Die sogenannten Globalisierungsproteste des Summer of Resistance 2001 waren der Rahmen, in dem militante Aktionsformen ihren Platz fanden. Und auch der Schwarze Block trat mehrfach als relevante, aktionsfähige Kraft in Erscheinung. Dennoch sind politische, autonome Positionen kaum hörbar geworden. Ein Missverhältnis, wie die AutorInnen denken.
Mit den Aktionen in Göteborg und Genua wurde eine neue Schärfe der Konfrontation erreicht. Die Auseinandersetzung um die sogenannte Globalisierung, die sich auch in den entwickelten Industrienationen ausweitet, wurde im öffentlichen Bewusstsein präsent. Während auf der einen Seite der Schwarze Block oder "black bloc" als Synonym für Militanz eine mediale Wiedergeburt erlebte, hat andererseits das Ausmaß des angewandten Staatsterrorismus gezeigt, wo in der freien demokratischen Welt die Grenzen gegenüber linkem Widerstand verlaufen. Vor allem, wenn er es schafft, zu einer Kraft zu werden, die das politische Tagesgeschehen stört.Bisher hat noch kein Mittel so recht gewirkt, die seit den Riots von Seattle permanent anwachsende Bewegung zu schwächen. Weder die im demokratischen Musterland Schweden offen ausgeführte Praxis, auf DemonstrantInnen scharf zu schießen, noch der Polizeiterror von Genua hat offenbar die gewünschte abschreckende Wirkung hervorgerufen. Es hat im Gegenteil für Wut und Empörung bis weit ins linksliberale Lager hinein gesorgt und zudem die mediale Präsenz der Bewegung noch gesteigert. Wenn sie auch noch immer die charakteristischen politischen und organisatorischen Schwächen einer jungen und heterogenen Strömung besitzt, existiert nichtsdestotrotz eine militante und handlungsfähige Komponente der "Antiglobalisierungs"-Bewegung, deren Stärke in ihrer grenzüberschreitenden Mobilisierungsfähigkeit und in systemkritischen Ansätzen liegt.
Wir sehen in den radikalen Tendenzen der "Antiglobalisierungs"-Proteste eine Chance, Antikapitalismus wieder als feste Größe im Spektrum kritischen Denkens und Handelns zu etablieren - trotz aller Schwierigkeiten, in eine Bewegung zu intervenieren, in der von sozialdemokratischen Positionen bis zu esoterisch angehauchtem Utopismus ziemlich vieles Platz findet. Organisierte Zusammenhänge, denen es gelingt, politisch, medial in Erscheinung zu treten, sind bis jetzt Gruppen wie ATTAC oder andere NGOs. Dementsprechend reformistisch sind die Forderungen.Ein Fehler wäre es in dieser Situation, darauf zu verzichten, die eigenen Positionen wahrnehmbar zu machen und der Auseinandersetzung um politische Inhalte aus dem Weg zu gehen.
Mit dem Auftauchen einer tendenziell antikapitalistischen Bewegung auch innerhalb der Metropolen werden wieder öffentliche Auseindersetzungen um grundlegendere Kritiken am System des Kapitalismus angeregt. Ob transstaatliche Instanzen wie G8, EU (im kommenden November in Neapel erstmals auch die NATO) oder Gremien der Weltwirtschaftslenkung à la IWF, WTO, WEF: Die Vielfalt von Anlässen, die den Widerstand auf den Plan rufen, macht deutlich, dass es hier nicht mehr darum geht, einzelne Institutionen oder auch Regierungen für eine Vielzahl unschöner Erscheinungen in der Welt verantwortlich zu machen, sondern gegen einen Gesamtzusammenhang anhand seiner augenscheinlichsten StellvertreterInnen vorzugehen.
Es existieren in der bezeichnenderweise noch immer nicht mit einem zutreffenden Sammelbegriff gekennzeichneten Bewegung unterschiedliche Ansichten darüber, was das Hauptübel jenes weltweiten Zusammenhangs sei, der meist nebulös und ebenfalls unzutreffend als "Globalisierung" bezeichnet wird. Für die einen ist es der Neoliberalismus als aktuelle Betriebsanleitung des Kapitalismus, für andere die Tatsache, dass der Kapitalismus "immer größere Teile" des Lebens erfasst und die Umwelt zerstört. Es gilt jedoch, die längere Zeit verschüttete Erkenntnis durchzusetzen, dass nicht die Form des Kapitalismus oder das "Ausmaß" seines Einflusses auf die Gesellschaft das Problem ist, sondern die gesellschaftliche Totalität des Kapitalismus selbst. Das schließt nicht aus, diesen anhand seiner verschiedenen Durchsetzungs- und Erscheinungsformen anzugreifen, geht aber darüber hinaus.An den unterschiedlichen Ansätzen und Zielen, die sich in der Bewegung tummeln, richten sich auch die Aktionsformen aus - und die Auseinandersetzung über diese. Für jene, die es mit der Abschaffung des Kapitalismus halten, ist klar, dass der Vorgang der Umwälzung, auch bekannt unter "Revolution", nicht ohne gewalttätige Auseinandersetzungen ablaufen wird. Die strukturelle Gewalt, die schon im Widerspruch "Lohnarbeit/Kapital" enthalten ist, ganz zu schweigen von den gewalttätigen Mechanismen, die dieses Verhältnis aufrechterhalten und die es hervorbringt, wird sich nur durch eine Gewalt auflösen lassen, die sich dem entgegen setzt. Dasselbe gilt auch in gesellschaftlichen Situationen, die nicht unbedingt revolutionär zu nennen sind - ein Widerstand, der auf Umwälzung hinzielt, kann sich an keinem Punkt der Auseinandersetzung darauf einlassen, sich der herrschenden Gewalt zu fügen.
Die sogenannte Gewaltdebatte, wie wir sie infolge der Ereignisse von Genua einmal mehr erleben durften, ist keine neue gesellschaftliche Erscheinung, ebensowenig wie der Kapitalismus selbst und der Widerstand gegen diesen. In solcherlei Diskussionen erscheint "die Gewalt" zumeist als eigenständig handelndes, bösartiges Wesen, das Teile der Polizei wie DemonstrantInnen gleichermaßen überkommt und zu "sinnlosem" Handeln treibt. Üblicherweise wird dabei als Nulllinie der vermeintlichen "Gewaltlosigkeit" das Gewaltmonopol des Staates definiert. Jene, die nicht einmal das vorgegebene Koordinatensystem anerkennen, stehen somit ohnehin außerhalb jeglicher Diskussion. Die jeweilige Festlegung der Nullkoordinate, also die Beantwortung der Frage, wie viel der Staat bzw. der Protest "dürfe", erfolgt dabei gemäß politischem Standpunkt unterschiedlich: Im konservativen Lager steht die Gewalt des "black bloc" im Vordergrund. Von Linksliberalen wird gefragt, ob denn so viel Staatsgewalt "angemessen" gewesen sei; nicht fehlen darf dabei der pflichtschuldige Aufruf an den "vernünftigen", letztlich integrierbaren Teil der Bewegung, sich endlich von "der Gewalt" der eigenen Seite zu distanzieren, die doch nur den eigenen Anliegen schade. Selbst in systemkritisch linken Kreisen wird gerne betont, dass man Gewalt ja eigentlich ablehne und diese höchstens die Folge von Polizeiprovokationen sein könne. Alle Variationen haben gemeinsam, dass sie sich die lästige Frage nach den Hintergründen des scheinbaren Naturphänomens "Gewalt" ersparen.Es erscheint mehr als notwendig, dass das autonome, antikapitalistische Spektrum sich nicht nur in Gestalt von Aktionsformen zeigt, sondern sich auch in wahrnehmbaren politischen Inhalten konkretisiert.
Nur so ist es möglich, der Strategie von Abschreckung, Spaltung und Systemintegration auf eine Weise entgegenzuwirken, die die radikale Systemkritik als festen Bestandteil innerhalb der Bewegung vorantreibt. Um diese weiter zu etablieren, muss sich der Widerstand weiterentwickeln - sonst drohen ihm Pluralität und Spontaneismus, die derzeit noch als Stärke auch der radikalen Proteste gelten, als ideologische Beliebigkeit und unkoordiniertes Handeln auf die Füße zu fallen. Längerfristig wird es nicht ausreichen, sich unverbindlich und spontan zu vernetzen, ohne haltbare und auch politisch tragfähige Strukturen zu schaffen, wenn die Bewegung nicht ebenso schnell im Hintergrundgrummeln vager Unzufriedenheit mit den Verhältnissen verschwinden will, wie sie daraus aufgetaucht ist.
Antifa und Globalisierung
Während in Göteborg die autonome Antifa noch wenigstens durch Symbole in Erscheinung getreten war, fehlten auch diese in Genua völlig. Die Symbole des "black bloc" waren von denen diffuser anarchistischer Strömungen dominiert. Und darin liegt das Problem begründet. Nach den Schüssen in Göteborg und der starken Repression auch gegen Antifas aus der BRD, wollte man in Genua völlig auf die Präsenz von Symbolen verzichten. Vor allem aus Selbstschutz versuchten die autonomen Antifas in Genua anonym zu bleiben, um sich der vermeintlichen Repression zu entziehen. Antifa-Fahnen, so dachte man, seien Hauptgrund für eventuelle Festnahmen. In der Argumentation bezog man sich auf die Erfahrungen aus Göteborg. Was zum Teil als Vorsichtsmaßnahme richtig war, sorgte aber auchg dafür, das eigene Inhalte und eine Kritik der radikalen Linken am weltweiten Kapitalismus nicht in Genua präsent waren. Stattdessen waren da die Attacs und militanten Veganer, die Bändiger des Welthandels, sowie die weißen Overalls. Um die Antifa war es still in Genua. Man begnügte sich damit, an den riots in irgendeiner Form partizipiert zu haben, was für die einzelnen Subjekte auch durchaus legitim und wichtig gewesen sein kann. Jedoch müssen sich diese Subjekte fragen, ob ihr militanter Ausdruck nicht in irgendeiner Form mit den eigenen Inhalten untermauert sein muss, um später von einem Erfolg zu sprechen. Einen Supermarkt zu plündern, kann unter gegebenen Bedingungen sinnvoll und richtig sein. Wenn aber die Mehrzahl des plündernden Mobs damit gegen Coca Cola als Symbol des US-Imperialismus demonstriert oder Autos angezündet werden, weil sie für Technik und Fortschritt stehen, dann sollte sich die Antifa und ihre Individuen fragen, wo sie sich in den militanten Protesten wiederfinden. Im Hinblick auf die kommenden Großereignisse in Europa mu0ß die Antifa Strategien vor Ort als auch in der Mobilisierung im Vorfeld entwickeln, die radikale Kritik sichtbar macht und sich abhebt vom Heer der Weltverbesserer und konstruktiven Mitstreiter der Globalisierungsbewegung. Dass dies zumindest im Ansatz möglich sein dürfte, hat Göteborg gezeigt und an diesem Event sollte angeknüpft werden.
Und wie gehts weiter?
Die Aktionen anlässlich des angekündigten, dann aber abgesagten IWF-Treffens vom 28. bis 30. September in Washington lockten gerade mal 20.000 Menschen auf die Straßen. Die Polizei hatte die Situation die ganze Zeit unter Kontrolle. Dieser Umstand ist wahrscheinlich teilweise der aktuellen Lage in den USA, besonders in New York und Washington nach den Anschlägen geschuldet - die Aktionstage gerieten zu einer Demonstration der Friedensbewegung. Es könnte jedoch ebenso als Vorbote des drohenden Niedergangs der Bewegung gedeutet werden, eine Folge der Nicht- Artikulation der eigenen Inhalte.
Vorerst können diese Betrachtungen nur Spekulation sein.Ob es um die Situation in einer Nation, die, weil sie zum Krieg rüstet, den Atem anhält, geht und jeder Widerstand als Friedensbewegung auftreten muss, verschärfte Repression aufgrund der in diesen Tagen gerne ins Feld geführten angespannten Sicherheitslage oder - die erlebte Situation in Genua - um einen Staatsapparat mit postfaschistischen Sicherheitskräften und einer rechten Allianz als Regierung geht:
Die Möglichkeit, dass autonomer Widerstand sich als relevante Kraft an den Auseinandersetzungen beteiligt und nicht zerschlagen und profillos herausgeht, wird eher bestehen, wenn es gelingt, die eigenen politischen Positionen einem breiteren Publikum mitzuteilen. Es geht darum, die eigenen Inhalte in die Waagschale zu werfen und sowohl in die Gesellschaft als auch in andere politische Spektren als Kraft mit eigener politischer Linie hineinzuwirken. Es muss gelingen, eine verbindliche Struktur zu schaffen, die der autonomen Aktion eine Stimme verleiht.Das nächste Großereignis unter dem Vorzeichen "Globalisierungsproteste" ist der EU-Gipfel in Brüssel. Auf diesem Treffen sind die weitere Harmonisierung der Innenpolitik der europäischen Staaten wichtiges Thema. Die BR Deutschland hat ihre Hausaufgaben schon gemacht, indem der neue Paragraf 129b in diesen Tagen in Kraft treten wird. Er ermöglicht die Verfolgung von Menschen, denen die "Unterstützung von kriminellen Vereinigungen im Ausland" vorgeworfen wird. Weitere Themen sind NATO- und EU-Osterweiterung.
Die Mobilisierung zu dem Gipfel "Laeken Summit" in Brüssel hat in verschiedenen Spektren schon begonnen.
Nach einer internationalen Demonstration am Donnerstag, 14. Dezember und dem Beginn der Gipfel-Treffen am 15. Dezember wird es am 16. Dezember einen Aktionstag mit "FORUMS--STREET PARTY-CREATIVES ACTIONS-INDEPENDANT MEDIAS-CONCERT" geben (www.bruxxel.org).
Es ist jetzt Zeit, die Planungen voranzutreiben, mit einem autonomen Block auf den Aktionen in Brüssel aufzutreten und auch auf der Internationalen Demonstration die eigene politische Linie zur Geltung zu bringen.Die Aktionen anlässlich des angekündigten, dann aber abgesagten IWF-Treffens vom 28. bis 30. September in Washington lockten gerade mal 20.000 Menschen auf die Straßen. Die Polizei hatte die Situation die ganze Zeit unter Kontrolle. Dieser Umstand ist wahrscheinlich teilweise der aktuellen Lage in den USA, besonders in New York und Washington nach den Anschlägen geschuldet - die Aktionstage gerieten zu einer Demonstration der Friedensbewegung. Es könnte jedoch ebenso als Vorbote des drohenden Niedergangs der Bewegung gedeutet werden, eine Folge der Nicht- Artikulation der eigenen Inhalte.
Vorerst können diese Betrachtungen nur Spekulation sein.Ob es um die Situation in einer Nation, die, weil sie zum Krieg rüstet, den Atem anhält, geht und jeder Widerstand als Friedensbewegung auftreten muss, verschärfte Repression aufgrund der in diesen Tagen gerne ins Feld geführten angespannten Sicherheitslage oder - die erlebte Situation in Genua - um einen Staatsapparat mit postfaschistischen Sicherheitskräften und einer rechten Allianz als Regierung geht:
Die Möglichkeit, dass autonomer Widerstand sich als relevante Kraft an den Auseinandersetzungen beteiligt und nicht zerschlagen und profillos herausgeht, wird eher bestehen, wenn es gelingt, die eigenen politischen Positionen einem breiteren Publikum mitzuteilen. Es geht darum, die eigenen Inhalte in die Waagschale zu werfen und sowohl in die Gesellschaft als auch in andere politische Spektren als Kraft mit eigener politischer Linie hineinzuwirken. Es muss gelingen, eine verbindliche Struktur zu schaffen, die der autonomen Aktion eine Stimme verleiht.Das nächste Großereignis unter dem Vorzeichen "Globalisierungsproteste" ist der EU-Gipfel in Brüssel. Auf diesem Treffen sind die weitere Harmonisierung der Innenpolitik der europäischen Staaten wichtiges Thema. Die BR Deutschland hat ihre Hausaufgaben schon gemacht, indem der neue Paragraf 129b in diesen Tagen in Kraft treten wird. Er ermöglicht die Verfolgung von Menschen, denen die "Unterstützung von kriminellen Vereinigungen im Ausland" vorgeworfen wird. Weitere Themen sind NATO- und EU-Osterweiterung.
Die Mobilisierung zu dem Gipfel "Laeken Summit" in Brüssel hat in verschiedenen Spektren schon begonnen.
Nach einer internationalen Demonstration am Donnerstag, 14. Dezember und dem Beginn der Gipfel-Treffen am 15. Dezember wird es am 16. Dezember einen Aktionstag mit "FORUMS--STREET PARTY-CREATIVES ACTIONS-INDEPENDANT MEDIAS-CONCERT" geben (www.bruxxel.org).
Es ist jetzt Zeit, die Planungen voranzutreiben, mit einem autonomen Block auf den Aktionen in Brüssel aufzutreten und auch auf der Internationalen Demonstration die eigene politische Linie zur Geltung zu bringen.
weitere Infos unter:
Phase 2 Göttingen