Editorial

Um den Soldaten das deutsche Wesen näher zu bringen, verfasste die britische Armee 1944 ein Handbuch, das nun zum ersten Mal in deutscher Sprache erschienen ist. Ein Buch, dessen Lektüre jeden Integrationskurs ersetzen sollte. Im Leitfaden für britische Soldaten in Deutschland 1944 heißt es zum Beispiel: »Wenn Sie die Deutschen kennenlernen, denken Sie wahrscheinlich, dass sie uns sehr ähnlich sind. […] Aber sie sind uns nicht so ähnlich, wie es scheinen mag. […] Alles in allem ist der Deutsche nämlich brutal, solange er siegreich bleibt, wird aber selbstmitleidig und bettelt um Mitleid, wenn er geschlagen ist. Die Deutschen haben natürlich viele gute Eigenschaften. […] Sie sind gehorsam und lieben Sauberkeit und Ordnung über alles. Sie sind sehr an formeller Erziehung interessiert und sind stolz auf ihre ›Kultur‹ […] Doch seit Jahrhunderten sind sie daran gewöhnt, sich Autoritäten zu fügen […] Es mag Ihnen merkwürdig vorkommen, dass die Deutschen zugleich sentimental sind. Sie lieben melancholische Lieder. Sie neigen zu Selbstmitleid. Selbst kinderlose alte Ehepaare bestehen auf ihrem eigenen Weihnachtsbaum. […] Diese Mischung aus Sentimentalität und Gefühlskälte zeugt nicht von einem ausgewogenen Selbstbewusstsein. Die Deutschen haben ihre Gefühle nicht gut im Griff. Sie weisen einen hysterischen Charakterzug auf. Sie werden feststellen, dass Deutsche häufig bereits in Wut geraten, wenn auch nur die kleinste Kleinigkeit danebengeht.«

Dass kein Gefühl in Gefühlskälte steckt, spürten bereits viele der Menschen, die für ihr Bleiberecht kämpften. Beteuern von Menschlichkeit bei gleichzeitiger Abschottung gegen Flüchtende, u.a. durch Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als »sichere Herkunftstaaten«, ist ein Beispiel dafür. Die letzten Monate in Berlin zeigen deutlich, wie viel Humanität in den Behörden steckt. Der Senat vereinbart mit den AktivistInnen des Oranienplatzes, dass jede und jeder Unterkunft, Verpflegung bekommen wird und ein Abschiebestopp gilt. Eingehalten wird nichts davon. Etwa 900 PolizistInnen sollen die ehemalige Den Menschen in der Gürtelstraße wird Essen verweigert, Strom und Wasser abgestellt. Lebensmittel, die andere versuchen zu spenden, werden von den Polizist-Innen vor den Augen der Refugees gegessen. Zynischerweise wird danach behauptet, die Besetzer-Innen seien in den Hungerstreik gegangen. Politik und ausführende Organe sind es gewohnt, Asyl-bewerberInnen leise und unauffällig abschieben zu können, ihre Unmenschlichkeit wird besonders offensichtlich, wenn ihnen Protest begegnet.

Every German is a potential source of trouble. Trust none of them.

Phase 2