Save the planet - kill yourself

Zum Spannungsfeld zwischen Bevölkerungspolitik, Imperialismus und Biotechnologien

In der aktuellen Diskussion um Biotechnologie und Stammzellenforschung rückt ein Thema wieder in den Vordergrund, welches von den radikalen Linken seit den 80er Jahren kaum noch thematisiert wurde. Die Rede ist von Bevölkerungspolitik. Vor allem Frauenzusammenhänge intervenierten zu der Zeit massiv in die Thematik- ihre Parteinahme drückte sich in Solidaritätsarbeit, der Finanzierung und dem Bau von Frauengesundheitszentren v.a. im Trikont , aber auch in militanten Aktionen wie denen der RZ/Rote Zora aus, die mit Brand- und Sprengsätzen gegen die patriarchal-imperialistische Politik und Infrastruktur der Bevölkerungsplaner, Pharmakonzerne und Forschungslabore vorgingen.

das BKA schließlich ende der 80er Jahre die Themen Flüchtlings- und Bevölkerungspolitik sowie Gentechnik zu "Anschlagsrelevanten Themen". Die Beschäftigung mit diesen Themen war fortan Grund für zahlreiche Ermittlungsverfahren.

Heute hat die Bevölkerungspolitik über ihre gentechnische Verknüpfung hin zu den Biotechnologien eine neue Qualität erreicht, womit die Möglichkeiten der Veränderung und Verwertung von Bevölkerung sich enorm vergrößert haben. Selbst eine biologische Neunormierung des Menschen scheint über die Biotechnologien denkbar [sog. Keimbahnmanipulation].

Das diesen "fantastischen" technischen Erneuerungen Widerstand entgegen gebracht werden muss, ergibt sich aus Beschreibung der historischen Entwicklung von Bevölkerungspolitik, deren Wirkungsweisen und imperialistischen Implikationen vor allem in der Zeit nach 1945. Die aktuellen Entwicklungen im Bereich der embryonalen Stammzellenforschung und Biotechnologie stehen nicht nur in dieser Kontinuität sondern werden die bevölkerungspolitischen Möglichkeiten enorm vergrößern.
 

Bevölkerungspolitik - mal bunt mal braun

Wenn von Bevölkerungspolitik die Rede ist, ist damit "der geplante, methodische Eingriff in das generative Verhalten von Bevölkerungen oder Bevölkerungssegmenten" gemeint.(1)

Bevölkerungspolitik liegt im Interesse jeder Form von Herrschaft. Bevölkerungspolitik wird aus kapital- und/oder staatlichen Interessen praktiziert - gegen die eigene Bevölkerung oder deren Teile oder aber gegen Bevölkerung[ssegmente] anderer Staaten. Was unter dem Strich steht ist einerseits die Verwertbarkeit von Bevölkerung als Ganzem [Wieviel Kosten produziert Bevölkerung, wie viel bringt sie für Staat und Kapital ?] oder die imperialistische Formung von Bevölkerung und Arbeitsmarkt nach kapitalistischen Kriterien in anderen Ländern.

Bevölkerungspolitik zielt dabei entweder auf qualitative oder quantitative Veränderung von Eigenschaften der Bevölkerung.

Quantitative Bevölkerungspolitik zielt auf die Größe von Bevölkerung und deren Regulierung ab. Diese wurde und wird in erster Linie im Trikont angewendet und ist dort auf das Verringern von Bevölkerung unter dem Schlagwort des "Bekämpfens von Überbevölkerung" angelegt. Ebenso findet jedoch auch in den kapitalistischen Metropolen quantitative Bevölkerungspolitik statt, wenn auch unter anderen Vorzeichen und anderen Bedingungen [beispielsweise betreibt die BRD eine pro-nataltische= geburtenförderliche Politik u.a.mit dem §218]. Die Instrumentarien zur Umsetzung quantitativer Bevölkerungspolitik sind verschieden: Sie reichen von der Beeinflussung von Familienzusammensetzung, "Familienplanung" und Ehe über die Betrachtung und Regulierung von Mortalität und Geburten[regelung] sowie der Ein- und Auswanderung.

Qualitative Bevölkerungspolitik hingegen zielt auf die Zusammensetzung und Eigenschaften von Bevölkerung ab. Qualitative Bevölkerungspolitik wird fast ausschließlich in den kapitalistischen Metropolen angewendet und ihre Instrumentarien sind eher wissenschaftlicher Natur: Dazu zählen Reproduktionstechniken wie die künstliche Befruchtung oder Prä-Implantations-Diagnostik (PID) genauso wie die aufs Engste damit verbundene Gen- und Biotechnologie. Auch die derzeitige Diskussion um die Forschung an embryonalen Stammzellen fallen in diese Sparte. Unter qualitative Bevölkerungspolitik fällt jedoch auch die Einwanderung - Beispiele dafür sind die Green-Cards an IT-Spezialisten oder die Möglichkeiten für hochqualifizierte ausländische Menschen die mittels des neuen Einwanderungsgesetzes die Chance gegeben werden soll für den deutschen Staat einen Vorsprung in der internationalen Konkurrenz zu erringen.

Die Anfänge von Bevölkerungspolitik

Schon im Zeitalter des Kolonialismus und früher gab es Bevölkerungspolitik zur Absicherung herrschender Interessen. Erste bevölkerungspolitischen Diskussionen gab es bereits in der 2. Hälfte des 18. Jh. Der zentrale Grundgedanke der damaligen sog. Populationisten war, dass eine steigende Bevölkerungsgröße die Bedingung für eine blühende Wirtschaft und einen starken funktionsfähigen Staat sei. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts mit dem entgültigen Durchbruch der kapitalistischen Produktionsweise, der Agglomeration von Bevölkerung in den Städten und der stetigen Ausdehnung der Produktion wie der Bevölkerung und den damit einhergehenden sozialen Problemen entwickelte dann Thomas Robert Malthus seine These von der "Überbevölkerung" - nach der sich Menschen und Nahrungsmittel unterschiedlich vermehren würden und die Armen in Folge dessen als überzähliger Teile"absterben" müssten. Die Probleme wurden dann auch entsprechend gelöst. Arme durften nicht mehr heiraten und große Teile der "Überzähligen" wurden in der 2. Hälfte des 19.Jh. nach Amerika verschifft.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die jeweilige "positive" (auf die Erhöhung von Bevölkerung ausgerichtete) oder "negative" (auf Verkleinerung ausgerichtete) Art von Bevölkerungspolitik schon immer Ausdruck der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse war. Die "positive" mündete z.B. in die bismarksche Sozialversicherung zur Bindung der Arbeiterklasse ans System, die "negative" weit vor dem Nazifaschismus in eine eugenische Bewegung.

 

Sozialdarwinismus und Eugenik im Kaiserreich und im Faschismus

Wasser auf die Mühlen der Bevölkerungspolitiker brachte die von Ernst Haeckel Ende des 19. Jahrhunderts ins Soziale umgedeutete Theorie Charles Darwins nach der die natürliche Auslese nur die am besten Angepassten überleben. Während Darwin seine Entwicklungsgeschichte auf das Tierreich bezog ,bezog es Haeckel auch explizit auf die menschliche Gesellschaft.

Im Kaiserreich dominierte der Sozialdarwinismus in der Phase des Imperialismus mit dem deutschen Streben nach "einem Platz an der Sonne" den gesellschaftlichen Diskurs. Damals hieß es: "Die internationale Politik ist die Kunst der gesellschaftlichen Organismen, den Kampf ums Dasein auszutragen". Am Vorabend des ersten Weltkrieges forderten führende kaisertreue Eugeniker Bevölkerungspolitik "in den Dienst der Nation zu stellen". Diese Forderung gipfelte erstmals 1920 in der Forderung von Wissenschaftlern "unwertes Leben" zu töten. Während zu dieser Zeit weltweit die eugenische Bewegung ihren Höhepunkt erreichte, lag in Deutschland ihr Zentrum. Ausdrücke wie "Ballast-" oder Defektmenschen" existierten lange vor den Nazis und erfreuten sich Beliebtheit bis weit in die Sozialdemokratie hinein. Insofern ist auch die von den Nazis umgesetzte mörderische Praxis schon in Weimar von Politikern, Ärzten Juristen und dem Kapital gefordert worden. Im Prinzip war damit die "Volksgemeinschaft" schon lange vor 1933 beschworen, die sich durch "Untermenschen" bedroht fühlte und in seiner wahnhaften Konstruktion in den folgenden Jahren Millionen von Menschen ermordete.

Die Nazipartei konnte also auch an diese Kontinuität bestens anknüpfen. 1929 forderte Hitler "die Beseitigung der 700.000 - 800.000 ...Schwächsten, ... die bei gleichzeitig 1 Millionen Geburten sogar eine Kräftesteigerung für das deutsche Volk bedeuten würde." (2) Ab der Machtübertragung an die Faschisten wurde dann auch zur Jagd, Sterilisierung und Ermordung von "Minderwertigen" und \"Asozialen\" geblasen - juristisch festgehalten auch im "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" am 14. Juli 1933. Eugenik wurde Pflichtfach an deutschen Universitäten und im Verlauf des sog. T4 Programms nach der Verabschiedung der Nürnberger Rassegesetze wurden 70.000 Menschen in Gaskammern ermordet, die nach "erfolgreichem" Test in die östlichen Konzentrationslager exportiert wurden. Das Euthanasieprogramm T4 war also ein Pilotprojekt, eine Art Machbarkeitsstudie für den Holocaust.

 

Startschuss zur planmäßigen Bevölkerungspolitik nach dem 2. Weltkrieg

Bevölkerungspolitik wandelte im Verlauf der letzten 55 Jahre ihren Begründungszusammenhang je nach den aktuellen Diskursen und auch die Intention bevölkerungspolitischer Maßnahmen veränderte sich mehr oder weniger in diesem Zeitraum.

Als wieder Erwarten die Sowjetunion den 2. Weltkrieg überstand und die Systemkonkurrenz zum beherrschenden Prinzip internationaler Politik wurde, machte sich mit den aufstrebenden Befreiungsbewegungen gegen den Imperialismus in den kapitalistischen Zentren -allen voran den USA- die Erkenntnis breit, dass Bevölkerungspolitik als präventives Mittel zur Niederschlagung von Revolutionen und kommunistischen Bewegungen unverzichtbarer Bestandteil der US-Außenpolitik werden müsse. Bereits 1948 gründet sich die Dachorgansation verschiedener nationaler Familienplanungsorganisationen IPPF (3) und 1952 wurde in den USA der Population Council (PC) gegründet, 1954 der "Hugh-Moore Found". Ihre Aufgaben war vor allem die "Schaffung einer respektablen wissenschaftlichen Basis für die Verwissenschaftlichung und Problemorientierung der Bevölkerungspolitik" (4) sowie die Verbreitung unterstützender Ideologie zur Bevölkerungsplanung. Besonders "engagiert" zeigten sich diese beiden Organisationen -neben einer Vielzahl anderer internationaler Institutionen- vor allem in der Bekämpfung von sog. "Überbevölkerung". Der Begriff "Überbevölkerung" tauchte Anfang der 60er Jahre erstmals auf und wurde 1962 von der UNO zum "Weltproblem Nr.1" deklariert. "Überbevölkerung" ist dabei ein ausschließlich ideologisch zu verstehender Begriff, da unter den 10 dicht besiedeltsten Ländern der Welt allein 5 europäische Staaten sind. Er ermöglicht die Vernichtung der Armen statt der Armut, eignete sich zur präventiven Aufstandsbekämpfung und zur Begrenzung der Migration. (5)

Zudem ist der Hunger, der angeblich mit den Bevölkerungs- [oder wahlweise auch Gentechnik-] Programmen eingedämmt werden soll ein hausgemachtes Problem der imperialistischen Staaten. Reichtum und Armut ist immer eine Frage der Verteilung und Produktionsweise.

Über die Zerschlagung der Subsistenzwirtschaft im Zuge der "Grünen Revolution" der 60er Jahre, wurden die Menschen im Trikont als Arbeitssklaven der Weltwirtschaft zugeführt - mit den Folgen, dass es überhaupt kein Interesse am Überleben einer industriellen Reservearmee von Arbeitssklaven gab und es lohnender war, ganze Landstriche verhungern zu lassen. Aber der Hunger erwies sich auch als Gegenteil von gewünschter Stabilität in den Regionen. Guerillas und Hungerrevolten störten die geräuschlose Verwertung. Die Lösung: Weg mit den -nach kapitalistischen Gesichtspunkten- "überzähligen" Menschen. Spätestens ab der Weltbevölkerungskonferenz 1962 wurden Kredite oder Hungerhilfen nur noch im Tausch gegen "Strukturanpassungsprogramme" vergeben. Für die Menschen im Trikont hieß das einerseits das westliche Modell der bürgerlichen Kleinfamilie aufnehmen zu müssen und auch häufig: Essen gegen Sterilisation. Sterilisiert wurde oft und gerne, mit oder ohne Wissen der Frau, mittels Erpressung oder bei normalen Operationen. Sterilisation und Zwang zur Verhütung betraf im Trikont ausschließlich Frauen, wie auch generell in der patriarchalen Gesellschaft nach wie vor die Frau diejenige ist, die in der Hauptsache für Verhütung und potentielle Kinder verantwortlich ist. Die Verhütungsmittel waren darauf ausgelegt möglichst langandauernd, wo möglich irreversibel zu sein und von den Frauen nicht selbst kontrolliert werden zu können.

Als diese Praktiken bekannt wurden und sich International Widerstand von Frauen formierte, änderten die Bevölkerungsplaner ihre Strategie. So hieß es dann in den 70er und 80er Jahren dass "Gesundheit, Frauenbildung und Emanzipation" durch Familienplanung vorangetrieben würden. Diese Veränderung des bevölkerungspolitischen Diskurses und das Abweichen von den brutalen und offensichtlichen Praktiken der [Zwangs]sterilisation sorgte für Akzeptanz im Norden und öffneten den Weg für die Beteiligung von NGOs und Lobbygruppen in die Bevölkerungspolitik. Auch ökonomisch lohnte sich diese Strategie der imperialistischen Staaten: es war rentabler Frauen Zugang zu Arbeit und Bildung zu ermöglichen, erstens funktionierte die Familienplanung viel reibungsloser als die Zwangsmittel zuvor und natürlich sind und waren Frauen verwertbar fürs Kapital. Am deutlichsten zeigte sich das im Weltbevölkerungsbericht 1992 unter dem Titel "Frauen - das verschwendete Kapital". Zu diesem Zeitpunkt spaltete sich auch die feministische Strömung an der Frage des "Für" oder "Gegen" der Bevölkerungspolitik. In den Jahren seit 1992 ist es modern geworden den Komplex Bevölkerungspolitik über die Scheinalternative "Bevölkerung oder Umwelt" zu konstruieren. Auch hier passte sich Bevölkerungspolitik den jeweiligen Diskursen an.

 

Biotechnologie und Reprotech

War im Trikont vor allem die quantitative Bevölkerungspolitik im Sinne einer Zurichtung von Bevölkerung nach ökonomischen und damit imperialistischen Interessen, ergibt sich in den kapitalistischen Metropolen ein anderes Bild. Die Bundesrepublik beispielsweise betreibt eine pro-natalistische, d.h. geburtenfördernde Politik. Beispiele dafür sind das Kindergeld oder der §218 ( Verbot der Abtreibung), der damit ebenfalls Verfügungsgewalt über Frauenkörper impliziert. Trotz dieser pro-natalistischen quantitativen Bevölkerungspolitik überwiegt in den hochentwickelten Industriestaaten die qualitative Bevölkerungspolitik. Bereits in den 80er Jahren sorgte die künstliche Befruchtung für Diskussionen in feministischen Gruppen und der ganzen Gesellschaft. Die Einführung der künstlichen Befruchtung kann aus heutiger Sicht als Startschuss für die moderne qualitative Bevölkerungspolitik in der BRD aber auch international gesehen werden. In der Folge entstanden "genetische Beratungsstellen", die werdende Mütter auf "Missbildungen" ihres Kindes untersuchen, ihre Familie auf etwaige "Gendefekte" und Erbkrankheiten abklopften und im Zweifelsfall zur Abtreibung raten. In die selbe Kategorie gehören die umfangreichen Voruntersuchungen der Schwangeren - auch hier wird nach Norm und Abweichung selektiert -der Standort wird's danken.

Die neuen Möglichkeiten der Biotechnologie werden diese Selektion verschärfen und vergrößert zudem die Möglichkeiten der Bevölkerungsplaner und Demographen.

Wenn von biotechnologischen Möglichkeiten die Rede ist sind meist Manipulation der DNA (chemische Formel der Gene), künstliche Befruchtung, Stammzellgewinnung Organtransplantation und Klonieren, Gentherapien, Retortenbabys aber auch gentechnisch hergestellte Nahrungsmittel und Saatgut in der Landwirtschaft gemeint. Gesellschaftlich diskutiert wird heute davon jedoch nahezu ausschließlich das Für und Wieders zum Klonieren und zur Embryonenforschung.

Die Embryonenforschung hatte notwendiger ["technischer"] Weise die künstliche Befruchtung als Vorläufer, da bei dieser Art der Befruchtung "überzählige" Embryonen anfallen. Doch während sich Ethikkommissionen, Industrie und Forscher mit den ewig gestrigen der Kirche und der Konservativen über die "Würde des Embryos" streiten geraten die weitaus relevanteren Fragen nach Ideologie und Menschenbild, welche im Kielwasser der Diskussion mitschwimmen, nicht in die Diskussion.

 

Die Ideologie der bionomics

Da dem Kapitalismus das Streben nach totaler Verwertung inne wohnt, ist die Gentechnik dabei eine äußerste Konsequenz des modernen, warengesellschaftlichen Naturverständnisses und -verhältnisses, weil in ihr das Prinzip des Werts auf die Spitze getrieben wird. Alle Formen des Lebens, ob es sich nun um Pflanzen, Tiere oder Menschen handelt, werden wie ein und dasselbe undifferenzierte genetische Material behandelt. Gentechniker behaupten, dass jedes lebende Wesen auf die DNA als zugrunde liegendes biologisches Material reduzierbar ist, das man beliebig auseinander nehmen und neu zusammensetzten kann. Von allen Unterschieden und Besonderheiten wird also radikal abstrahiert.

Trotzdem macht es keinen Sinn dem Phantom eines genetisch optimierten Übermenschen auf den Leim zu gehen, wie es nicht wenige Kritiker praktizieren, die bloß in negativer Besetzung selber dem Machbarkeitswahn der Betreiber der Biotechnologie aufsitzen. Es muss eher darum gehen die immanenten Grenzen naturwissenschaftlichen Größenwahns aufzuzeigen. Katastrophale Perspektiven ergeben sich weniger daraus, dass die gentechnologischen Hirngespinste der Betreiber eins zu eins Wirklichkeit werden könnten. Vielmehr ist die in der Gentechnik materialisierte Form der Naturbeherrschung in der Lage, jede Form des Lebenden auf die Stufe eines mechanischen Baukastens bzw. Ersatzteillagers zu degradieren. Das Vorhaben der kapitalistischen Verwertung des biologischen Erbmaterials offenbart aber auch die gentechnologische Eindimensionalität der kapitalistischen Wissenschaft. Alle Problemstellungen in Sachen Krankheit, Hunger, Tod haben sich in treuer Wissenschaftsgläubigkeit ihren Heilsversprechen zu unterwerfen. So wie in der kapitalistischen Arbeitswelt das Individuum als bloßes Rädchen der "Maschine" sein Leben fristet und seine Arbeitskraft verkauft, so fordern Wissenschaft und Bioindustrie nun den Organismus selbst in seinen Einzelteilen als Wertobjekt ein.

 

Brave new world

Ebenso wenig wird die Frage nach der Ökonomie der Biotechnologien thematisiert. Die kurz und langfristigen Folgen einer biotechnologisch veränderten Ökonomie, die sich sozial und gesellschaftlich niederschlagen werden, sind ebenfalls nicht in der Diskussion präsent.

Dabei ist eines so sicher wie das Amen in der Kirche: Kommen werden die neuen Bio- und Reprotechnologien auf jeden Fall - nur um die Konditionen wird noch gestritten, und eine Lösung bahnt sich auch dort an, ähnlich wie in den USA, wo der Kompromiss so aussah, dass verboten wurde, was eh noch nicht technisch umsetzbar war bzw. ökonomisch nicht interessant war und auf der Gegenseite massiv Gelder in die Bereiche investiert wurde, die ökonomisch wegweisend und profital erscheinen. Biotechnologie ist auch alles andere als die ferne Fiktion eines fetten Marktes: Allein in den USA betrug der Umsatz der Branche im Jahre 2000 16,1 Milliarden US-Dollar.

Bio- und Reproduktionstechnolgie werden ebenfalls imperialistische Implikationen mit sich bringen - je nach aktueller Kapitalinteressenlage wird sich Reproduktion steuern lassen, mit einem Mehr oder Weniger gewünschter Merkmale.

Wer jetzt an filmische Szenerien erinnert sieht oder glaubt Huxley vor sich zu haben liegt nicht ganz richtig - womöglich aber auch gar nicht falsch.

Eine Selektion von Menschen in verschiedene Klassen scheint anhand der biotechnologischen Forschungen auch schon absehbar: Biotechnologische \"Aufrüstung\" könnte in nicht all zu fernerer Zukunft wohl Berufs- oder Versicherungskriterium werden.

 

It´s the end of the world as we know ist...

Eine Wissenschaft wie die Gentechnologie ist unter kapitalistischen Bedingungen als Ganzes abzulehnen. Dafür bedarf es nicht jedes Mal des Nachweises, warum ihr jeweils jüngster Einfall katastrophale Folgen haben wird ohne als vermeintlicher Nutznießer jahrelang als Versuchskaninchen dienen zu müssen. Es genügt, die komplette Abhängigkeit von den Profiterwartungen der Bioindustrie zu betrachten sowie die völlige Unverantwortlichkeit, mit der Genetiker vorgehen und die Ausgrenzung derer, die grundlegende Zweifel an ihr äußern.

Von positiven Auswirkungen der heutigen Bio-Technik oder Bevölkerungspolitik zu schwadronieren hat deshalb schon gar keinen Sinn. Denn kaum eines der Probleme, die heute die Welt und ihre Bewohner plagen, ist technologisch oder demographisch lösbar. Es handelt sich schließlich um gesellschaftliche Probleme. Genau darauf hinzuweisen und das für ihre Lösung Kapitalismus und Imperialismus als Ganzes abgeschafft werden müssen, ist Aufgabe der radikalen Linken.

 

Literatur:

- Ingrid Strobl "Strange Fruit" - der Klassiker zur Bevölkerungspolitik

- "Materialien gegen Bevölkerungspolitik" Hamburg 1988 - aufzutreiben unter www.materialien.org

- "bodymanipulation - Biotechnologie und die neue Form des Kolonialismus" Sonderausgabe der Zeitschrift Alaska, 2000

 

 

Fußnoten:

(1) Ingrid Strobl "Strange Fruit" 1988

(2) Hitlers Rede auf dem Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP 1929

(3) International Planned Parenthood Foundation

(4) vgl. Materialien gegen Bevölkerungspolitik, Hamburg 1988, S.47-50

(5) Ingrid Strobl, "Strange Fruit"

AG Bevölkerungspolitik
in der Autonomen Antifa [M] Göttingen