Editorial

In einer sehr populären Talkshow berichtet einer der Moderatoren, ein sehr populärer ehemaliger Fußballprofi und heutiger Sportjournalist, davon, wie er zusammen mit einem anderen Spieler eine betrunkene und bewusstlose Frau in deren Wohnung mit einer großen Kerze penetrierte, inklusive eindeutiger Handbewegung. Eine Anekdote aus seiner wilden Zeit, wie man sie im Fernsehen eben so erzählt. Es seien andere Zeiten gewesen, er sei jung gewesen. Die beiden weiteren Moderatoren der Sendung – einer ebenfalls früher Fußballer – lachen und scherzen, einer kommentiert, da könne sie ja noch froh sein, dass nichts Größeres in der Nähe war. Wieder wird gelacht.

So passiert Ende April – diesen Jahres – in den Niederlanden. Schrecklich und abstoßend ist nicht nur die damalige Gewalttat, die nonchalant erzählt wird, sondern auch das heutige Setting. Eine Männerrunde, die sich ihrer gewiss ist. Warum sollte man nicht erzählen, was doch jeder weiß? Die Macht liegt bei den Tätern. Man ist sich einig: Eine Frau, die mit berühmten Fußballern ausgeht, trinkt, vielleicht sogar flirtet, muss doch wissen, dass sie dann auch abliefern muss. Was fällt ihr ein, zu kotzen und das Bewusstsein zu verlieren? Klar kann sie froh sein, dass nur eine Kerze in Griffnähe stand.
Ein kurzer Aufruhr, zwei Wochen Sendepause, dann soll die Talkshow mit den selben drei Moderatoren Mitte Mai wieder auf Sendung gehen. Diese Sicherheit, heute wie damals, weist Frauen ihren Platz auf der Objekttribüne. Trotz allem, was erkämpft wurde, bleibt der nicht-männliche Körper etwas, worüber bestimmt und verfügt wird, was reguliert und gemaßregelt wird. Reale körperliche Gewalt ist viel zu wenig Thema, wenn über den Status Quo des Geschlechterverhältnisses gesprochen und geschrieben wird. Nicht nur Femizide und Gewalt in vermeintlichen Beziehungen sind hier gemeint.
Gesetze, die Abtreibungen verbieten oder einschränken, nehmen in Kauf, dass Frauen sich Kleiderhaken einführen, nur um Zellen abzustoßen, sie nehmen in Kauf, dass Frauen verbluten. Zumindest Frauen, die nicht die Ressourcen für professionelle Hilfe besitzen.
Jungs, ihr profitiert alle von der Möglichkeit abzutreiben oder der Pille danach. Wartet nicht darauf, dass Frauen immer wieder für diese Rechte kämpfen, Ressourcen zur Verfügung stellen, Fahrten in andere Länder organisieren usw. Wo seid ihr, wenn es gilt, polnischen Frauen eine Abtreibung in Deutschland zu bezahlen? Wo seid ihr, wenn wieder ein sogenannter Marsch für das Leben aka für Gewalt gegen Frauen blockiert werden muss?
Die Antwort unserer Leser könnte sein, sie schreiben gerade einen Text gegen Identitätspolitik. Vielleicht aber auch: in der ersten Reihe!

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