In Motion

Extrem wichtig

Die Extremismus-Debatte treibt seit einiger Zeit in Sachsen – allerdings nicht nur hier – neue Blüten der hässlichsten Art: unterstützt von Wirtschaft und Medien diskreditiert der sächsisches Innenminister Albrecht Buttolo die außerparlamentarische Linke und links-alternative Kulturprojekte, indem er sie mittels des Begriffs des »politischen Extremismus« mit den Methoden und Theorien von Nazis gemein macht. Der Begriff suggeriert, es gäbe eine demokratische Mitte der Gesellschaft, die von extremistischen Ränder bedroht sei. Dabei wird der Unterschied zwischen dem antisemitischen, rassistischen Herrenmenschengetue der Nazis und emanzipativer linker Politik verwischt. Dies dient als Legitimation, um Repressionen gegen Linke zu verschärfen und ihren Projekten die Existenzgrundlage zu entziehen.

Angeheizt wurde die Debatte durch einen Offenen Brief Buttolos in der Leipziger Volkszeitung, in dem er sich über »linksextreme« Gewalttäter beschwerte und ihre Gefährlichkeit auf der Basis der Extremismusformel mit der von Nazis gleichsetzte. Die »Initiative gegen jeden Extremismus-Begriff« (INEX), ein Zusammenschluss von Antifagruppen, Kulturprojekten und Einzelpersonen reagierte darauf ihrerseits mit einem Offenen Brief, in dem sie auf die Gefahr des Extremismus-Begriffs und seinen ideologischen Gebrauch hinwies und zum Kampf gegen Nazistrukturen und -ideologien in der Mitte der Gesellschaft und überall aufrief.

Am 15. Mai wurde anlässlich beschriebener Entwicklungen in Leipzig erfolgreich eine Veranstaltung des Bürgerkomitees Leipzig e.V. in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Arbeitskreis in der CDU/CSU unter dem Titel »Politischer Extremismus und seine Wahrnehmung in Deutschland. Die langen Schatten der Vergangenheit.« kritisiert und gestört. Der geladene Referent und Ziehvater der »Extremismusthese«, Prof. Eckhard Jesse, der gelegentlich auch revisionistischen Nazikreisen nahe steht, und sich in der Vergangenheit durch antisemitische Äußerungen positionierte, wurde u.a. durch »kritische Nachfragen« aus dem Konzept gebracht.

Satan, Beelzebub oder nur ein linker Gewerkschaftler

Am 16. Juli 2008 fand vor dem Erfurter Landgericht der zweite Verhandlungstag im Verfahren gegen Angelo Lucifero, den ehemals hauptamtlichen Sekretär der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Thüringen statt. Lucifero hatte sich am 15. März 2007 mit einer Schreckschusspistole gegen einen Angriff von Neonazis auf einer Demonstration gegen Sozialabbau zur Wehr gesetzt. Statt die AngreiferInnen zu verurteilen, wurde ihm von Seiten der Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung sowie Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen und ein Strafbefehl über ein Jahr Gefängnis auf Bewährung erlassen.

Dem nicht genug: Thomas Voß, der Landesbezirksleiter von ver.di, erteilte Lucifero für seinen antifaschistischen Einsatz erst mit den Worten »Wir können und wollen uns nicht der gleichen Mittel bedienen, wie man sie auch aus dem rechtsradikalen Raum kennt« eine Abmahnung und suspendierte ihn am 14. Dezember 2007 ganz vom Dienst. Als Gründe für die Suspendierung gab er an, Lucifero habe »in unzulässiger Weise persönliche politische Arbeit auf Kosten und mit Mitteln der Gewerkschaft ver.di betrieben«. Hatte noch im Herbst 2007 der ver.di-Bundeskongress per Beschluss alle Mitglieder und die Öffentlichkeit aufgefordert, immer, in allen Formen und mit allen Mitteln gegen Rechtsextremismus in all seinen Spielarten vorzugehen, zeigte sich jetzt, dass dies nur ein pressewirksames Lippenbekenntnis, statt einer antifaschistischen Positionierung war. Gegen die Suspendierung setzte sich Angelo Lucifero erfolgreich zur Wehr: Die mittlerweile mit ver.di geschlossene Vereinbarung sieht vor, dass er ab 1. Februar 2010 wieder als politischer Sekretär bei ver.di (jedoch nicht im Landesbezirk Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen) arbeiten soll. In der Zwischenzeit wird er, mit einem Jahr Freistellung, bei einer Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Initiativen tätig sein. Auch das Verfahren am Erfurter Landgericht konnte vorerst zu seinen Gunsten beigelegt werden, weil Lucifero aufgrund erheblicher Schwerhörigkeit und einem starken Tinnitus für verhandlungsunfähig erklärt wurde. Es bleibt zu hoffen, dass er auch auf politischer Ebene von der Anklage frei gesprochen wird.

Kulturnation Deutschland

600.000 BesucherInnen werden vom 3.–5. Oktober dieses Jahres in Hamburg erwartet, um den Tag der Deutschen Einheit rund um Hafencity und Speicherstadt zu feiern. Organisiert von der Agentur Inferno Events steht der diesjährige 3. Oktober unter dem Motto »Kulturnation Deutschland«, und soll die »Qualität und Vielfalt der deutschen Kultur« von Oper bis Samy Deluxe vorstellen. Auch so genannte alternative Teile der Hamburger Kulturszene feiern fröhlich mit, denn die Liebe zum Land ist längst kein Makel mehr und WM und EM waren doch so schön friedlich. Warum aber Nation und Staat auch »schön« und »friedlich« abzulehnen und gemeinsam mit dem Kapitalismus aufzuheben sind und ob Deutschland normaler Staat oder weiterhin Spezialfall ist, wie deutsche Popkultur mit Patriotismus und Nation mit Geschlecht zusammenhängen, soll eine Veranstaltungsreihe im Vorfeld des 3. Oktober 2008 darlegen und diskutieren. Organisiert wird diese von einem Hamburger Bündnis, welches ab sofort unter »gegen0310.wordpress.com« Termine zur Veranstaltungsreihe und zu den Gegenaktionen veröffentlichen wird. Ein zweites Bündnis aus Autonomen- und Antifagruppen ruft unter »antifahamburg.blogsport.de« zu einem linksradikalen Aktionswochenende vom 3. bis 5. Oktober 2008 in Hamburg auf. In Planung sind eine Demonstration, Seminare und Workshops sowie Konzerte und Partys.

Rote Flora

Seit sich CDUlerInnen mit grünen Multikultis in Hamburg die Macht teilen, lassen sich ganz neue Formen deutscher Leitkultur beobachten. So erinnert die Stürmung des linken Kulturzentrums Rote Flora am Morgen des 6. Juli an Geschichten, die doch angeblich nur in islamistischen »Tugendterrorreichen« passieren. Ein Mann hatte in der Kneipenzeile vor der Flora seine Freundin im Streit gewürgt und wurde dann anscheinend von zivilcouragierten Linken mittels Pfefferspray gestoppt. Die herbeigeeilte Polizei versuchte, nicht nur den Würger, sondern auch die Sprayer für ihr Eingreifen in den sexistischen Übergriff zu verhaften. Umstehende scheinen das mit Flaschenwürfen honoriert zu haben. Daraufhin haben sich die BeamtInnen an ihre Schulungen erinnert. In diesen wird Hamburger PolizistInnen nach Informationen der taz beigebracht, wie die Flora juristisch wasserdicht zu stürmen sei. Einsatzführer Hartmut Dudde soll in Dienstbesprechungen erläutert haben, dass bei Flucht von Tatverdächtigen in die Flora diese zu umstellen sei, um eine erst Stunden später erfolgende Razzia vor Gericht rechtfertigen zu können. Offensichtlich ist die Logistik eines Einsatzes der Bereitschaftspolizei mit Wasserwerfern, Panzern, Helikoptern und Räumgerät zum Zerstören sämtlicher Türen – trotz angebotener Schlüsselnutzung – so aufwändig, dass Zeitverzug unumgänglich ist. Aber Flora-Razzien sind in der Polizeistrategie zu jedem sich bietenden Anlass vorgesehen. Die neue Linie der Hamburger Koalition scheint zu sein, im Dialog mit dem Islam die iranischen Tugendwächter grün vor Neid werden zu lassen. Aus Teheran war bisher zumindest noch nicht zu hören, dass gegen AntisexistInnen mit Großeinsätzen der politischen Polizei vorgegangen wird.

Islamismus nicht gleich Islam

Vom 19. bis zum 21. September 2008 treffen sich Europas Rechtspopulisten in Köln zu einer »Anti-Islamisierungskonferenz«. Eingeladen von der extrem rechten Bürgerbewegung pro Köln werden dort prominente Rechte wie Jean Marie Le Pen vom Front National und Heinz-Christian Strache von der FPÖ auftreten. Die Konferenz findet vor dem Hintergrund eines zunehmenden Ressentiments gegen MuslimInnen statt, das quer durch die Gesellschaft geht. Dass die Rechtspopulisten von dieser Stimmung profitieren und sich gar zur Schaumkrone einer rassistischen Welle aufschwingen können: Dies gilt es zu verhindern. ...Ums Ganze! mobilisiert daher zu einer Vorabenddemo am Freitag, den 19. September, in der abseits von mehr oder weniger politisch vermittelten Blockaden die Kritik praktisch werden soll. »Regressive Antworten auf die Übel des kapitalistischen Normalzustands sind anzugreifen sind, ob es sich um den antimuslimischen Rassismus der Rechten oder der politisch-sozialen Bewegung des Islamismus handelt.« Im Vorfeld dieser Aktion soll ein Aufruf veröffentlicht werden, der sich strategisch mit der weitgehenden Sprachlosigkeit der radikalen Linken angesichts dieser rassistischen Stimmung auseinandersetzt und sich speziell dem hauptsächlichen Hindernis einer Kritik dieser Stimmung widmet: Dem Islamismus, der nicht mit dem Islam gleichgesetzt werden kann. Zu den Themen dieses Komplexes wird ...Ums Ganze! in verschiedenen Städten eine Reihe von Veranstaltungen durchführen. Mehr Infos hierzu demnächst auf: umsganze.blogsport.de

Keine Unterstützung durch die Rote Hilfe zur Abstimmung

Die Rote Hilfe Ortsgruppe Bochum-Dortmund und die Kommunistische Gruppe Bochum stellten vor einigen Wochen auf der Bundesdelegierten-Konferenz der Roten Hilfe den Antrag, dem Initativ e.V. aus Duisburg jegliche Unterstützung zu verwehren. Nachdem dem Verein durch staatliche Behörden die Gemeinnützigkeit entzogen wurde, erhoffte er die Solidarität und Unterstützung durch die Rote Hilfe. Jedoch habe der Initiativ e.V. den Minimalkonsens, den es innerhalb der Linken geben sollte, verlassen, hieß es zur Begründung in dem Antrag.

Der Initativ e.V. diskreditierte sich bereits vor einigen Jahren mit seiner Beteiligung an der Kampagne »10 € für den irakischen Widerstand« völlig und sorgte für heftige Debatten in der Linken. Darüber hinaus beziehen sich ihre Mitglieder immer wieder gerne positiv auf allerlei reaktionäre Organisationen wie die Hamas oder Hizbollah. Nun konnte bis zum 13. Juli der Antrag der Rote Hilfe Ortsgruppe mit einer Unterschrift unterstützt werden.