Eine Wehrmachtsaustellung kommt selten allein

Aus der Bewegung für die Bewegung

Ende November 2001 wurde die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941- 44" in den Berliner Kunstwerken eröffnet. Sie tritt die Nachfolge der Ausstellung "Vernichtungskrieg, Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 44" des Hamburger Institut für Sozialforschung an, welche ziemlich genau zwei Jahre vorher von den Machern selbst aus dem Rennen genommen wurde, da Historiker die falsche Beschriftung einiger weniger Fotos nachweisen konnten.

Die neue Ausstellung arbeitet nicht mehr so stark mit Schockfotos, die Wehrmachtssoldaten bei ihrem Handwerk bzw. die Resultate ihrer Arbeit zeigt. In diese widerlichen Fotos war auch eine größere Deutungsmöglichkeit gegeben, allgemein übers das "Soldaten sein" nachzudenken. Die neue Ausstellung schlüsselt hingegen anhand des "Kriegrechts" auf, was den Krieg im "Osten" zu einem "nicht normalen" sondern zu einem Vernichtungskrieg machte. Es wird auf das individuelle Handeln der einzelnen Befehlsausführer bzw. ihre Handlungsspielräume hingewiesen und macht so sehr gut anschaulich was die Täter zu Tätern machte. Hinzu kommen eigene, zum Teil neue Kapitel über die Ermordung sowjetischer Kriegsgefangener, den Ernährungskrieg, Zwangsarbeiter und die Repression gegen die Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten und Lebensläufe einiger Täter vor und nachdem NS.
Die Ausstellung ist also für den außerordentlich geschichtsinteressierten Leser dieses Blattes zu empfehlen. Hinzu kommt, dass im letzten Teil der Wehrmachtsaustellung die eigene Geschichte porträtiert wird. Sie ist auch zugleich ein Teil der Geschichte der Antifabewegung der 90ziger Jahre. So können dort auch einige Glanzlichter des praktischen autonomem Antifaschismus bewundert werden, z.B. die Fotos der großen Bündnismobilisierung von München, der Straßenmilitanz beim Naziaufmarsch in Kiel und der direkten Angriffe im Vorfeld des Aufmarsches in Hamburg.
Für uns Bewegungslinke und Antifas wurde die Wehrmachtsausstellung ab ihrem Auftakt in München im Frühjahr 97 richtig interessant. Aus zweierlei nicht von einander zu trennenden Aspekten: Dass die gesamte politische Rechte in Deutschland von Alfred Dreggert (CDU) bis zu den hässlichen Ausgeburten Sachsens seit der "Asyldebatte" von Anfang der neunziger Jahre zum ersten mal ein gemeinsames Mobilisierungsthema hatte.
Zum anderen konnten die Trampeltiere der NPD & Co eine vorher nicht gekannte Mobilisierung auf der Straße hinlegen. Diese bescherte fast jeder Großstadt einen Naziaufmarsch. Diese fanden nun auch in vermeintlich linken Hochburgen statt, und boten uns viel Fläche, sich mal wieder auf der Straße richtig einzubringen, jenseits der üblichen Orte und Termine (1.Mai, Gorleben, ...) unserer subversiven Praxis.
Auch gab die Ausstellung so manchem Provinz- CDUler mal die Möglichkeit sein reaktionäres Geschichtsbild in der Lokalpresse zum Besten zu geben. Wogegen findige Antifas gut polemisieren und agitieren konnten.
 

Im Jahr 2001 ff alles Anders

Die sogenannte "Stahlhelmfraktion" der CDU und andere Reaktionäre hatten sich von kleinen Ausnahmen abgesehen nicht in Berlin, der ersten Station der neuen Wehrmachtsausstellung zu Wort gemeldet. Scheuen sie sich vielleicht mit den "Extremisten von Rechts" nach dem "Aufstand der Anständigen" in einem Boot zu rudern? So kann es auch an der besonderen Situation in Berlin liegen dass sie hier mehr Skrupel haben mit ihrem revisionistischen Geschichtsverständnis offen aufzutreten, und durch Spendenskandale eh schon politisch schwer angeschlagen war. So hat hier die CDU andere Problemen nach der verlorenen Wahl als sich mit so einem Randgruppenthema zu beschäftigen, wo die Fronten ohnehin schon klar sind.
Die Stiefelnazis konnten trotz intensivster Mobilisierung zu ihrem Aufmarsch am 1. Dezember nur die Hälfte ihres Erfolges von München vor knapp fünf Jahren verbuchen und zeigen, dass sie durch verschiedene Faktoren bedingt ihren Zenit schon lange überschritten haben. Auch wenn es sie noch als politisch handelnde Kraft auf der Straße auftreten können.
Die Antifa und die übrigen Reste der Bewegungslinken sollten die Aufmärsche der Nazis, die mit der Ausstellung mittouren, nutzen, mal wieder überall Aufruhr und Unfrieden zu verbreiten. So lässt sich zu diesen Anlässen für die Antifa ein größeres interessiertes Potenzial mobilisieren als sonst beim allwöchentlichen Worch & Jünger Aufmarsch in sonst wo und zwar aufgebrachte junge Leute. in die Jahre gekommene Linke und umherreisende Desperados und Polithooligans.

Grobi
Phase 2 Berlin