Es kann doch nicht so schwer sein!

Im andauernden Versuch, sich von falschen Positionen bezüglich des Islams zu distanzieren, hat der Großteil der Linken vergessen, eine eigene zu entwickeln

Diejenigen, die es mit dem Antifaschismus ernst meinen, haben seit einer Weile verstanden, dass das Programm des Islamismus kein progressives ist, nicht auf die Befreiung von irgendetwas abzielt, sondern die Versklavung der Menschheit unter höchst frauenverachtende und lustfeindliche göttliche Gebote vorsieht.

Einher geht dies mit der Bereitschaft, diejenigen, die als vorderste FeindInnen dieses Projekts ausgemacht werden, also Juden und danach VertreterInnen des dekadenten Westens sowie AbweichlerInnen in den »eigenen Reihen«, gewaltsam in die Knie zu zwingen. Aus antifaschistischer Perspektive lässt sich eine politische Gegnerschaft zum Islamismus demnach notwendigerweise herleiten und wird ja nun auch von vielen – zumindest bekenntnishalber – geteilt.

Hinter dieser so einfachen Erkenntnis hört die linke Begriffssicherheit jedoch bereits wieder auf und es scheint sich ein komplexes und unüberschaubares Feld zu eröffnen, das eine fundierte Positionierung verunmöglicht. Islamkritik zu üben, die nicht nur den militanten Islamismus, sondern ebenso den unterdrückerischen Charakter der islamischen Ideologie zum Gegenstand hat, wird deshalb als »besondere Herausforderung«Floris Biskamp, Islam, du Opfer, Phase 2, Nr. 34. betrachtet. Theoretisch und empirisch fundierte Gesellschaftskritik bedarf selbstverständlich immer einer gewissen intellektuellen Anstrengung, warum es in Bezug auf den Islam dann so schwierig wird, muss aber schon verwundern.

Die Leipziger Redaktion der Phase 2 hatte in ihrem Artikel Islamkritik und »antimuslimischer Rassismus« versucht, Grundsätzlichkeiten zu diskutieren und dabei beispielsweise erklärt, dass der Islam etwas sei, »zu dem sich die Menschen, die ihn ausüben, verhalten können.«Phase 2 Leipzig. Islamkritik und »antimuslimischer Rassismus«, Phase 2, Nr. 30. Genau auf dieses »Sich verhalten« ziele Islamkritik. Im Gegensatz dazu ginge es bei rassistischen Bezügen auf den Islam um die Fremden. Im selben Artikel wurde auch das Argument, »bei den muslimischen Gläubigen handle es sich um eine Minderheit, die aufgrund des allgegenwärtigen Rassismus eines besonderen Schutzes vor (Religions-)Kritik bedürfe« als rassistische Konstruktion entlarvt. Zwei Ausgaben später erschien der Artikel »Islamophobie« und Antisemitismus von David Schweiger, der nochmals betonte, dass ein Unterschied bestünde zwischen der politischen Kritik am Islam und einer verallgemeinernden »Zuschreibung, die in jedem Araber den Patriarchen, Sexisten und Terroristen vermutet und diese ›Eigenschaften‹ zu Teilen seiner kulturellen Identität verklärt und sie somit anthropologisch in ihn einschreibt.«David Schweiger, »Islamophobie« und Antisemitismus, Phase 2, Nr. 32. Überzeugende Argumente, die Trennlinien zwischen Kritik und Ressentiment bestimmen, wurden also bereits formuliert.

Mit seinem Artikel Von antideutschen Feministen und deutschen Freiheitskämpfer_innen hat das ASB derartige Argumentationen zurückgewiesen, ohne sich inhaltlich tatsächlich auf sie zu beziehen.Zwei Ausgaben später hat Klaus Blees in seinem Artikel »Gegen die Diskreditierung antipatriarchaler Islamkritk«, Phase 2, Nr. 37, sehr umfassend den Text des ASB einer Kritik unterzogen. Auch das ASB treibt die Frage um, warum es so unmöglich scheint, »die verrückten Mullahs im Iran und anderswo zu kritisieren und gleichzeitig Wiederherstellungsprozesse deutscher (oder weißer) Identität in der rassistischen Abgrenzung zum ›Orient‹ mitzudenken«.ASB, Von antideutschen Feministen und deutschen Freiheitskämpfer_innen, Phase 2, Nr. 35. Man könnte fast meinen, hier ginge es um ähnliche Fragen. Auf der einen Seite soll Kritik möglich sein, Rassismus aber reflektiert werden. Die Möglichkeit der Kritik taucht aber leider tatsächlich nur einmal am Ende des Textes auf. Die »verrückten Mullahs« im Iran als Trägerschicht eines Staates und als Verfechter eines offenkundigen Antisemitismus dürfen kritisiert werden, alles weitere scheint sich hingegen zu verbieten. Antideutscher Islamkritik wird in dem Artikel durchweg attestiert, entradikalisiert und rassistisch zu sein. Der Kritik an vermeintlich rassistischer antideutscher Islamkritik wird aber keine antirassistische Islamkritik entgegen gestellt. Sie scheint schlicht nicht angebracht. Frauenverachtende Verhältnisse in islamischen Gesellschaften dürfen nicht kritisiert werden, weil die »Bezugnahme auf die unterdrückten Frauen der ›Anderen‹ schon seit jeher ein grundlegendes Element rassistischer Vorstellungen« und der unkritische Rekurs »auf das bürgerliche Recht« aus »linksradikaler Perspektive« ohnehin abzulehnen sei. Weil das »Recht nicht das Machtgefüge heterosexueller Beziehungen aufheben« kann, soll es auch für die Frauen, denen es bisher verwehrt bleibt, keine Perspektive auf etwas Besseres bieten.Ebd. Die Versuche, eine antifaschistisch motivierte Kritik der islamischen Ideologie und der Zustände, die diese hervorbringt, zu formulieren, werden vom ASB nicht aufgrund etwaiger inhaltlicher Schwächen angegriffen. Wogegen sich das ASB und gleichgesinnte KollaborateurInnen der islamischen Bewegung an den Gender Studies der Humboldt-Universität zu Berlin wenden, ist die Kritik selbst. Kritik an einer Ideologie wie der des Islams funktioniert nämlich nicht ohne den Bezug auf Ideale, die etwas besseres garantieren können. Denen, die jedoch die Werte der Aufklärung als eurozentrisch denunzieren, kann es nur um Dekonstruktion gehen, die keine Richtung kennt. Sie ist demnach nicht mehr als bloße Denkübung. Das große Verbrechen des Kolonialismus war nicht, dass es die Menschenrechte gab und diese als Legitimation für seine Abscheulichkeiten herhalten mussten, sondern dass sie aus rassistischen Gründen den Kolonisierten verwehrt wurden. Genau dieser Fehler darf heute nicht unter anderen Vorzeichen wiederholt werden.

Anstatt von einer »linksradikalen Perspektive« zu sprechen, die inhaltlich nicht weiter bestimmt ist, sollten die moralischen und politischen Grundlagen kommunistischer Kritik, die beispielsweise den Kommunismus als radikalen Humanismus begreifen, vergegenwärtigt werden, um von diesen ausgehend zu entscheiden, was in Anbetracht der eigenen politischen Gestaltungsmöglichkeiten auf die politische Agenda zu setzen ist. Bürgerliche Rechte und Freiheiten, die einen Zustand beenden, in dem schlicht das Recht des Stärkeren zählt und somit die Herrschaft der Rackets allgegenwärtig ist, sind dabei Voraussetzungen. Sie ermöglichen erst, dass sich Menschen als denkende Subjekte begegnen und trotz der ihnen aufgezwungenen ökonomischen Herrschaftsverhältnisse sich ihres eigenen Verstandes bedienen können, um über die Gestaltung der Gesellschaft zu sprechen. Den RevolutionärInnen in Tunesien, die für Laizismus und Demokratie kämpfen, ist das bewusst. Die TunesierInnen und IranerInnen in ihren Kämpfen für westliche Freiheit zu unterstützen, scheint mir jedenfalls sinnvoller, als den Zuständen der frühen neunziger Jahre nachzutrauern, als die linksradikale Identität gegen das drohende Vierte Reich noch intakt war. Nicht nur das ASB, sondern alle, die der antideutschen Kritik eine linke Identität entgegenhalten, plädieren dafür, zu einem Bewusstseinszustand zurückzukehren, als man es allgemein noch nicht besser wusste und als Einzelne es deshalb auch nur schwer besser wissen konnten.

Anders als das ASB unternahm Floris Biskamp den Versuch, der Leipziger Phase 2 Redaktion und David Schweiger in seinem Artikel, dem das obige Zitat entstammt, argumentativ etwas entgegenzuhalten. Dass er dem Begriff der »Islamophobie« keine Absage erteilen will, kann ich ebenso wenig nachvollziehen, wie die Gründe, die er dafür anführt. Es lässt sich klar feststellen, dass seine Argumentation letztlich auf einen Fixpunkt hinausläuft. Die geforderte Unterscheidung von Kritik und Ressentiment hält er nämlich für nicht möglich und schreibt, dass es »keinen Lackmustest geben [wird], der eindeutig und endgültig legitime Kritik vom Ressentiment und die gute von der bösen Islamkritik scheidet.«Floris Biskamp, Islam, du Opfer, Phase 2, Nr. 34.

Die Praxis, prinzipiell Rassismus oder kolonialistisches Denken vorzuwerfen, wenn irgendwo irgendwer vom »Islam« oder »den Muslimen« spricht, erfreut sich großer Beliebtheit. Für das ASB ist ohnehin jegliche Islamkritik rassistisch und auch Floris Biskamp führt die Feststellung der Phase 2, der Islam hege »immer noch den Anspruch auf seine politische und rechtliche Durchsetzung«, auf koloniale Ideologie zurück.Ebd. Auch in der postmodernen Linken an den Universitäten hat sich diese Verfahrensweise durchgesetzt, von antiimperialistischen Gruppierungen und ihren bewegungslinken Ausläufern ganz zu schweigen. Die Unsicherheit, nicht zu wissen, wann antirassistische Interventionen berechtigt und notwendig sind, resultiert aus der Unklarheit oder dem Unwillen zu erkennen, um wen es denn nun eigentlich geht. Gemeint sind hiermit eben nicht konkrete Personen, denn in der Tat kann es sein, dass IslamkritikerIn und ordinäre RassistInnen ein und denselben Menschen mit ihrer Kritik bzw. mit ihrem Ressentiment meinen. Entscheidend sind die Kriterien der Zuordnung und die offenbaren sich eigentlich sehr deutlich.

Während die Kritik auf die AgentInnen und AnhängerInnen der islamischen Ideologie abzielt, geht es den rechten KulturalistInnen um ethnische Sortierung. Ihre Ablehnung gilt der Migration und den MigrantInnen. »Muslime« sind für sie Menschen aus fremden, mehrheitlich islamischen Ländern. In der Tat spielt der Islam als solcher hier überhaupt keine Rolle. Die Propagierung einer »islamischen Kultur«, die allen anhaftet, die aus islamischen Ländern kommen, dient nur dazu, das rassistische Konzept der Unverträglichkeit der Migration für völkisch gedachte Gemeinschaften zu unterstreichen. In den Chor der orthodoxen Muslime und kulturalistischen Rechten, die sich beide darin einig sind, dass Menschen, deren Eltern Muslime sind, gefälligst auch welche sein sollen, stimmen mit voller Inbrunst gerne auch linke AntirassistInnen ein.In ihrem Text »Identität als Spielmarke« schafft es die Gruppe TOP Berlin nicht, die von Pro-Köln gegebene Definition von Muslimen zu hinterfragen, und denkt an keiner Stelle die Möglichkeit der Emanzipation von islamischen Traditionen mit: http://top-berlin.net/?page_id=94. In der Meinung, die pauschalisierende Kritik »des Islams« treffe unberechtigterweise auch die vielen »Muslime«, die mit der reaktionären Ideologie des Islams nicht zu tun hätten, findet dies seinen Ausdruck. Ein Mensch, der aus einem islamischen Land kommt, aber sich von der islamischen Ideologie ab- oder sich ihr niemals zugewendet hatte, muss in den Augen dieser dennoch irgendwie »Muslim« sein. Die unfreiwillige Eintragung der Religionszugehörigkeit in Ausweisdokumenten entscheidet aber keinesfalls darüber, ob jemand Muslim ist oder nicht. Andererseits bleibt die Frage offen, ob zum Islam konvertierte Deutsche ohne Migrationshintergrund, wie beispielsweise der Salafistenprediger Pierre Vogel, auch Opfer rassistischer Angriffe sind, wenn ihr Treiben öffentlich kritisiert wird.

Es ist fraglich, ob die erneute Wiederholung dieser Klarstellungen tatsächlich für mehr Klarheit sorgen kann. Sie sollte in erster Linie auch die Vorrede für das nun folgende Beispiel sein. Dieses soll zeigen, dass auch der Blog Politically Incorrect nicht die Möglichkeit aushebelt, Äußerungen zum Islam in solche, die auf Ressentiment beruhen, und solche, die eine Kritik, die diesen Namen verdient, darstellen, zu unterscheiden. In den Leitlinien von PI steht folgende Aussage: »Die Ausbreitung des Islam bedeutet folglich, dass unsere Nachkommen – und wahrscheinlich schon wir selbst – aufgrund der kulturellen Expansion und der demografischen Entwicklung in zwei, drei Jahrzehnten in einer weitgehend islamisch geprägten Gesellschaftsordnung leben müssen [...]«http://www.pi-news.net/leitlinien/, vom 30. Januar 2011. Lässt sich aus islamkritischer Perspektive das Interesse, nicht in zwei, drei Jahrzehnten in einer weitgehend islamisch geprägten Gesellschaftsordnung leben zu müssen, durchaus teilen, muss die Sorge, dass dies in Konsequenz der demografischen Entwicklung geschehen könne, in aller Deutlichkeit zurückgewiesen werden. Denn auch wenn die Sozialisation in entsprechenden Communities nicht ohne Einfluss auf die Einstellung ihrer Mitglieder bleibt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Bejahung einer Ideologie vererben lässt. Die islamische Ideologie muss dementsprechend notfalls auch mit staatlichen Verboten und bildungspolitischen Maßnahmen bekämpft werden. Um auch den nach Deutschland eingewanderten oder hier in zweiter oder dritter Generation lebenden Menschen, egal woher sie kommen, die Rechte und Freiheiten zu garantieren, für die in Tunesien gerade gekämpft wird und die allen WesteuropäerInnen so selbstverständlich zugestanden werden, ist es notwendig, dass der Staat dort eingreift, wo innerfamiliäre Verhältnisse diese bedrohen. Da aber eine sich auf die islamische Ideologie stützende Erziehungspraxis systematisch bestimmte Rechte untergräbt und damit gleichzeitig die Formierung spezifisch islamisch geprägter autoritärer Charaktere begünstigt, muss sie zum Gegenstand politischer Betrachtung werden und an Schulen und in öffentlichen Einrichtungen dieser konsequent entgegengewirkt werden. Natürlich sollen Kinder nicht als TrägerInnen oder Opfer einer reaktionären religiösen Praxis angeprangert oder bemitleidet werden. Im Gegenzug ist es aber auch falsch, diese einfach aufgrund falscher Toleranz hinzunehmen und die von ihr Betroffenen alleine zu lassen. Es ginge also darum, auf der Grundlage von Aufklärung und universellen Menschenrechten in die islamische Sozialisation einzugreifen. Konkret bedeutet das, dass der Staat, da wo er die Möglichkeit dazu hat, der islamisch begründeten Entrechtung Minderjähriger Einhalt gebieten muss. Ein Kopftuchverbot ist eine von vielen Maßnahmen, die dafür geeignet wären.Für die Schreiber von PI, die aus Muslimen eine rassische Gemeinschaft machen wollen, bleibt aber nichts anderes übrig, als ein Ende der Überfremdung durch Migration zu fordern. Das liegt auch daran, dass sie sich um die Opfer der islamischen Ideologie innerhalb der islamischen Communities nicht kümmern und nur »die Deutschen« vor dem Islam schützen wollen.

Weil Vielen diese Begriffe und Zuordnungen so unklar sind und weil der Drang zur Distinktion so groß ist, wird dem gesellschaftlichen Gerede nicht eine Problematisierung rassistischer Inhalte entgegengehalten (und womöglich progressive Forderungen des politischen Mainstreams unterstützt), sondern der gesamte Gegenstand beiseite geschoben, damit man sich an diesem heißen Eisen nicht die Finger verbrennt.

Als Familienministerin Kristina Schröder kürzlich von der »Deutschenfeindlichkeit« sprach, war klar, dass es von linker Seite dazu nichts weiter zu sagen gab, als dass hier eine Parole der extremen Rechten Einzug in den Sprachgebrauch des politischen Mainstreams gefunden hat. Diese Feststellung ist keineswegs falsch, genausowenig wie die Kritik an Sarrazins Biologismus und Technokratie falsch war (einschränkend erwähnt werden muss allerdings auch, dass die Reaktionen zum Teil mehr Erschreckendes über die KritikerInnen offenbarten, die Sarrazin mit Hitlerbärtchen bereits als die Inkarnation des Vierten Reiches inszenierten). Doch sollte man auf die falsch hergeleitete und formulierte Benennung eines Problems wirklich mit der Leugnung des Problems reagieren? Den nicht-islamischen Kindern und Jugendlichen, die unter den in Konsequenz islamischer Erziehung »sich allmächtig wähnenden Jungen«Natascha Wilting, Psychopathologie des Islam, Bahamas Nr. 38, 46. zu leiden haben, weil ihnen als »Ungläubigen« kein Respekt entgegengebracht wird, hilft der Verweis auf den wenig korrekten Sprachgebrauch einer inkompetenten Familienministerin und die daraus resultierende Ignoranz gegenüber der Problematik jedoch kein Stück.

Denen, die es mit dem Antifaschismus ernst meinen und von der Islamkritik nicht lassen wollen, wird hingegen gerne vorgeworfen, dem Rassismus der Mehrheitsgesellschaft in die Hände zu spielen. Selbst der Aufruf gegen den letztjährigen Al-Quds-Tag für eine betont israelsolidarische Gegendemonstration konnte nicht den Islamismus kritisieren, ohne sich daraufhin von rechter Israelsolidarität abzugrenzen und sämtliche Auseinandersetzung mit »dem Islam« als antimuslimischen Rassismus abzutun.http://noalquds.blogsport.de/material/ Aus Angst, mit der völlig überbewerteten Fraktion um Pro Deutschland und PI womöglich verwechselt zu werden, wird auf eine Strategie verbaler Abgrenzung gesetzt, die letztlich falsche Inhalte hervorbringt. Wenn die Kritik ständig nur auf den politischen Islam oder den Islamismus zielt und zugleich andauernd von antimuslimischem Rassismus gesprochen wird, ist darin eindeutig der Versuch zu erkennen, Islamkritik in eine Schmuddelecke zu stellen.

Diejenigen, die Allahs Wort so ernst nehmen, dass sie das gesellschaftliche Leben am liebsten vollständig durch die Scharia geregelt sehen würden, stellen nicht erst dann ein Problem dar, wenn sie dafür die Waffe in die Hand nehmen. Auch der Versuch, die eigene Familie oder andere soziale Gemeinschaften diesen, gegen die Freiheit gerichteten göttlichen Regeln, zu unterwerfen, muss kritisiert werden. Der Zwang, das Kopftuch zu tragen, von dem auch Mädchen, die derartige Entscheidungen nicht eigenständig getroffen haben können, betroffen sind, ist aus feministischer Perspektive nicht hinnehmbar. Xenophobe Anfeindungen gegen Menschen, die aufgrund ihrer islamischen Kleidung als Fremde ausgemacht werden, müssen politisch natürlich ebenso bekämpft werden. Hier ein Spannungsfeld oder gar einen Widerspruch entdecken zu wollen, ergibt jedoch keinen Sinn. Entscheidend bleibt die Frage: »Wie hältst du es mit der Migration?« Gerade weil viele Menschen vor islamischen Verhältnissen in den Schutz der bürgerlichen Demokratien des Westens fliehen, gehen Islamkritik und Bejahung der Migration Hand in Hand.

Insbesondere den aus islamischen Familien kommenden in Deutschland geborenen Menschen, kann nicht als den »Fremden« begegnet werden. Es muss erlaubt sein, sowohl autochthon-deutsche Jugendliche in Schützenuniformen zu belächeln, wie auch Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die der traditionellen Folkloremusik ihrer »Heimatländer« lauschen, einen guten Musikgeschmack abzusprechen. Für eine antifaschistische Praxis ist dies aber alles nicht von Belang. Erst wenn Dieter mit seinen Freunden »Ausländer klatschen« geht oder Murat mit seinen Jungs »perverse Schwule« verprügelt, weil das seinen religiösen Ansichten widerspricht, muss nach der Motivation für diese Taten gesucht werden. In beiden Fällen ist die Hinwendung zu einer Ideologie – sei sie rassistisch oder islamisch – entscheidendes Moment. Wer nicht danach fragt, woher jemand kommt oder was er ist, sondern danach, was er oder sie denkt, hat im Wesentlichen schon verstanden, worin sich Kritik und Ressentiment unterscheiden.

Magnus Henning

Der Autor ist aktiv in der HUmmel Antifa in Berlin, die 2009 die Veranstaltungsreihe mit dem Titel »Kritik unerwünscht? Islamkritik und die Debatte um ›antimuslimischen Rassismus‹« organisiert hat.