Nochmal von vorn

Einleitung zu einer möglichen Sexismusdebatte in der phase zwei und einem gescheiterten Schwerpunkt in dieser Ausgabe.



Eigentlich hatte die Lage sich ja längst beruhigt. Die Debatte um den Umgang der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) mit Vergewaltigern hatte zwar keinen Abschluß gefunden, war aber weitestgehend abgeflaut. Die Vielzahl von Gruppen und Zusammenhängen, die sich in diesem Zusammenhang eine Meinung pro oder kontra "Definitionsrecht" gebildet hatten, haben diese Meinung und ihre daraus resultierenden Konsequenzen veröffentlicht. Auf dem Antifakongreß in Göttingen konnte sogar mit der AAB deren aktualisierte Position diskutiert werden. Und im ganzen Land begann wieder Ruhe in der Sexismusfrage einzukehren.
Doch auf wie wenig Selbstverständlichkeit daraus tatsächlich geschlossen werden kann, zeigte sich schon bei der ersten Ausgabe dieser Zeitschrift. Als es um eine Nachbereitung der in Göttingen geführten Diskussion ging, gelang es innerhalb der Redaktion nicht, eine Position zum Umgang mit den Sexismusvorwürfen gegen die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation oder zu den Standpunkten der AAB bis zur Veröffentlichungsreife zu entwickeln. Für derartige Beiträge, so wurde einhellig eingeschätzt, bedürfe es einer inhaltlichen Auseinandersetzung, statt einfacher Statements.
Das bedeutete in der Konsequenz, die Bearbeitung der Thematik Sexismus auf die zweite - also diese - Ausgabe zu verlegen, um sich ihr umfassender widmen zu können. Entsprechend war für diese Ausgabe neben der Beschäftigung mit den Protesten gegen Globalisierung auch Sexismus als Schwerpunkt geplant. Dieses Vorhaben ist gescheitert, da wir mit den beiden vorliegenden Texten zur Einordnung der Debatte um den Umgang mit Vergewaltigungen und das "Definitionsrecht" in eine allgemeinere Sexismusdiskussion zwar einen Anfangspunkt für eine Wiederaufnahme der Diskussion jenseits der Auseinandersetzung mit einem aktuellen Fall vorliegen haben, aber den Ansprüchen an Umfang und inhaltlicher Umfassendheit für einen Schwerpunkt nicht gerecht wurden.
Da hilft es wenig, dass dies alles anders geplant war. Erneut sind wir vertröstet worden. Die Antifa Bonn/Rhein-Sieg, hat uns den erwarteten Text nicht zur Verfügung gestellt, obwohl die Gruppe ihrem Selbstverständnis nach, seit Jahren kontinuierlich an der Thematik arbeitet und derzeit auch zu Ergebnissen gekommen ist. Es soll an dieser Stelle nicht über dieses für uns ärgerliche und kritikwürdige Vorkommnis lamentiert werden, aber wir werten es als Symptom einer allgemeinen Lage. Die Diskussionen um Sexismus kommen nicht voran. Entweder versacken sie in der Unfähigkeit der Gruppen aus ihren Erkenntnissen substantielle Veränderungen abzuleiten oder aber diese Erkenntnisse kaprizieren sich von vornherein auf einen gesellschaftlichen Zustand, der in seiner Allgemeinheit für Konsequenzenlosigkeit sorgt. Und wer kann in diesem Zusammenhang verschweigen, dass auch das Interesse an einer solchen Diskussion - besonders wenn sie konkret und praktisch wird - nicht vorausgesetzt werden kann.
In einer solchen Situation birgt jede veröffentlichte Position, die sich auf die tatsächliche Praxis der Gruppen bezieht, in sich die Gefahr als unrealistisch, unehrlich oder indiskutabel verworfen zu werden. Soweit wir sehen, hat aus dem Rahmen dieser Vorgaben niemand einen Ausweg. Wenn wir trotzdem auf Diskussionen bestehen wollen, dann ist das Ausdruck unserer Überzeugung, dass praktische und gesellschaftliche Veränderungen weder durch Abwarten noch pietätvolles Schweigen angesichts der Hindernisse, vor denen eine inhaltliche Auseinandersetzung steht, erreicht werden. All jenen aber, denen das Niveau der Auseinandersetzung zu niedrig, die ausgesprochenen Überzeugungen zu selbstverständlich sind, sei gesagt, dass eine Diskussion nicht besser ist als ihre Geschichte. Die Geschichte der Diskussionen um Sexismus aber ist gekennzeichnet von Diskontinuitäten, Abbrüchen und Revisionen. Mehr als in anderen Bereichen gilt hier, was einmal ausgesprochen wurde, hat sich deshalb noch lange nicht durchgesetzt. Mit den jetzt vorliegenden Texten plädieren wir deshalb für einen Neuanfang oder besser eine Wiederaufnahme alter Diskussionen.
Es ist hier nicht der Ort für Versprechungen. Die Rubrik "Gender Jungle" wird aus sich selbst heraus zeigen müssen, ob sie bloßer Anhang oder tatsächlich Ort für Auseinandersetzungen mit Feminismus und Sexismus ist. Sie wird damit auch Spiegel der Realität jener Gruppen sein, die Phase 2 für sich nutzen.

Phase 2 Leipzig