Kryptofaschistischer Japan-Fetisch

Von der Vorbildfunktion Japans für rechte Diskurse in Deutschland 

Die Neue Rechte fetischisiert Japan. Japan liefert politische und kulturelle Chiffren und Symbole, mit denen die Vertreter:innen der Neuen Rechten Dinge sagen können, ohne sich dafür als Faschisten entlarven zu müssen. Japan ist fester Bestandteil dessen, was die Neue Rechte selbst als »Metapolitik« bezeichnet. Metapolitik, das ist eine durch den Begründer der französischen »Nouvelle Droite« Alain de Benoist geprägte neurechte Strategie, die auch als »Kulturrevolution von rechts« bezeichnet wird. Bei dieser Strategie wird sich paradoxerweise auf einen Denker bezogen, der auch eine zentrale Position im Denken der postmarxistischen Neuen Linken einnimmt, nämlich auf Antonio Gramsci und dessen Konzept der »kulturellen Hegemonie«. Konkret wird mit der metapolitischen Strategie versucht, zustimmungsfähige Ideen in der »vorpolitischen« Sphäre der Kultur zu verbreiten und zu hegemonialisieren. Durch die geschickte Platzierung eigener rechtspopulistischer und neurechter Konzepte in der medialen Öffentlichkeit soll nicht nur deren sprachlicher Verbreitung Vorschub geleistet werden, sondern einer »Normalisierung« der sich dahinter verbergenden antifeministischen oder rassistischen Ideologien. Bewusste  

Überschreitung der Grenzen des öffentlich Sagbaren und die möglichst häufige Wiederholung der eigenen Begriffe und Themen sind zentrale Momente der neurechten Diskursstrategie, die unter Ausnutzung der sozialen Medien geschickt miteinander gekoppelt werden. 

Neben der bloßen quantitativen Wiederholung hat diese metapolitische Strategie eine »qualitative« Dimension. Denn die Aussagen der Neuen Rechten und der Rechtspopulist:innen unterscheiden sich insofern von den Äußerungen »dummer« Nazis, als sie auf den Einsatz einschlägiger nationalsozialistischer oder faschistischer Chiffren oder Symbole im öffentlichen Diskurs verzichten. Stattdessen verwenden sie unverfänglichere , die dennoch rechte Inhalte und Themen transportieren. Ziel ist es, dadurch bestimmte soziale oder politische Themen neu zu kontextualisieren. Dies gelingt mithilfe kryptofaschistischer   Kampfbegriffen wie »Der große Austausch«. Auch werden positiv oder neutral verwendete Begriffe in ihr Gegenteil verkehrt, was zum Beispiel in der zynischen Verwendung der Wörter »Gutmensch« (für Geflüchetenhelfer:innen) oder »Fachkräfte« (für Geflüchtete) zum Ausdruck kommt. Die Gegner der metapolitischen Strategie sind offensichtlich; ganz gezielt sollen etablierte Medien oder politische Parteien destabilisiert werden, ehe neurechte Parteien in einem nächsten Schritt politische Verantwortung in den Institutionen übernehmen . 

An der metapolitischen Bezugnahme auf Japan, um die es im Folgenden ausführlicher gehen soll, lässt sich die Funktionsweise dieser Strategie sehr gut Zudem lässt sich an ihr zeigen, dass es sich bei der Neuen Rechten längst um ein globales Phänomen handelt. Denn die unterschiedlichen neurechten Bewegungen beziehen sich nicht nur fast alle in irgendeiner Form auf Japan, sondern sie sind zudem extrem gut personell und ideologisch miteinander vernetzt. Nicht nur in der Neuen Rechten im deutschsprachigen Raum, auch in der nordamerikanischen Alt-Right oder durch den ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten Trump hat Japan eine weitreichende Fetischisierung erfahren. In deren Imagination gilt »Japan« als vorbildhaft in der Umsetzung zentraler politischer Ziele der neurechten Bewegung. Dazu gehören eine revisionistische Umschreibung der Nachkriegsgeschichte, die misogyne und maskulinistische Bekämpfung des Feminismus und das gegen eine liberale Migrationspolitik in Stellung gebrachte Selbstbild Japans als einer monoethnischen Nation. 

 

Geschichtsrevisionismus und Migrationspolitik 

Bereits auf dem Kyffhäusertreffen 2019 im thüringischen Leinefelden, der jährlichen Zusammenkunft des inzwischen offiziell aufgelösten rechtsextremen Flügels der Alternative für Deutschland (AfD), hat Björn Höcke ausdrücklich die »identitätserhaltende« restriktive Migrationspolitik Japans gelobt, die Vorbildcharakter für Deutschland habe. In Japan finde, so argumentierte Höcke geschichtsrevisionistisch, »keine Vergangenheitsbewältigung statt, die die Zuwanderung als historisch-moralische Pflicht verkauft«. Nur wenn auch Deutschland den »japanischen Weg« einschlage, so Höcke weiter, bestehe eine Chance, dass von Deutschland und Europa in »zwanzig oder dreißig Jahren« mehr übrig sei, als der bloße Name. Als Urheber dieses Vorschlags nennt Höcke den Referenten der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Jan Moldenhauer. Er hat die Studie Japan – Auf dem Weg zum liberalen Einwanderungsland? verfasst. Mit seiner Strategie war der extreme Rechtsausleger Höcke so erfolgreich, dass auf dem Bundesparteitag der AfD im April 2021 Japan statt Kanada als Vorbild für eine restriktive Einwanderungspolitik im Wahlprogramm verankert wurde. 

Dieser Vorstoß war lange vorbereitet gewesen. Denn rechtsextreme Think Tanks hatten Japan bereits viel früher für sich entdeckt. Martin Lichtmesz, Autor der durch das Institut für Staatspolitik herausgegebenen Zeitschrift Sezession, hatte bereits 2016 den Mythos einer »ethnisch und kulturell homogenen« Nation als Gegenentwurf zur europäischen Einwanderungspolitik in die Diskussion eingebracht, die den »inneren Frieden über die Entwurzelung und Vermassung« der Bevölkerung gefährde und der »Vorherherrschaft einer islamischen Monokultur« Vorschub leiste. Dass Japan diesen Gefahren nicht ausgesetzt ist, sei vor allem der nationalkonservativen Politik des ehemaligen)liberaldemokratischen Regierungschefs Shinzō Abe zu verdanken. Vielmehr habe man in Japan , so kolportierte bereits Jan Moldenauer den LDP-Abgeordneten Shigeharu Aoyama, vom Versagen Deutschlands lernen müssen. Steve Bannon, der ehemalige Berater Trumps, hatte den japanischen Premierminister Abe anlässlich seines Japanbesuches im Mai 2019 als »Trump vor Trump« bezeichnet. 

Der Geschichtsrevisionismus in Japan wird in der Neuen Rechten und unter Rechtspopulist:innen in Deutschland als vorbildhaft für den Kampf gegen einen durch die alliierten Besatzer nach dem Zweiten Weltkrieg oktroyierten »Nationalmasochismus« angesehen. Ziel des Geschichtsrevisionismus in Japan wie in der Neuen Rechten ist eine außenpolitische und historische »Normalisierung« beider Länder. Im Zentrum steht vor allem die Umdeutung der Kriegsverbrechen, die Japan und Deutschland im Zweiten Weltkrieg begangen haben. In öffentlichkeitswirksam platzierten Grenzüberschreitungen bezeichnete der AfD-Politiker Alexander Gauland die Geschichte des Nationalsozialismus als »Fliegenschiss« im Vergleich zur ansonsten glorreichen deutschen Kulturgeschichte. Björn Höcke gilt das Berliner Holocaust-Mahnmal als selbstzerstörerisches »Mahnmal der Schande«. In Japan wird von einer durch die Alliierten oktroyierten Geschichtsschreibung (Tōkyō saiban shikan) oder von der »Trostfrauenlüge« (i’anfu mondai netsuzō) gesprochen, um die systematische sexualisierte Gewalt an Frauen zu relativieren, die während des Zweiten Weltkrieges zwangsprostituiert wurden. Im Rahmen einer Bildungsreform soll der auf einer vermeintlich  »masochistischen« Geschichtsauffassung beruhende »antipatriotische« Geschichtsunterricht in Japan durch ein Curriculum ersetzt werden, das die Formung einer »gesunden« patriotischen Jugend begünstigt. Sowohl in Japan als auch in der deutschen Neuen Rechten ist es erklärtes Ziel, sich aus der außenpolitischen Abhängigkeit von der US-Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg zu befreien und die Entstehung eines nationalen Selbstbewusstseins zu forcieren. 

Selbst wenn dieses nationalistische Projekt in Japan zwar weit gediehen, aber selbstverständlich auch dort bei weitem noch nicht vollständig abgeschlossen ist, betont etwa der neurechte Japanologe Winfried Knörzer, dass Japan nach dem Krieg gelungen sei, was für Deutschland bis heute nur »Wunschtraum« ist, nämlich eine selbstbewusste Nation zu sein. Zu verdanken sei dies dem Fortbestand des japanischen Kaiserhauses, durch das eine Figur der symbolischen Integrität erhalten geblieben sei, dessen Kontinuität die Vergangenheit und Gegenwart zu einer Einheit zusammenfüge, argumentiert Knörzer in einem Beitrag für die Zeitschrift Sezession. In der Bundesrepublik hingegen hätte »der Mythos der Stunde Null die deutsche Geschichte vor 1945 zu einem Schreckbild des Bösen verteufelt«. Dass Knörzer den japanischen Kaiser, sprich den Tennō, in das Zentrum seiner revisionistischen Argumentation stellt, hat auch in der Ideologie der japanischen Neuen Rechten Tradition. Bekanntestes Beispiel über die Grenzen Japans hinaus dürfte das literarische Schaffen des Schriftstellers und Schauspielers Mishima Yukios sein, der in seinem Werk ebenfalls die herausragende Rolle des japanischen Kaisers als symbolische Integrationsfigur Japans betont. 

 

Yukio Mishima: Maskulinismus und Todessehnsucht 

Für die Neue Rechte in Europa, wie für die vornehmlich männlichen Vertreter der Alt-Right in den USA, fungiert die Figur Mishima als Code für Gewalt, Diktatur und Putsch gegen eine durch die USA dominierte Nachkriegsordnung, schreibt der Journalist Michael Bonvalot. Mit dem Bezug auf Mishima könnten Eingeweihten klare Botschaften vermittelt werden, wozu der Aufbau einer Privatarmee als Weg, der Militärputsch als Mittel, die autoritäre Gewaltherrschaft als Ziel einer veränderten Ordnung zählten. Ganz im Sinne der strategischen Selbstverleugnung wird Mishima als nicht explizit faschistische, sprich »unverdächtige« Chiffre für neurechte metapolitische Standpunkte verwendet. Mishima sei eine Ikone der Neuen Rechten in Europa wie den USA, so der Japanologe Gavin Walker, die sich einreiht in eine »wirre Zusammenstellung von sich ›gegen die moderne Welt‹ richtenden Denkern, die vom absurden italienischen Mystiker Julias Evola bis zu Ernst Jünger reicht«.  

Auch der mit der neurechten amerikanischen Influencerin Brittany Pettibone verheiratete Frontmann der österreichischen Identitären Bewegung Martin Sellner verehrt Mishima. Bevor sein Twitter-Account Ende 2020 gelöscht wurde, hat er dieser Bewunderung mehrfach Ausdruck verliehen: »ich mag Japan extrem gern wegen mishima« (sic.), twittert Sellner im Sommer 2016, und »Mishima und Todessehnsucht am Morgen :D« in einem weiteren Tweet. Auch der neurechte Publizist Martin Lichtmesz ist bekennender Mishima-Fan; mit ihm hat Sellner anlässlich des fünfzigsten Todestages von Mishima im November 2020 einen YouTube-Beitrag produziert. 

Mishima steht nicht nur wegen seiner geschichtsrevisionistischen und umstürzlerischen Ansichten hoch im Kurs, sondern auch wegen seiner maskulinistischen Todessehnsucht. Denn Mishima hat sich bei einem gescheiterten Putschversuch e von ihm gegründeten paramilitärischen Truppe Tate-no-kai (Schildgesellschaft) im November 1970 das Leben genommen, und zwar im Stile eines rituellen Suizids (seppuku). In Japan »muss sich niemand mehr jenseits der Identitären terroristisch radikalisieren. Hier ist die potentielle Terror-Ideologie bereits fertig aufbereitet«, so lautet die chiffrierte Botschaft der Mishima-Verehrung. Mishima fungiert in der Neuen Rechten als Blaupause für »faschistische Milizen, Putsch, Machtergreifung«, schreibt Michael Bonvalot. Aber der durch Bodybuilding trainierte Schriftsteller steht nicht nur für den revolutionären Kampf gegen eine korrumpierte staatliche Obrigkeit. Er verkörpert zudem eine sich durch Tatkraft und Todessehnsucht auszeichnende toxische Männlichkeit, wie sie auch in europäischen und nordamerikanischen rechten Kreisen zelebriert wird. Andere Autoren der Sezession sehen im Handeln Mishimas das Ethos des japanischen Soldatentums und Samurai-Geistes, Werte also, die ebenso von Heinrich Himmler zum Leitbild für die SS erklärt wurden. Martin Semlitsch, ein eher im Hintergrund agierender, aber nicht ungefährlicher Theoretiker der Identitären Bewegung, sieht in Mishima einen Dichter und Träumer, den »ein verlockender Hauch des Hades umgab«. Die Kultivierung eines maskulinistischen Todestriebs beginnt schon in der Jugendarbeit der Neuen Rechten. Mishimas Selbstmord sei keine Niederlage gewesen, sondern das völlige Aufgehen im Körperlichen, heißt es dazu in einer Ausgabe des neurechten Chemnitzer Jugendmagazins Blaue Narzisse. 

Mishima eignet sich allerdings nicht nur aufgrund seiner offen zur Schau gestellten Maskulinität und seines Tennō- Nationalismus als Integrationsfigur für die globale Neue Rechte, sondern auch wegen seines Querfrontdenkens. Bei einem Gespräch mit linken Studierenden während der Studierendenunruhen im Sommer 1969 betonte er als Gemeinsamkeit zwischen links und rechts, insbesondere den gegen das System gerichteten, revolutionären Standpunkt. Auch in dieser Hinsicht hat die Neue Rechte von ihm gelernt. Seine  nihilistischen und mystizistischen Standpunkt machen ihn anschlussfähig für eine Bewegung, die »sich nicht mit der Politik als solcher befasst, sondern mit einer Metapolitik der Haltungen und Gesten, Auseinandersetzung als Stil, anstatt sich Einzusetzen für etwas», so schreibt der Japanologe Gavin Walker. Gerade weil Mishima sich nicht auf einen ideologischen Standpunkt festlegen lässt und ironisch mit nationalistischen Symbolen und Chiffren spielt, ist er so attraktiv für die zynisch-konnektive und metapolitische Strategie der Neuen Rechten und lässt sich problemlos in deren Mobilisierungsstrategie eingliedern. 

Seine Popularität beschränkt sich deshalb nicht nur auf intellektuelle Kreise, sondern ist fester Bestandteil in der Symbolik neu-rechter Subkultur geworden. Ein bekannteres und älteres Beispiel dafür ist die Neofolk-Band Death In June, bekannt für ihre auf Tabubruch angelegte Verwendung faschistischer Symbole und Codes. Insbesondere in den 1980er Jahren standen gleich mehrere LP-Alben der Band unter dem ästhetischen Einfluss einer intensiven Mishima-Rezeption. Nicht nur in der Musik, auch über andere populärkulturelle Medien verbreitet sich die Mishima-Bewunderung. Im Sommer 2021 ist eine Graphic Novel über Mishima im neurechten Comicverlag Hydra erschienen, hinter dem sich das rechte Netzwerk Einprozent verbirgt. Dieses gilt »als wichtige Vernetzungsplattform für extrem rechte Initiativen und als Schnittstelle zwischen AfD, Akteuren der sogenannten ‚neuen’ Rechten und dem klassischen Neonazi-Spektrum«. Geschäftsführer des -Verlags ist der ehemalige Bundesvorsitzende des NPD-Jugendverbandes Junge Nationaldemokraten Michael Schäfer. Auch die Zeitschrift Sezession bewirbt nicht nur den Verlag sondern explizit auch den Mishima-Comic. Unverhohlen wird in einer Rezension das metapolitische Anlegen formuliert, mittels der Popkultur den »subtilen Transport der eigenen politischen Überzeugungen« zu erreichen. Gleiches gilt für die Verbreitung des Denkens von beispielsweise Ezra Pound, der den Faschismus unterstütze, Carl Schmitt, dem Kronjurist des Nationalsozialismus und dem Gründer der militanten Terrororganisation l' armée secrète Dominique Venner. Diese Aneignungs- und Verbreitungsstrategie ist nicht nur weniger abschreckend für eine breitere Öffentlichkeit, sie schützt zudem vor Strafverfolgung. 

In den Webshops neurechter Verlage steht ein vielfältiges Angebot an Mishima-Merchandiseprodukten zum Verkauf. Kunstdrucke oder Kaffeetassen mit dem Konterfei Mishimas sind auf der Hydra-Verlagsseite zu erwerben; beim in Österreich ansässigen, neurechten Verlags Phalanx Europa gibt es Mishima-Poster und T-Shirts. Auf einem der Poster ist Mishima mit nacktem Oberkörper und Samurai-Schwert zu sehen, darunter das Zitat: »Ein Mann zu sein bedeutet, stets und ständig höher zu streben, nach dem Zenit der Männlichkeit, und schließlich dort zu sterben, umgeben vom weißen Schnee dieses Gipfels«. 

 

Verschobener Diskurs 

»Wir sind keine Nazis«, lautet nicht selten die Beteuerung neurechter Protagonisten. Das ist nur insofern richtig, als die Neue Rechte sich nicht der szenetypischen nationalsozialistischen Chiffren und Codes bedient. Die kryptofaschistische Metapolitik agiert hingegen ganz bewusst in einem Feld der juristischen Unschärfe und diskursiven Zwischentöne, in dem sich jederzeit darauf berufen werden kann, etwas nur »aus Spaß« gesagt zu haben oder aus dem Kontext gerissen zitiert worden zu sein. Die sozialen Medien haben jedoch dafür gesorgt, dass sich neurechte Identitäts- und rechtspopulistische Parteipolitik längst effektiv verbunden haben und sich wechselseitig verstärken. Die Bezugnahme auf Japan zeigt, dass es sich nicht nur um zufällige Einzeläußerungen handelt. Über Jahre hinweg hat die Neue Rechte strategisch an einem Japanbild gearbeitet, das sich nun als Chiffre oder Code für rechte oder faschistische Positionen einsetzen lässt. Durch die Betrachtung dieses durch die sozialen Medien miterzeugten Gesamtbildes ist es möglich nachzuvollziehen, wie hart erkämpfte Normen und Regeln des kulturellen und politischen Miteinanders in den letzten beiden Jahrzehnten durch gezielte metapolitische Strategien destabilisiert werden konnten. Eine Destabilisierung, die zu einer Verrohung der Sprache führen, und im allerschlimmsten Fall den Nährboden für Rechtsterrorismus bereiten kann. 

 Soziale Medien haben dazu beigetragen dass sich Anhänger der Neuen Rechten, trotz unterschiedlicher lokaler Ausprägungen erfolgreich international vernetzt haben und sich gegenseitig aufeinander beziehen. Nur so ist es zu verstehen, dass neurechte Akteur:innen oder AfD-Politiker:innen in Deutschland den restriktiven »japanischen Weg« der Migrationspolitik als Mittel gegen den »großen Austausch« ebenso überschwänglich loben wie das Trumpist:innen und die Alt-Right in den USA tun. Auch umgekehrt lassen sich in der Gedankenwelt der Neuen Rechten oder den hinterlassenen Manifesten amerikanischer oder deutscher Rechtsterroristen identische misogyne Verweise auf die japanische Manga- und Animekultur oder den nationalpatriotischen japanischen Schriftsteller Mishima Yukio finden. Dieses Repertoire von Diskursfragmenten, Memes und Chiffren einer globalen neurechten Internetkultur ist für Nichteingeweihte unzugänglich und hat aufgrund seiner kryptofaschistischen Natur zum Instrument transnational vernetzter neurechter Mobilisierungsbestrebungen werden können. 

 

Fabian Schäfer 

Der Autor forscht an der Universität Erlangen-Nürnberg u.a. zu Sozialen Medien und neurechten Diskursen in Japan und Deutschland. Er pendelt zwischen Nürnberg und Berlin.