält, ohne einer einzelnen Instanz die absolute Macht eines vormodernen Herrschers einzuräumen. Die gesellschaftlichen Konflikte sollen so institutionalisiert und in standardisierten Verfahren gebändigt werden, ohne in ein gesellschaftliches Außen abgedrängt werden zu müssen, von dem aus sie zu einer Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung werden könnten. In diesem Modell lösen sich die sozialen Gruppen als Subjekte des gesellschaftlichen Prozesses auf. Sie werden unsichtbar, weil im gesellschaftlichen Prozess an ihre Stelle funktional definierte Institutionen, die auf dem Weg der Verfahrensdemokratie mit einander verkehren, getreten sind.
 

Menschenrechte, humanitäre Intervention und Universalismus

Wenn der IWF in den letzten Jahren zunehmend seine gute Zusammenarbeit mit den NGOs preist, mit denen gemeinsam Entwicklungskriterien erarbeitet, Projekte durchführt und Bewertungen (etwa auf dem Gebiet der Demokratisierung autoritärer Regime) erstellt, weist dies genauso auf die imperiale Ordnung hin, wie die Forderung humanitärer Organisationen nach militärischem Schutz oder Intervention durch Nato oder USA. Egal, ob in den ethnisierten Konflikten der Balkankriege, in den Notlagen, denen die Menschen in Afghanistan ausgesetzt waren oder in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen um Israel und einen palästinensischen Staat, immer wieder sind die Rufe nach der Intervention einer Macht zu hören, die den kapitalistischen Normalzustand garantieren kann. Die UNO spielt in diesem Zusammenhang höchstens noch die marginale Rolle eines Diskussionsforums verschiedener Kräfte, entschieden wird entweder unilateral in den USA oder - bei deutschen bzw. europäischen Vorstößen - im Rahmen der Nato. Hier sind die Mächte versammelt, die dank ihrer militärischen und ökonomischen Macht tatsächlich in der Lage sind Standards durchzusetzen. Wird die Weltpolitik als Innenpolitik angesehen, sitzt hier das Gewaltmonopol des Empires.
Ausdruck dieses Monopols ist die Verfügung über Massenvernichtungswaffen, insbesondere die Möglichkeit des Einsatzes von Atombomben. "Die Entwicklung atomarer Technologien und ihre imperiale Konzentration haben die Souveränität der meisten Länder der Welt insofern eingeschränkt, als ihnen die Macht genommen wurde über Krieg und Frieden zu entscheiden, was das herausragendste Element der traditionellen Definition von Souveränität war. Weiterhin hat so die ultimative Drohung der imperialen Bombe jeden Krieg auf einen begrenzten Konflikt reduziert, einen Bürgerkrieg, einen schmutzigen Krieg etc." (345) Die Atommächte sind zu Schutzmächten geworden, denen die Rolle zufällt, in den als begrenzt definierten Konflikten zu schlichten. Die ständige Anrufung der USA (und in minder schweren Fällen der EU), sowohl militärisch zu intervenieren als auch politisch zu vermitteln, ist ebenso Ausdruck dieses Verhältnisses, wie die gegenwärtigen Beteuerungen der USA und Großbritanniens, sich in Konflikten den Einsatz von Atomwaffen vorzubehalten seine Bekräftigung ist.
Was während des Kalten Krieges Jahrzehnte lang die Außenpolitik der USA diffamieren sollte, ihre Rolle als Weltpolizist, hat in der Weltinnenpolitik nun seine Erfüllung gefunden. Die Legitimation dafür liefert der moralische Universalismus, den die Konfliktparteien immer als ihren Standpunkt ausgeben, wenn sie eine Intervention erreichen wollen. Dabei "dient moralische Intervention häufig als Auftakt, der die Bühne für eine militärische Intervention bereitet. In solchen Fällen wird der militärische Einsatz als international abgesegnete Polizeiaktion präsentiert. Militärische Interventionen sind heute zunehmend weniger Ergebnis von Entscheidungen, die aus der alten internationalen Ordnung oder gar UN-Strukturen entstehen. Viel öfter werden sie unilateral durch die Vereinigten Staaten geboten, die sich selbst mit der ursprünglichen Aufgabe betrauen und nachfolgend die Alliierten bitten, einen Prozess des bewaffneten Zurückdrängens und/oder der Unterdrückung des aktuellen Feindes des Empires in Gang zu setzen. Meist werden diese Feinde als Terroristen bezeichnet, eine undurchdachte konzeptionelle und terminologische Reduktion, die aus einer polizeilichen Mentalität herrührt." (37)
Dieses Modell hat sich mit dem "Krieg gegen den Terror", der in Negris und Hardts zwischen dem Golf- und dem Krieg gegen Jugoslawien geschriebenen Buch noch nicht vorkommen konnte und auch nicht mitgedacht ist, auf den Terrorismus (also auf Aktionen, die nichts mehr wollen als eine Destabilisierung durch wahlloses Morden - und hierin unterscheiden sich die Anschläge auf das WTC in nichts von den Selbstmordanschlägen auf Cafés und Clubs in Israel) ausgeweitet, ohne dadurch seinen ordnungspolitischen Charakter zu verlieren. Das heißt, dass sowohl im "Krieg gegen der Terror", wie im "Krieg gegen Drogen" oder beim Eingriff in ethnisierte Konflikte nicht Expansion oder Beherrschung die Ziele sind, sondern die Beendigung einer Bedrohung der allgemeinen Ordnung. Die immer wieder auftretenden Krisen sind Ausnahmezustände, in denen die Interventionsmacht definieren kann, was notwendig ist, um dann auch in der Lage zu sein, die nötigen Schritte zur Wiederherstellung der Ordnung einzuleiten. Als polizeiliche Intervention sind solche Maßnahmen zeitlich begrenzt und sollen zu einem stabilen Zustand ohne die Anwesenheit von Interventionstruppen führen. Deshalb werden in den Konflikten anders als bei einem imperialistischen Eingriff auch immer Kräfte gesucht, die nicht nur zur Legitimation der Intervention beitragen, indem sie die USA oder EU zum Eingriff auffordern, sondern die ebenfalls nach der Situation des Ausnahmezustandes die Ordnung allein garantieren.
Die Legitimation der Intervention nicht über das internationale Recht, sondern im Sinne polizeilicher Aktionen beim Verstoß gegen universelle Werte hat aber zur Voraussetzung, dass sich für sie eine neue Grundlage ergibt. Der Universalität entsprechend beruht die Definition des Ausnahmezustandes auf einem Konsens über die Verletzung der geteilten Werte. "Das vielleicht bezeichnendste Symptom dieser Transformation ist die Entwicklung des sogenannten Interventionsrechts. Dieses wird allgemein als das Recht oder die Pflicht der dominanten Subjekte der Weltordnung bestimmt, auf den Gebieten anderer Subjekte zu intervenieren, um humanitäre Probleme zu verhindern oder zu lösen, Vereinbarung zu garantieren und Frieden zu schaffen. [...] Einzelne souveräne Staaten oder die supranationale Macht (UNO) intervenieren nicht mehr nur, wie noch in der alten internationalen Ordnung, um die Anwendung freiwillig abgeschlossener internationaler Vereinbarungen zu sichern oder durchzusetzen. Jetzt intervenieren supranationale Subjekte, die nicht durch das Recht, sondern durch Konsens legitimiert sind im Namen irgendeiner Gefährdung und höherer ethischer Prinzipien. Was hinter einer solchen Intervention steht, ist nicht nur der permanente Gefährdungs- und Ausnahmezustand, sondern ein permanenter Gefährdungs- und Ausnahmezustand, der unter Berufung auf die grundsätzlichen Werte der Gerechtigkeit gerechtfertigt wird." (18) Gerade die Variante der Pflicht zur Intervention ist dabei für den deutschen Kontext von entscheidender Bedeutung, wird doch gegenwärtig unter diesem Vorzeichen jeglicher Kriegseinsatz der Bundeswehr gerechtfertigt.
 

Realität der Postmoderne

Die Ordnung, die mit militärischen Mitteln gesichert wird, ist eine der Produktion. Und auch in diesem Bereich haben sich die Verhältnisse im Vergleich zum Imperialismus erheblich geändert. Die Ausbeutung jenseits der kapitalistischen Logik ist im Rückzug begriffen. Die Nationalstaaten, die durch ihre Definition von Innen und Außen die Konstruktionen für eine solche Teilung der Welt lieferten, werden mit ihren Grenzen zunehmend zu Hindernissen für einen Weltmarkt, der den Firmen dient, welche die zweite Ebene imperialer Macht bilden.
Für diese ist das Empire in seiner Gesamtheit Operationsgebiet. Die Abschaffung der binären Unterscheidungen zwischen Innen und Außen eröffnet für sie ein Feld der Differenzen, in dem sie ihre Marketingstrategien entwickeln und jene Produktion organisieren, die versucht unter dem Label der corporate identity die Diversitäten profitabel zu machen. "Die Aufgabe des Chefs ist es folglich, diese Energien und Differenzen im Interesse des Profits zu organisieren. Dieses Projekt wird treffend ‚diversity management' genannt. In diesem Licht erscheinen die Firmen nicht nur als ‚fortschrittlich' sondern als ‚postmodern', als führend in einer sehr wirklichen Politik der Differenz." (153) Doch diese Differenzsysteme bilden kein freies Spiel, wie es als Emanzipationsperspektive in einigen postmodernen Theorien aufscheint, in denen die Andersheit unbekümmert gelebt werden kann. Sie unterliegt vielmehr einer strengen Hierarchie und Kontrolle, die sich vor allem dort zeigt, wo die Kooperation der Differenten zum Teil der Produktion geworden ist.
Für Negri und Hardt liegt die Postmodernisierung nämlich nicht zuerst in den Theoriebildungen und Marketingstrategien. Die wirkliche Postmodernisierung spielt sich für sie im Bereich der Produktion ab, die, nachdem der Globus kapitalistisch geworden ist, nun sich selbst und ihre Voraussetzungen zum Gegenstand hat. Praktisch wirkt sich das eben darin aus, dass die kooperativen Anteile der Produktion immer wesentlicher werden. Die Internalisierung des Empire bedeutet eine Dezentralisierung der Produktion, die aber nur dadurch möglich wird, das Kommunikation und Information zu zentralen Kategorien einer globalen Ökonomie werden. Die Macht über die Verfahren der Kommunikation und die Verteilung von Information wird so zu dem bestimmenden ökonomischen Element, das eine abgestimmte Produktion überhaupt erst ermöglicht. "Die Dezentralisierung und globale Zerstreuung von Prozessen und Stätten, die für die Postmodernisierung oder Informationalisierung der Ökonomie charakteristisch ist, ruft eine korrespondierende Zentralisierung der Kontrolle über die Produktion hervor. [...] Diese Zentralisierung der Kontrolle wird aus globaler Perspektive sogar noch deutlicher. Die geographische Zerstreuung hat ein wachsendes Bedürfnis nach zentralisiertem Management und Planen, aber auch nach einer neuen Zentralisierung spezialisierter Produzentendienstleistung, besonders Finanzdienstleistungen, geschaffen. Finanz- und handelsbezogene Dienstleister in einigen wenigen Schlüsselstädten (wie New York, London und Tokio) managen und leiten die globalen Produktionsnetzwerke." (297) Die Produktion der Produktion bindet sich somit an globale Zentren.
Anders aber als in den Zeiten des Imperialismus stehen diese Zentren nicht mehr für ganze Nationalstaaten. Eher beobachten Negri und Hardt eine Mischung der Verhältnisse, so dass die Armut und prekären Lebensverhältnisse in den Vorstädten der westlichen Metropolen genauso bekannt sind, wie es Inseln des Privilegs auf der südlichen Halbkugel gibt. Die neuen Ausschlüsse entstehen entlang der sozialen Schichten. Die Angst vor Armut, Gewalt oder Arbeitslosigkeit ist dabei die entscheidende Kraft. Das heißt aber auch, dass die institutionellen Orte für die Macht im Empire immer bedeutungsloser werden. Da die Entscheidungen weder an das UNO-Headquarter noch an das World Trade Center gebunden sind, sondern in der (nach wie vor im Regelfall durch Eigentumsrechte vermittelten) Möglichkeit der Beherrschung von Verfahren liegen, muss die imperiale Ordnung als in ihrer Hierarchie dezentral angesehen werden.
Das heißt aber nicht, dass gegenwärtig eine Angleichung der Zonen zu beobachten oder auch nur zu erwarten wäre. Obwohl eine Entwicklung von Fabriken, die natürlich auf dem neuesten Stand der Technik gebaut werden, heute auch in Brasilien möglich ist, muss darauf geachtet werden, dass im Gegensatz zur Moderne die Postmoderne an Informationalisierung gebundene Maßstäbe für ein entwickeltes Niveau der Ökonomie produziert hat. Solche Differenzen haben Konsequenzen für die Arten der Ablehnung des Übergangs zum Empire. "Stark vereinfachend ließe sich argumentieren, dass postmoderne Diskurse hauptsächlich jene ansprechen, die von den Prozessen profitieren, die fundamentalistischen aber jene, die verlieren. Mit anderen Worten, die gegenwärtigen globalen Tendenzen zu verstärkter Mobilität, Unbestimmtheit und Hybridität werden von einigen als eine Art Befreiung erfahren, von anderen dagegen als Verschlimmerung ihres Leidens." (150)
Entsprechend setzt der Fundamentalismus gegen die Entwicklung die Erfindung einer Vergangenheit, die es nie gegeben hat und die damit in ihrer rein zeitlichen Struktur postmodern ist. Doch die Wiederbelebung alter binärer Differenzsysteme, die Abspaltung vom Weltmarkt und die Stärkung des Nationalstaates sind in der Ära des Empires nicht nur nicht wünschenswert, sie sind mit dem gegenwärtigen Stand der Produktion auch nicht möglich. "Selbst die dominanten Länder sind jetzt von dem globalen System abhängig; die Interaktionen des Weltmarktes haben zu einer allgemeinen Entkopplung aller Ökonomien geführt. Zunehmend wird jeder Versuch der Isolation oder Abspaltung nur eine noch brutalere Art der Beherrschung durch das globale System bedeuten, eine Reduktion auf Machtlosigkeit und Armut." (284)


Alle Zitate sind Übersetzungen aus Michael Hardt und Antonio Negri, Empire, Havard University Press 2000.
Eine deutsche Übersetzung ist soeben unter demselben Titel bei Campus erschienen.


Thomas Hauke
BgR Leipzig