Schwarze Falken kreisen. Der Himmel verdunkelt sich.

Der Plan Colombia, die FARC und Posttwintowertimes

Caguan (Kolumbien). In Kolumbien landen auf irgendeinem Militärflughafen der Regierungsstreitkräfte die letzten 14 Blackhawk-Hubschrauber. Insgesamt hat die us-amerikanische Rüstungsindustrie 63 Blackhawk und Huey Hubschrauber bis zu diesem 9. Januar 2002 geliefert.

Gleichzeitig werden in der entmilitarisierten Zone Calguan, die eine Grösse von 42.000 km2 misst und damit etwas grösser als die Schweiz ist, die Friedensverhandlungen zwischen einem Vertreter der kolumbianischen Regierung und der Revolutionären Streikräfte Kolumbiens - FARC-EP abgebrochen.

Kolumbiens Präsindent Andrés Pastrana fordert die FARC auf, bis zum Abend des 14. Januar 2002 die seit drei Jahren von der Guerrilla kontrollierte und verwaltete Zone zu räumen. Im kolumbianischen Fernsehen hat man offentsichtlich an der Form der Wochenschau der Nazis Gefallen gefunden, denn der Abbruch der Verhandlungen wird in den Nachrichten wird mit Bildern von Panzerkollonen und Marschmusik angereichert, als ob es sich um eine Generalmobilmachung handelt.

Am gleichen Tag wird im Norden Ecuadors in der Provinz Sucombios ein neues Militärbattallion eröffnet.

Auch Ecuadors Paräsident Noboa verkündet in diesem Zusammenhang den Kampf gegen die Drogen und die Guerilla. (1)

Direkt nach dem Abruch der seit drei Jahren laufenden Verhandlungen versuchen Vertreter der UNO doch noch eine Brücke zwischen der Guerillaorganisation und der neoliberalen Regierung zu schlagen. Vier Stunden vor Ablauf des Ultimatums scheint der Plan der UNO-Vertreter aus 11 Staaten und der katholischen Kirche, die die Kommission gebildet haben, aufzugehen. Sie erreichen einen Aufschub des Ultimatums bis zum 20. Januar 2002.
 

Posttwintowertimes - welcome home

Nach dem 11. September 2001 steht die Bekämpfung des Terrorismus offiziell auf der Tagesordnung. Eine alte, fast totgeglaubte, politische Formel erlebt dieser Tage ihr Comeback in Form von Sicherheitspaketen in verschiedenen Ländern und in Form von Militärinterventionen vermutlich ebenfalls in verschiedenen Ländern. Im Rahmen der sogenannten Antiterrorismusbekämpfung hat auch die offizielle Ausrichtung des von der US-Regierung forcierten und mit 1,6 Milliarden Dollar finanzierten "Plan Colombia" verschoben. (2) War seit seinem Beginn im Jahre 1999 zunächst die Drogenbekämpfung der Vorwand für die gigantische Militärhilfe, so wird der Plan nun offen zur Bekämpfung der kolumbianischen Guerrillabewegungen FARC und ELN in die Tat umgesetzt. Dabei handelt es sich beim mehrphasigen Plan Colombia "lediglich" um die militärische Vorhut von dem was die Länder Südamerikas in den nächsten Jahren erwartet; die FTAA (Free Trade Area America). Die FTAA bildet den ökonomischen und geostrategischen Hintergrund für das mittelfristige Ziel der Bekämfung der Guerrilla, denn langfristig geht es dem Wirtschaftsblock Nordamerikas unter der militärischen Führung der USA um die kontrollierte Einflusnahme auf ihren "Hinterhof". Langfristiges und schwerwigenstes Ziel ist die Kontrolle des Amazonasgebietes als Lieferant der wichtigsten Rohstoffe der Gegenwart und Zukunft. Das Amazonasgebiet ist das grösstes Süsswasserreservoir (Trinkwasser) der Erde, ist Regulator des Klimas (Regenwald), Erdöllieferant sowie zukünftiges Gebiet für Biodiversität. Die FTAA soll bereits im Jahre 2005 verwirklicht sein.

Befreite Gebiete

Rund um das Gebiet der FARC im Süden des Landes, das nach dem Namen seiner grössten Stadt stets als Caguan bezeichnet wird, wartet die kolumbianische Armee weiterhin auf den Befehl zum Generalangriff. Eben diese Umzingelung und Kontrolle des befreiten Zone seit Oktober 2001, waren Anlass die Verhandlungen abzubrechen. Denn eine zentrale Forderung der FARC bestand in der Aufhebung des Militärgürtels.

Pastrana hingegen forderte eine unmittelbare Waffenruhe als Zeichen des guten Willens, woraufhin die FARC entgegenhalten, dass zunächst eine offizielle Bekämpfung der Paramilitärs beschlossen werden solle. Weitere Vorraussetzungen für einen Waffenstillstand sind für die FARC eine Abkehr vom neoliberalen Wirtschaftsmodell der Regierung Pastrana, die Einstellung der Auslandsschuldenzahlungen sowie eine umfassende Steuerreform zu Gunsten der Unterschicht. (3)

Das strategische Ziel der FARC ist, seit ihrer Gründung vor 37 Jahren, die Machtübernahme in Kolumbien für den Aufbau des Sozialismus. Die Finanzierung der fast 20 000 Guerrilleros und Guerrilleras zählenden Organisation, die in 70 Fronten (Einheiten) im ganzen Land operiert, speist sich hauptsächlich aus der Besteuerung von Erdölfirmen und Drogenbaronen sowie aus Lösegeldzahlungen, die bei der Freilassung von entführten Angehörigen der Oberschicht fällig werden. Diese von den Medien als "Entführungsindustrie" angeprangerte Praxis basiert auf einem der zwei landesweit geltenden Gesetze der FARC, nach dem sich Personen mit mehr als einer Million US-Dollar Eigentum bei der Guerrilla melden müssen, um eine Steuerzahlung zu vereinbaren. Melden sie sich nicht, dann steht die FARC bei ihnen vor der Tür. (4)

Innerhalb der letzten 10 Jahre haben die FARC einen stätigen Zuwachs an Mitgliedern zu verbuchen, und die offizielle Erklärung der kolumbianischen Streitkräfte, die einen militärischen Sieg gegen die Guerrilla vor wenigen Jahren als unmöglich bezeichnete, führte in Bogota und Washington zu Aufregung und Besorgnis. Als Antwort auf diese Entwicklung wurde der Plan Colombia entworfen und der schmutzige Krieg (guerra sucia) der Todesschwadronen und Paramilitärs gestärkt. (5)

Die aus den Reihen des Miltärs entsprungenen Paramilitärs sind verantwortlich für zahlreiche Massaker an der sozialen Basis der Gürrilla, der unbewaffneten Landbevölkerung; generell sind sie Teil der Gesamtstrategie der Aufstandsbekämpfung. Ihre direkten Kontakte zu den Militärs und zur Drogenmafia sind offenkundig und mehrfach dokumentiert, während auf der anderen Seite kein Mitglied der Guerrillaorganisationen jemals wegen Drogenhandel belangt werden konnte. (6)

Der vom Antidrogenzar der USA, General Barry Mc Cafrey, geprägte und von den Medien dankbar übernommene Begriff der "Drogenguerrilla" ist der Teil der ideologischen Kriegsführung gegen die Guerrillas/os. Obwohl die Politik der FARC die Besteuerung der (Drogen)Mafia beinhaltet, haben beide Guerrillas, FARC und ELN, in den Gesprächen mit dem kolumbianischen Staat schon mehrfach konkrete Vorschläge und Programme zur Substituierung des Cocaanbaus präsentiert. Diese Programme enstanden u.a. in den sich in der entmilitarisierten Zone gebildeten Foren zur Diskussion sozio- sowie kulturell-politischer Fragen. Eine basisdemokratische Struktur, die es ausserhalb der von der FARC kontrollierten Zone nicht gibt. Im restlichen Land hingegen geht der Krieg weiter. Auf der einen Seite die Guerrilla, auf der anderen die Militärs unterstützt durch Paramilitärs, liefern sich fast täglich Kämpfe. Übergriffe und Massaker gegen die Landbevölkerung von Seiten der Paramilitärs gehen ebenfalls weiter.

 

Verhandlungen

Aber trotz der erneuten zeitlichen Verschiebung macht die langfristige militärische Vorbereitung auf die Beendung des Friedensprozesses deutlich, wie wenig ernst es der Regierung ist, eine politische Lösung des Konfliktes zu erreichen. Obwohl Pastrana die Präsidentschaftswahlen vor vier Jahren unter anderem gewann, weil er den Dialog der militärischen Konfrontation medienwirksam vorzog, ist seine heutige Linie orientiert an der ökonomischen und militärischen Unterstützung durch die USA und folgt der Logik der "Vietnamisierung".

Die Haltung der FARC hingegen ist bestimmt durch die Erfahrungen revolutionärer Bewegungen in Mittelamerika wie den Sandinisten in Nicaragua und den FMLN aus El Salvador, deren Geschichte der Entwaffnung und Verhandlung gleichzeitig das Ende progressiver Entwicklungen in den Ländern waren. Die eigene Geschichte der FARC zeigt ebenfalls, dass die alleinige Ebene der Verhandlung oder aber die Schaffung eines parlamentarischen Armes beispielsweise zur Teilnahme an Wahlen allenfalls eine selbstmörderische Variante darstellt.

Als die FARC zwischen 1984 und 1990 versuchte mit der Union Patriotica (UP) am kolumbianischen Parlamentarismus teilzunehmen, kostete das in diesem Zeitraum 5000 AktivistInnen und Parteimitgliedern sowie 3 Präsidentschaftskandidaten das Leben. Die Initiative wurde in den Gewehrkugeln von Militär und Paramilitärs erstickt.

Die FARC tut gut daran, diesen Part der eigenen Geschichte nicht zu wiederholen.

Wir dokumentieren in dieser Ausgabe (siehe Inhalt Aktuelles) ein im November 2001 auf Cuba enstandenes bisher unveröffentlichets Interview mit einem Sprecher der FARC; Marcelo Leon Calarca. Das Interview führte ein eucuadorianischer Genosse.

 

 

Fußnoten:

(1) Die Bekämpfung der Paramilitärs, die auch in Ecuador schon durch Attentate und politische Morde in Erscheinung getreten sind, steht nicht auf dem Programm der ecuatorianischen Streitkräfte, sondern sie werden als Verbündete im Kampf gegen die "Drogenguerrilla" bewertet (El Comercio; Quito; 10.1.´02)

(2) Insgesamt beinhaltet der Plan Colombia 7,5 Milliarden US- Dollar, von denen 4 Milliarden von Kolumbien und die restlichen 3,5 Milliarden von der internationalen Gemeinschaft getragen werden sollen. Von den 1,6 Milliarden die bereits investiert wurden, sind 93,3 % zur Aufrüstung und Schulung von Militär und Polizei

bestimmt (G. Navarro; Plan Colombia; Ed. Zitra; Ecuador; 2000).

(3) In diesem Kontext hat Raúl Reyes, politischer Sprecher der Guerrilla, in Interviews auf das Steuermodell in Schweden Bezug genommen.

(4) www.farc-ep.org/ Leyes/ Ley 002. In der Praxis liegt die Eigentumsgrenze zur Besteuerung auch oft unter einer Million Dollar. Das zweite Gesetz der FARC bezieht sich auf die Bestrafung von Korruptionsvorfällen in Wirtschaft und Politik.

(5) In direkten Kontakten zwischen dem State Department und den Paramilitärs der sogenannten "Vereinten Selbsteverteidigungsgruppen Kolumbiens" (Autodefensas Unidas de Colombia, AUC), bot Madeleine Albright dem Chef der AUC, Carlos Castaño, Waffen und Geld für die Mitarbeit im Plan Colombia, wenn dieser seine Drogengeschäfte einstelle. E. Alfaro; Revista Economía y Política, Nr. 8; Ecuador; 2001.

(6) Die AUC haben haben offiziell angegeben, dass 90% ihrer Einnahmen aus dem Drogenhandel stammen. (H. Dietrich; ebd.)



Phase 2 Göttingen