Revolutionärer Antifaschismus ade?

Der Revolutionär, der Antifaschist und die lieben Kinder - Einige Notizen zur ideologischen Selbstenthauptung

Das Bühnenbild: einfach nur tendenziös, pfuih,

Der Antifaschist: weiß, männlich, studiert, sportlich, heterosexuell

Der Revolutionär: weiß, männlich, studiert, sportlich, heterosexuell

Das Publikum: murmelt leise:"Ist das noch links?"

Die lieben Kinder: einfach nur lieb

Linke wissen Bescheid. Sie wissen von Patriarchat, Homophobie, Rassismus, Koruption, Spezizismus, Krieg und allerlei anderer Ungerechtigkeit. Sie wissen das es nicht gut ist, wenn es Menschen nicht gut geht. Vor allem wissen sie das mit ihnen diese Ungerechtigkeiten nicht zu machen sind. Dieses macht sie zu Oppositionellen. Oppositionelle gegen die die den Laden schmeissen, die Politiker, die Kapitalisten, halt gegen Die da oben. Besonders überzeugend und kohärent sind die Erklärungen häufig nicht, wenn man sie auf den Prüfstand stellt.

In diesem Text beschäftigen wir uns mit der Überzeugungskraft des Konzepts revolutionärer Antifaschismus. Der Text ist stark an das Referat "Wie dumm macht revolutionärer Antifaschismus?" des Antifakonkresses 2001 in Göttingen angelehnt. Der Text wird dem geneigten Leser erklären wieso das Konzept des revolutionären Antifaschismus nur zum Bescheidwissen tauglich ist und nicht zur vernünftgen Kritik der gesellschaftlichen Verfaßtheit.

Vor gut einem Jahrzehnt ist die AA/BO aus der autonomen Antifabewegung entschlüpft. Sie ist mit folgenden formulierten Programm angetreten: "Der Kampf gegen Faschismus ist auch der ein Kampf gegen die gesellschaftlichen Bedingungen aus denen heraus die Bereitschaft der Menschen resultiert faschistische/ chauvinitische Denkmuster anzunehmen (Konkurrenzmechanismen, patriarchale Sozialisation, Vereinzelung, ..)" nachzulesen in der AA/BO-Gründungsbroschüre "Einsatz".

Revolutionärer Antifaschismus ist eine Neuauflage des bekannten Konzepts linksradikaler Bewegungspolitik gewesen. Versucht wurde anhand eines konkreten Aufhängers, einer augenscheinlichen Ungerechtigkeit, von einem Teilaspekt ausgehend mit der Kritik aufs Ganze zu gehen. Diese Vorgehensweise zieht sich durch die Geschichte der neuen sozialen Bewegungen, entweder selbst angekurbelt oder auf den fahrenden Zug aufgesprungen versucht die Bewegungslinke den Protest zu radikalisieren und ihre gesellschaftliche Isolation hierdurch zu überwinden. Das Dilemma an dem sie dabei gedanklich stets scheiterte ist zu belegen warum nun gerade die Atomkraft, das Patriarchat, der Rassismus die gesellschaftlichen Widersprüche sind, die derart bedeutend für die bestehende Ordnung sind, daß sie nicht in ihr aufgelöst werden können, sondern nur mit der bestehenden Ordnung.

Deutlich wurde das Konzept des revolutionären Antifaschismus in der Broschüre "Konzept Antifa" der AAB formuliert: "Wo Antifaschismus für Kampagnen aufgegriffen wurde, waren es jeweils massenwirksame Projekte der dahinterstehenden kommunistischen Gruppen (Rock gegen Rassismus in England durch die Trotzkisten in den 70er Jahren, -Stoppt Strauß- 1980 durch den KB, "Jugend gegen Rassismus in Europa" durch die SAV in den 90er Jahren). Schwierigkeiten ergaben sich daraus, daß Antifa nur ein Lockmittel war, um Menschen an die jeweiligen Organisationen mit ihren speziellen Programmen heranzuführen. In unserem Verständnis ist Antifa also das Aufgreifen von Antifaschismus als Konzept, weder Lockmittel noch Notlösung. Alles fängt mit Antifa an, aber nichts hört damit auf." Während bei den Kommunistischen Gruppen noch die Notwendigkeit zur Trennung der Kritik am Faschismus und Demokratie gesehen wurde, löst sich dieser Konflikt im Revolutionären Antifaschismus als Kampf gegen eine nicht näher erläuterte gemeinsame Basis auf. Beim Revolutionären Antifaschismus wird das Problem der funktionalen Zuwendung der kommunistischen Gruppen zum Antifaschismus dadurch aufgehoben, daß dieser Funktionalismus zum eigentlichen Inhalt gemacht wurde.

Die Annahme die dem Text zu Grunde liegt ist, daß dieses Konzept hegemonial das Denken des linksradikalen Teils der Antifa bestimmt hat. Wenn auch nicht immer explizit formuliert, so tauchten in der kurzen Geschischte der autonomen Antifa diese oder gleichbedeutende Gedanken immer wieder auf, einerseits als "Antifa ist der Kampf ums Ganze" andererseits als "Kampf dem Faschismus heisst Kampf dem imperialistischen System."

Beim Konzept des revolutionären Antifaschismus wird, wie der Name bereits sagt, der Antifaschismus mit dem systemüberwindenen Attribut revolutionär aufgeladen. Der konsequente Kampf gegen Faschismus, Faschisten und deren Grundideologeme wird zum Kapitalismus/Demokratie überwindenen Akt hochstilisiert. Wunderlich bleibt hierbei, wieso denn die demokratische Herrschaft im Großteil der Welt nicht nur keinen Hauch von Faschismus benötigt, sondern dazu noch sein härtester Gegner ist. Es scheint in Teilen der Linken der Glaube vorzuherrschen, daß Menschen in Ausländer und Inländer zu unterteilen, Nationalistisch zu sein, Kriege zu führen und Schurken ins Gefängnis zu stecken, irgendetwas undemokratisches wäre, geradezu etwas faschistisches. Dabei sind dieses nur die, manchmal für das sanfte Gemüt etwas hart erscheinenden, Mittel zur Aufrechterhaltung unserer demoratischen Gleichheit und Freiheit. Es sind die Mittel jeder Staatlichkeit.
Ein weiterer in der Antifa verbreitete Irrtum ist die Annahme, daß die Rechtsradikalen, die in jeder Demokratie produziert werden, ein ordentlicher Beweis für die Schlechtigkeit ebendieser sind. Unter der Annahme "Das Sein bestimmt das Bewußtsein" werden der Demokratie ihre faschistischen Minderheiten vorgeworfen. Dieser Baron Münchhausen-Antifaschismus muss logischerweise zum großen Bewunderer der gesellschaftlichen Verhältnisse werden, wenn er sich am eigenen Schopf aus den gesellschaflichen Sein herauszieht und feststellt das die Demokratie auch immer ihre Randalierer, Rebellen und Revolutionäre produziert.

Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln ist Antifaschismus für sich selbst ist eine vernünftige Angelegenheit. Es ist der Kampf gegen die extreme Barbarei. Der Kampf gegen physische Vernichtung von Menschen aus rassistischen oder ansemitischen Motiven. Der Kampf gegen die totalitäre Herrschaft. Dieser Kampf wird von allen geführt die durch diese Ziele in ihrer Existenz bedroht sind und denen die sich mit Ihnen aufgrund ihrer ethischen oder analytischen Ideale solidarisieren. Wenn man diesen Kampf als revolutionär aufläd, spaltet und schwächt man ihn.
Faschisten bekämpft man wegen ihrer eigenen Widerlichkeit, als Selbstschutz oder zum Schutz von Dritten, dieses als reolutionär zu verbrämen schadet dem Anliegen und führt zu Antifa-Aktivisten deren Maßstab für die Radikalität der Gesellschaftskritik die Anzahl der durch den Baseballschläger gehauenen Nägel ist.

Um den Widerspruch zwischen Revolutionär und Antifaschismus deutlich zu machen lassen wir beide mit ihrer Kritik am Staat selbst zu Wort kommen.
Die ausgewogene Sachlichkeit fragt den Antifaschisten: Herr Antifaschist, was ist denn eigentlich ihre Kritik am Staat?
Herr Antifaschist: Da muss ich weit ausholen, zu Beginn der Bundesrepublik wäre da die personelle Verflechtung der nationalsozialistischen Leistungsträger mit den Leistungsträgern der BRD, einen wirklichen Bruch hat es nie gegeben, die Verbrechen der Nazis sind juristisch nie wirklich aufgearbeitet worden, der Grossteil der Nazis ist nicht ihrer gerechten Strafe zugeführt worden. Diese Kontinuität sich zieht zum Besipiel auch durch das Rechtsystem, wo kein einziger Nazirichter verurteilt wurde, sondern eben diese den neuen Nachwuchs ausgebildet haben. Bemerkbar macht sich dieses beim Umgang der Justiz mit Rechten und Linken. Neonazis haben über 100 Menschen seit der Widervereinigung umgebracht. Die RAF nur wenige. Der Repressionswille gegen die Rechten war trotzdem immer niedriger. Als Ergebnis der Analyse kommt klar heraus, die Justiz und die Polizei sind auf dem rechten Auge blind, weil sie selber so rechts sind. Für die Zukunft wünsche ich mir das die Rechten nicht mehr mit Samthandschuhen angefaßt werden und endlich die NPD, DVU und Republikaner verboten werden.
Die ausgewogene Sachlichkeit fragt den Revolutionär: Herr Revolutionär, was stört denn sie am Staat?
Herr Revolutionär: Mein Zugang zum bürgerlichen Staat ist ein anderer. Ich denke es geht darum ihn in seiner Entstehung und Funktion zu begreifen und als ganzes Falsches zu kritisieren. Die Funktion des Staates ist es die Rahmenbedingungen des kapitalistischen Wettbewerb zu organsieren. Durch seine Gewalt garantiert er den Schutz des Eigentums, die Vertragssicherheit und alle weiteren allgemein gültigen Regeln, ich meine die Gesetzte. Er organisiert die Qualifizierung (Schule, Uni, Umschulungen etc.) und die soziale Absicherung (Gesundheitssystem, Sozialhilfe, Altersheime, etc.) seiner Staatsbürger. Einen wichtigen Punkt sollte man natürlich nicht vergessen, ich meine die Aussenpolitik, mit all ihren Facetten (Botschaften, Allianzen, Sanktionen, Kriege etc.). Deutlich wird jedenfalls, daß der Staat nichts ist was man von einem linksradikalen Standpunkt aus besetzten kann. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung: der Intensität der sozialen Absicherung, ob ein liberaler, ein sozialdemokratischer oder ein konservativer Kanzler das Ruder in der Hand hat, der Qualität der Qualifizierung ist der Zweck immer der gleiche, die allgemeinen Geschäftsbedingungen herzustellen. Als Ergebnis der Analyse kommt klar heraus, der Staat ist ein Arschloch. Für die Zukunft wünsche ich mir das Ende der Staaten und den historischen Sprung zum Kommunismus.
Die ausgewogene Sachlichkeit fragt die lieben Kinder: Liebe Kinder wollen denn die beiden das Gleiche und paßt das zusammen oder verfolgen sie vielleicht unvereinbare Zwecke?
Die lieben Kinder: Der Standpunkt des Antifaschisten ist der eines Demokratieidealisten, für seinen Zweck ist der Staat das geeignete Mittel, ihm paßt lediglich nicht wie es angewendet wird. Beim Revolutionär sieht dieses schon anders aus, er stellt sich frei von konstruktiver Kritik auf den Standpunkt der Ablehnung, ein Staat ist mit ihm nicht zu machen. Die beiden Standpunkte sind nicht vereinbar und nicht unter einen Hut zu bringen.

Eine Gesellschaftskritik die aufs Ganze geht, sollte die Gesellschaft an ihrem Ideal kritisieren und nicht über selbst eingeräumte Fehler. Dieses wird beim revolutionären Antifaschismus nicht gemacht. Der Begriff impliziert, daß die Motivation gegen die bestehenden Verhältnisse vorzugehen, eben nicht die Verhältnisse selbst sind, sondern die ihnen innenwohnende Potenz eines viel größeren Übels, des Faschismus. Die Erkenntnis die bei dieser Herangehensweise entsteht ist die wahnwitzige Selbstversicherung auf der richtigen Seite zu stehen. Die radikale Linke, die der Demokratie nur ihre selbst eingeräumten Fehler (Sexismus, Rassimus, Armut, Gewalt,...) vorwirft, die ist schon keine mehr. Eine radikale Gesellschaftskritik muss die Funktionsweise der Gesellschaft in sich aufheben, um sie auf eine höhere Stufe heben zu können. Die identitätsbaslsamierenden halben Wahrheiten, in denen die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse nur mit ihren negativen Anteilen kritisiert werden, dienen nicht dem Verständnis von Gesellschaft, sondern nur der Selbstvergewisserung innerhalb kleiner linker Wohlfühlzirkel.

AG Hooligans & Philosophen
Berlin