Editorial

Zwei Dinge sind unendlich – die Dummheit und das All. Ob es das All wirklich ist, wie die Einstürzenden Neubauten behaupten, können wir nicht mit Sicherheit beurteilen. Dass Dummheit zwar Grenzen propagiert, aber grenzenlos agiert, zeigt sich täglich. Unter anderem an den Tipps, die Gemeinden und Initiativen für Geflüchtete herausgeben. Nach der rührigen Ansprache »Liebe fremde Frau, lieber fremder Mann!« klärt beispielsweise die Gemeinde Hardheim auf: »Unsere Notdurft verrichten wir ausschließlich auf Toiletten, nicht in Gärten und Parks, auch nicht an Hecken und hinter Büschen.« Wahrscheinlich gibt es im Odenwald weder große Sportevents, linke Zentren, noch ein Oktoberfest, aber auch jedes Kleingartenspartenfest bezeugt eine andere Norm. Das gemeinschaftliche Gegen-den-Zaun-Pissen ist doch deutlich deutsche Tradition und sollte den »lieben Fremden« vielleicht erklärt werden. Ja, Hardheim ist ein unbedeutendes Kaff, aber auch wichtigere Player lassen es sich nicht nehmen, eine homogene autochthone Kultur zu imaginieren und paternalistisch weiterzugeben. Der Leitfaden der Konrad-Adenauer-Stiftung will helfen »besser mit den Deutschen und ihren Gepflogenheiten zurechtzukommen«; von Pünktlichkeit bis artiges Anstellen im Supermarkt wird kaum ein Klischee ausgelassen. Bemerkenswert ist Tipp Nummer 20 von insgesamt 30: »Alkohol trinken ist im Freien nicht gern gesehen oder sogar verboten«. Selbst mit der Einschränkung »außer an Silvester und bei besonderen Feierlichkeiten« bleibt es schlicht gelogen.

Welche Werte die katholische Kirche an Asylsuchende weitergegeben möchte, bleibt eher unklar. In dem Willkommensbeutel des Bonifatiuswerks finden sich neben einem neuen Testament in deutscher Sprache und dem Messeablauf in acht Sprachen auch ein Schlüsselanhänger und ein Zollstock. Dinge, die sicherlich niemand in einer Erstaufnahmeeinrichtung missen möchte.

Natürlich macht solche Willkommenskultur nicht an den Grenzen halt. Das österreichische Innenministerium behauptet in seinem refugee guide nicht nur, Österreich sei ein mittelgroßer Staat, sondern ruft den Asylsuchenden auch entgegen: »Sie sind in Sicherheit!«. Aber man möge sich doch an einige Regeln halten. Wer nicht so gut Deutsch kann, wird mit Hilfe von kleinen Zeichnungen auf richtiges und falsches Verhalten hingewiesen. Alten Menschen hilft man über die Straße, schwule Küsse findet man spitze, Kinder werden nicht geschlagen und jeder Mensch darf in Österreich seine Meinung sagen. Si claro, wer hätte denn auch je von Diskriminierung, Nazis oder Gewalt gegen Andersdenkende in Ösiland gehört.

Um das Dreigestirn voll zu machen, soll auch die Schweiz nicht unerwähnt bleiben. In dem Alpenland klingt deutschen Ohren Vieles niedlicher, als es eigentlich ist; Abschiebung heißt z. B. Ausschaffung. Ende Februar können die SchweizerInnen darüber abstimmen, ob die bereits beschlossene Ausschaffungsinitiative (sofortige Abschiebung jeder Person ohne Schweizer Pass nach einer Verurteilung) wortgetreu umgesetzt werden soll – ohne eine Härtefallklausel, ohne Beachtung von völkerrechtlichen Erwägungen. Gleichzeitig wird über die Initiative Für Ehe und Familie – Abschaffung der Heiratsstrafe abgestimmt. Heiratsstrafe? Im politischen Diskurs offenbar ein gängiger Begriff für die angeblich zu harte Besteuerung von verheirateten Paaren. Nebenbei würde durch die Annahme auch gesetzlich festgelegt werden, dass Ehe eine »gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau« ist.

Hopp Schwiiz!

Phase 2