System Failure – Matrix, Terminator und andere Apokalypsen des Kapitalismus

Gegen den Kapitalismus bietet »Terminator« die bessere Theorie als »Matrix«

»The terrifying aspect of traditional horror films arises from a recognition that we are forever linked to the crudeness of our earthbound bodies; the fear in SF Films springs from the future possibility, that we may – in a sense – lose contact with our bodies.«(1)

Vivian Sobchack: Screening Space – The American Science Fiction Film

Es ist der Sommer der letzten Gefechte: In Matrix Reloaded und Matrix Revolutions wird die Menschheit ihren Kampf gegen die virtuellen Sklavenhalter zum Abschluss bringen. Und in Terminator 3 – Rise of the Machines offenbart der postmoderne Kapitalismus sein wahres (weibliches) Gesicht. Doch die Revolution findet schon seit Jahrzehnten im Kino statt.

Schnitt: rund 30 Jahre zuvor. Ein blonder Jüngling (Michael York) in einem über der Brust leicht zerfetzten Schlafanzug sitzt neben seinem rehäugigen Weibchen (Jenny Agutter) im feuchten, mintgrünen und sehr kurzen Kleid. Die Szenerie ist auf eine wilde Art idyllisch: Grünes Unterholz, ein moosbewachsener Baumstamm als Sitzgelegenheit. Leise Tierlaute. Die beiden führen das nach Hollywood-Maßstäben wohl grundlegendste Mann-Frau Gespräch. Jessica will mit Logan alt werden. Doch Logan muss zurück. Warum? Logan: »Ich habe dieses perfide System durchschaut, und es tötet jeden Tag Menschen. Ich kann nicht in Frieden hier bleiben, solange dort die Menschen sterben.«

Die Szene stammt aus dem Film Flucht ins 23. Jahrhundert (Logan´s Run) von 1974. Logan und Jessica sind just aus einer von einem Computer beherrschten, streng reglementierten und entemotionalisierten Kuppelstadt entkommen. Die mittlerweile verwilderte Erdoberfläche ist für sie ein Wunder: Zum ersten mal treten sie unter freiem Himmel. Die gleißendrote Abendsonne versinkt über einem entfernten Bergkamm. Jessica, zwischen Furcht und Andacht hin- und hergerissen: »Was ist das, Logan?« Logan: »Ich weiß es nicht. Aber es spendet Wärme.«

 

Als der Widerstand wieder stand

Der »systemkritische« Hollywoodfilm ist nicht etwa ein Phänomen der neunziger Jahre. Logan´s Run ist nur einer von zahllosen Filmen, die technokratische Gesellschaftssysteme zum Thema machten, in denen persönliche Bindungen verschwinden und das Leben in Produktions- und Informationsprozesse aufgelöst wird. Die »Systemkritik« dieser Filme war natürlich einfach gestrickt und lässt sich in der Dichotomie zwischen »Authentizität« und »Entfremdung« praktisch komplett beschreiben. Logan´s Run ist eine direkte, »warnende Dystopie«: Wir erkennen die Entfremdung, wir begreifen auf den ersten Blick, dass das perfekt durchorganisierte Leben in der Kuppelstadt einfach nicht richtig sein kann. Wenn Logan und Jessica endlich die Luft der freien Natur atmen, kehren sie zu dem zurück, was das Leben eigentlich ausmacht: Sonne. Gras. Zusammen alt werden (Heiraten – auch die Bedeutung dieses Wortes müssen Logan und Jessica an der Oberfläche neu entdecken. Doch sie erschließt sich ihnen intuitiv). In Logan´s Run ist das Verhältnis von Innen und Außen selbstverständlich. Innen, dass ist im Zwangsverhältnis. Außen, dass ist bei uns selbst. Als menschliche Wesen sind wir von uns aus, so Logan´s Run, vorerst außerhalb des Systems Subjekte. Die Idee des Widerstands ist somit eine der Wiederaufrichtung einer verloren geglaubten ursprünglichen Identität.

Das ist natürlich Unsinn. Um diesem Unsinn und seinen politischen Implikationen auf die Spur zu kommen, fragt dieser Artikel sich, wo wir in den dieser Zeit aktuellen »Systemkritiken« Hollywoods das Innen und das Außen des Systems wiederfinden, und wie der Widerstand sich im Spannungsfeld zwischen beiden artikuliert.

 

In der Matrix ist das Empire hier

Über 20 Jahre später funktioniert Matrix ähnlich wie Logan´s Run und doch ganz anders: Hier ist das, was uns normal erscheint, die Illusion – die Welt mit ihren Hochhäusern, Autos und Handys. Wir leben schon längst im System der absoluten Entfremdung, rundherum eingestöpselt und absolut bewegungsunfähig, während wir uns einbilden, die Sonne auf unserer Haut zu spüren. Doch wir ahnen etwas – Worte sind seltsam hohl, die Berührungen der von uns geliebten Menschen bedeuten weniger als der Kontakt unserer Augen mit den Monitoren, hinter denen wir Wahrheiten suchen. Matrix zielt (erst einmal) auf die Verunsicherung des Zuschauers ab: Du lebst in einem System, dessen Regeln du nicht kennst, denen du unterworfen bist, ohne sie zu begreifen. Die Wirklichkeit ist ein Geflecht aus Macht, geschaffen, um dich unter Kontrolle zu halten.(2)

Etwa eine halbe Stunde lang hält Matrix es durch, uns zu verunsichern: Wenn nichts wirklich ist – was ist die Matrix? Wir erwarten eine Antwort und kriegen sie, wenn Neo die Illusion zum ersten mal »durchbricht«: Die Wirklichkeit ist eine Wüste. Wir haben sie zerstört, während wir die Virtualität der Matrix erschaffen haben. Was uns bleibt, ist das Zerschmettern der Illusion, die uns durchdrungen hat.

Sowohl Matrix als auch Logan´s Run operieren mit den Polen der Authentizität und der Entfremdung. Doch während wir in Logan´s Run scheinbar unwillkürlich erkennen, was wirklich ist (Die Sonne, die Blumen und die Ehe), müssen wir in Matrix lernen, es zu erkennen. Dennoch: Auch in Matrix bleibt die Authentizität der feste Pol, der der abstrakten Illusion quasi-räumlich entgegensteht.

Beide Filme rekurrieren im Prinzip auf die gleiche Vorstellung vom »System«. Es handelt sich um einen »künstlichen« gesellschaftlichen Zusammenhang, der uns gewissermaßen von unserem eigentlichen Selbst abschneidet und unsere Potentiale absaugt. Dieses System beutet die konkreten, ihm vorgängigen Kräfte aus. In Matrix sind die Menschen nichts als Batterien. In Logan´s Run sind sie Nummern in einer Bevölkerungsstatistik. Mit 30 müssen sie sterben, um Platz für ebenso nummerierte Retortenbabys zu machen. Die »Systeme« stehen still, hemmen jede Entfaltung von »Genie«. Negri und Hardt würden sie in Empire treffend beschreiben, wenn sie von der schöpferischen Kraft der Menge sprechen, die durch das Empire gefesselt und abgeschöpft wird.

Die falsche Entgegensetzung von schöpferischer Kraft und abstrakter Abschöpfung im Kapitalismus ist immer wieder hergestellt und immer wieder kritisiert worden. Die Kritik soll hier nicht ausführlich wiederholt werden: Im wesentlichen besagt sie, dass diese Entgegensetzung die Idee einer Trennbarkeit von »produktiven« und »parasitären« Sphären der Gesellschaft aufrichtet. Diese Kritik an den hier vorgestellten Entwürfen von Gesellschaft vorausgesetzt, bleibt die interessante Frage, was für Konsequenzen sie für den Widerstand gegen das »System« ziehen.

 

Exkurs: Neo-Ich-AG

Die Lektüre von Matrix mit Empire macht weitere Kritik beider Szenarien nötig: Zwar ist es Empire zugute zu halten, dass es die »schöpferische Macht« der Menge antiessentialistisch zu beschreiben versucht (ob das gelingt oder möglich ist, ist noch eine andere Frage). Bei N/H resultiert sie aus der tendenziellen In-Macht-Setzung des Individuums. Im Empire, so die Autoren, wird Arbeit zunehmend durch Kommunikation verwirklicht. In diesem Sinne würde die Arbeit zunehmend von »selbstbewussten« Individuen geleistet, die den Arbeitsprozess und sein Ergebnis überschauen (müssen). Dass Empire wird zu einer parasitären »Hülle«, die nur noch abgestreift werden muss. Was N/H hier beschreiben, wirkt auf den ersten Blick wie eine systeminterne Widerstandsperspektive, in der die Ich-AG zum revolutionären Subjekt wird. In der Matrix sieht das dann folgendermaßen aus: Neo, der »Eine«, ermächtigt sich der Informationsprozesse und wird damit zum freien, systemantagonistischen Subjekt. Er »sieht« die Zahlenreihen und »begreift«, was er tut.

Doch dieser systeminterne Widerstand ist doppelbödig, insofern seine Postulierung die zentrale Eigenschaft vergisst, die Foucault der Macht zuspricht(3), dass sie eben nicht nur in den Abschöpfungsinstanzen wirkt, dass sie nicht nur (sichtbar oder wie in der Matrix unsichtbar) diszipliniert. Vielmehr geht sie »in die feinsten Verästelungen«. Die Ich-AG taugt damit ebenso gut als funktionierendes Subjekt der Kontrollgesellschaft. Für Matrix bleibt festzuhalten, dass Neos revolutionäre Rolle sich im Entwurf des Films nur über seine Verbindung zum authentischen Außen garantieren lässt.

 

Wir müssen hier raus!

Matrix und Logan´s Run teilen also die Vorstellung, dass der Widerstand eine Anbindung ans »Außen« braucht. Das System kann nur bekämpft werden, wenn es »erkannt« wurde. Neo sieht am Ende die Matrix in Form von Zahlenreihen. Es ist sein vollständiges Begreifen (seine Position ganz und gar außerhalb des Systems, als selbstbestimmte »Ich-AG«), das ihm die Macht verleiht, es zu zerstören. Dieses »Begreifen« rekurriert auf die Vorstellung absoluter Selbstidentität. Für Neo bedeutet das, dass er seine Rolle als »der Auserwählte« ganz und gar annimmt. Das Identischwerden mit dem eigenen Selbst wird seit jeher in den verschiedensten Varianten als der Ausweg aus den Zwängen des Systems gepriesen – es wurde gedacht als esoterische oder religiöse Selbstfindung ebenso wie als Selbstverwirklichung im HausbesetzerInnenkollektiv(4). Die Gewalt des Systems kann dem selbstidentischen Neo nichts anhaben, nachdem er ihren illusionären Charakter gesehen hat. Neo ist damit innerhalb der Verhältnisse schon von ihnen befreit – eine Vorstellung, der zu widersprechen ist. Durch die Wahrheit »frei« zu werden, führt Linke für gewöhnlich in Sektenstrukturen.

Auch in Logan´s Run ist es allein Logans Wissen über das Außen, das, direkt aus seinem Kopf gesaugt, den Computer der Kuppelstadt zum Versagen bringt. Matrix unterliegt dabei mehr noch als Logans Run dem Paradoxon, ein Außen anzunehmen, obwohl das beschriebene System absolut konstitutiv für das Leben seiner Bürger ist.

Nicht zuletzt die feministische Wissenschaftskritik hat den Mythos des scheinbar objektiven »Blicks von Außen« trefflich kritisiert. So erscheint es auch »angemessen«, dass der Blick von Außen im Film immer ein männlicher ist (der freilich eine weibliche Rückbindung an seine eigene Authentizität braucht, um zu wissen, wofür er kämpft. In Matrix ist es Trinity, die Neo durch einen Dornröschenkuss aus der Illusion erweckt – ihre »weibliche« Qualität liegt hier darin, dass sie mit ihrer Liebe eine Anbindung an das tatsächliche, nicht-illusionäre Selbst ermöglicht).(5)

Der patriarchal besetzte Mythos des Blicks von Außen lässt sich abstrakt gut kritisieren, seine Problematik ist hier jedoch praktisch-politisch. Er konstituiert einen doppelten Raum. Ein Teil ist durch die Lügen der Herrschenden konstituiert, der andere durch den Kampf gegen diese Lügen, für die Wahrheit. Matrix auf die politische Praxis herunterzubrechen, heißt, die »Lügen der Herrschenden« aufzudecken, die scheinbar nur einem Zweck dienen: unsere Lebenskraft auszubeuten. Eine solche Perspektive verstellt den Blick auf das abstrakt-allgemeine Funktionieren des Kapitalismus, bei dem es sich nicht etwa um eine Lüge der Herrschenden handelt. Der Kapitalismus braucht keine Garantien in Form titanischer Maschinenkomplexe, die hinter der Illusion stehen, er hat keine »wahren Herrscher«. Gerade deshalb ist die Ich-AG auch kein »wahres«, selbstermächtigtes Subjekt. Die Konstruktion dieses Subjekts nehmen Matrix und Empire nur vor, um es dem (un)heimlichen Herrscher (dem Empire) entgegenzustellen. Die Idee der Operationsbasis im Außen basiert auf der Vorstellung, in jenen Raum vorzudringen, in dem die vermeintlichen wahren Herrscher (die Maschinen) residieren. Es geht darum, mit den Herrschenden auf Augenhöhe zu kommen, indem man das System durchschaut, wie sie es vermeintlicher Weise als seine Architekten tun. Der DaZ(6) wird in Matrix vor allem seinen Verdacht bestätigt finden, dass er belogen wird und dass die Welt eine Verschwörung ist.

Dem entgegen gilt es festzuhalten, dass die Operationsbasis der Revolution nur im Inneren des Kapitalismus liegen kann – wenn wir davon ausgehen, dass sein Verhältnis prinzipiell durchdringend und subjektkonstituierend ist. Es gibt kein »wahres Ich«, dass in einen Tank gesperrt ist und auf seine Befreiung wartet. Es gibt nur das Subjekt, das den Ausgang sucht, um durch ihn an einen Ort zu gelangen, den noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat(7) – auch nicht Morpheus.

 

Hier ist das Empire quasi hier

Haben wir im Empire der Matrix die rote Pille geschluckt, dann sind wir kampfbereit. Wir kehren wissend in die Matrix zurück und verkünden die Wahrheit: es gibt ein echtes Leben. Ihr müsst es nur wählen. Der revolutionäre Impetus von Matrix ist ein Aufbegehren gegen die postmoderne Aussetzung der Historizität. In Matrix ist die Geschichte aufgelöst – es gibt nur noch die Illusion einer Welt, die am Ende des 20. Jahrhunderts stehen bleibt und eine ewige, gewitterumtoste Postapokalypse. Neo kämpft für die Wiedereinführung von Geschichte als Umwälzung – die absolute Geschichtslosigkeit der Matrix kann nur durchbrochen werden, nicht reformiert. Für den Bruch mit dem System braucht es einen Messias, eine Figur, die von Außen kommt und mit Recht sagen kann: »Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet«.(8)

Die ersten beiden Terminator-Filme sind eine andere Geschichte über technokratische Systeme. In ihnen gibt es keine räumliche Trennung des Innen und des Außen wie bei Matrix – hier leben alle Beteiligten im Immanenzfeld des Techno-Systems und bleiben dort. Auch Terminator löst die Geschichte auf: In T1 (James Cameron, 1984) ist die Maschinenherrschaft zugleich vorherbestimmt und aktuell. Der Raum der »Gegenwart« des Films unterscheidet sich im Prinzip kaum von der bevorstehenden Zukunft. Die Heldin Sarah Connor (Linda Hamilton) treffen wir zum ersten Mal als Angestellte in einem Fast-Food-Schuppen, wo sie unter dem entfremdeten Arbeitsregime zu leiden hat. Der Widerstand hat in T1 keine anderen Möglichkeiten, als die Möglichkeit von Widerstand in der Zukunft zu sichern.(9) Die Kämpfe in Gegenwart und Zukunft sind analoge Rückzugsgefechte, die keine Operationsbasis im Außen haben, keine Rückversicherung auf die Wirklichkeit. Die Helden des Films sind ohne geographischen Ausweg der Maschinenherrschaft unterworfen. Freilich kommen wir auch hier nicht ohne einen Messias von Jenseits aus. Der aus der Zukunft geschickte Kyle (Michael Biehn) kennt die Gefahren des »Systems« aus erster Hand. Er ist vielleicht ein schwächerer Proto-Neo(10). Dieser Messias kann den Blick auf nichts anderes als die Fortdauer der Unterdrückung eröffnen. T1 zeichnet damit ein zutiefst pessimistisches Bild immanenter gesellschaftlicher Entwicklung. Gegenüber dem technokratischen System haben wir längst schon verloren, sind entfremdet ohne die Chance auf Heimkehr. Der Kampf ist aussichtslos weil immanent. Seine Waffen sind die Waffen des Feindes und nicht auf Dauer zweckentfremdbar. Der Terminator wird in einer Schrottpresse zerquetscht, die ebenso für technokratische Produktionsregimes steht wie er selbst. Der Ort der Fabrik hat am Ende des Films keinen erlösenden Charakter, konstituiert kein Außen. Sarah Connor blickt selber »zu Tode« erschöpft in die toten Augen ihres Geliebten, bevor der Leichensack zugezogen wird. Es gibt keine Erlösung aus dem Produktionsregime außer dem Tod. Es ist nur zu passend, dass eben die Fabrik, in der der erste Terminator zerquetscht wird, zum Nukleus von Skynet werden wird, jener Macht, die die Maschinenherrschaft perfektioniert. Für eine linksradikale Perspektive ist T1 nicht besonders attraktiv.

 

Der Fordismus ist ein guter Vater

In Terminator 2 (Cameron, 1991) eröffnet das Aufeinanderprallen fordistischer und neoliberaler Regimes dagegen plötzlich Potentiale des Widerstands. Die Subjekte bleiben zwar weiter in ihren jeweiligen Technokratien verhaftet, der Phasenraum bleibt geschichtslos, aber er gewinnt dafür eine andere Qualität: die der vertikalen Potentialität. Zu Beginn des Films sehen wir die Heldin Sarah in der Anstalt als einem neuen Zwangssystem. Gänzlich individualisiert besinnt sie sich zwangsläufig auf ihre eigene psychische und physische Stärke. Das neue Regime besteht weniger in Hierarchien, sondern vielmehr in willkürlichen Zwangsmomenten. Folglich ist auch der neue, bedrohliche Terminator T-1000 flüssig, flexibel, und dringt wortwörtlich ins Innerste des Lebens ein. Er erschießt und zerschmettert seine Gegner nicht, er durchbohrt sie mit just-in-time produzierten Messern und Dolchen.(11) Er siegt nicht durch die Massenproduktion von Munition, sondern durch spontane Anpassung an die Erfordernisse. Er ist informatisierte Technologie (flüssiges Polymer).

Dieser Bedrohung gegenüber wird der alte Terminator (Schwarzenegger) zum Verbündeten. Er steht für soziale Stabilität, auf den Punkt gebracht in einem Voice-Over, dass Sarahs Überlegungen über ihn als potentiellen Vater zum Ausdruck bringt: »Er würde sich niemals betrinken, ihn [Sarahs Sohn John, A.d.A.] niemals schlagen. In einer verrückt gewordenen Welt [im Postfordismus, A.d.A.] war er die vernünftigste Alternative«.

Wir haben also In T2 zwei Varianten der Maschinenherrschaft, die sich vereinfacht als fordistische und postfordistische Regimes beschreiben lassen. Beide sind aktuell. Das fordistische Regime wird jetzt allerdings plötzlich zur Macht, die die Verhinderung der totalen Maschinenherrschaft in Aussicht stellt. In dem Moment, in dem die Gesellschaftsmodelle aufeinanderprallen, öffnet sich der Phasenraum der Geschichte in ein Feld der Möglichkeiten. Am zentralen Wendepunkt der Geschichte, als das Heldentrio sich entscheidet, Skynet präventiv zu zerstören, hören wir wiederum Sarahs Voice-Over: »Die Zukunft, die mir immer festgelegt erschienen war, hatte sich in eine dunkle Autobahn in der Nacht verwandelt.«

Die Öffnung des geschichtlichen Raums findet nicht von ungefähr im Jahr 1992, also kurz nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, statt. T2 verhandelt sowohl die furchteinflößenden Komponenten der neuen Unsicherheit wie ihre Hoffnungspotentiale. Letztere binden sich ausgerechnet an das alte Techno-Regime, an den ersten Terminator. Zunehmend erscheint er als das Versprechen sozialer Abgesichertheit. Aber T2 endet nicht in der nostalgischen Affirmation dieser guten alten Zeit, als Väter noch Väter waren. Der gute Terminator muss, nachdem er seine Mission erfüllt hat, ebenfalls sterben, ansonsten würde er zum Quell neuer technokratischer Übel werden. Die Möglichkeiten des Widerstands gegen die jeweils bekämpften Regimes sind damit in T2 historisch verortet – es gibt hier keinen universellen Ort des Kampfes, kein Außen, dass die dauerhafte Legitimität des Widerstands im Dienste der Wahrheit garantiert. Dem Terminator alter Bauart kommt nur an einem historisch spezifischen Ort eine emanzipatorische Rolle zu. Natürlich bleibt die Verknüpfung dieser Rolle mit der Figur des Vaters zutiefst problematisch. Dieses Relikt des Fordismus taugt kaum als revolutionäres Subjekt. Die prinzipielle Feststellung aber, dass seine Rolle als dieses Subjekt nicht universell, sondern nur im Bezug zu den gesellschaftlichen Verhältnissen zu garantieren ist, bleibt zu unterstützen. In diesem Sinne hebt sich T2 wohltuend von Matrix ab. Letztere bevorzugt eine esoterisch verbrämte Perspektive absoluter Systemerkenntnis und Selbstidentität, die nicht weniger patriarchal aufgeladen ist. Matrix wie Logan´s Run geben uns die Wahrheit, entweder in Form des transzendenten Subjekts oder als einfache, unhintergehbare Binsenweisheit. T2 zeigt uns nur eine dunkle Autobahn in der Nacht, die Anlass zur Hoffnung gibt. Denn wenn eine Maschine, ein Terminator, das Dilemma zwischen der eigenen Konstituiertheit durch die falschen Verhältnisse und dem Anspruch ihrer revolutionären Überwindung für eine emanzipatorische Perspektive produktiv machen kann, dann können wir es vielleicht auch.

 

 

Fußnoten:

(1) »Das Erschreckende am traditionellen Horrorfilm erwächst aus der Erkenntnis, dass wir auf ewig an die Ungeschlachtheit unserer irdischen Körper gebunden sind; in SF-Filmen entspringt die Angst der zukünftigen Möglichkeit, dass wir – sozusagen – den Kontakt mit unseren Körpern verlieren könnten.« (Ü.d.A.)

(2) Die Filmtheoretikerin Vivian Sobchak macht dieses Element bereits 1984 bei Blade Runner aus: Der ganze Film erschafft eine rein »technische« Umgebung. In der ersten Version des Films führt eine Schlussszene zum Happy-End in die freie Natur, doch diese erscheint im Verhältnis plötzlich artifiziell und unglaubwürdig. Blade Runner lässt den Zuschauer akzeptieren, dass die Wirklichkeit schon nicht mehr authentisch ist. Interessant ist, dass im späteren Director´s Cut dieses Ende wieder entfernt wurde.

(3) Vgl. Michel Foucault, Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I, Frankfurt/M. 1983.

(4) Beziehungsweise als linke Selbstverwirklichung im Lesekreis, der das System rein theoretisch »durchschaut«.

(5) Die tendenziell patriarchale Konstruktion eines selbstermächtigten Subjekts wird unterstützt durch die angstbesetzten Weiblichkeitsbilder, die in dem Film auftauchen: Die monströse, verschlingende Gebärmutter, in der Neos Körper gefangen ist, ist ebenso eine Bedrohung für das männliche Subjekt wie die Penetration durch den Nackenstecker, die unmittelbar das Gehirn angreift – diese Penetration verweiblicht Neo selbst und lässt sich unschwer als die klassische Angst vor dem weiblichen Phallus lesen. Die Selbstermächtigung Neos ist zugleich eine Entweiblichung. Er widersteht der Penetration und schreitet nun selbst zum Vollzug selbiger, indem er mit den Fäusten voran in den Körper des Agenten Smith eintaucht und ihn von Innen zum explodieren bringt. Interessant ist dabei, dass die Männlichkeit nicht in der materiellen Wirklichkeit wieder aufgerichtet werden kann, sondern nur in der virtuellen Matrix.

(6) Dümmster anzunehmender Zuschauer

(7) Leider ist weder Matrix noch die wirkliche Welt das Raumschiff Enterprise. Auf dessen Holodecks reicht die verbale Anweisung »Computer – Ausgang!« dafür aus.

(8) Der Replikant Roy Baty (Rutger Hauer) in Blade Runner. Auch er hat ein paar messianische Züge, deren Erörterung hier aber zu weit führen würde.

(9) Ob sich da Parallelen zum Stand der radikalen Linken aufzeigen ließen?

(10) Übrigens vollzieht Kyle den patriarchalen Schöpfungsmythos in Reinform. Von Sarahs Sohn aus der Zukunft geschickt, fickt er sie und zeugt diesen damit. Der Zirkel der männlichen Selbsthervorbringung, vermittelt über eine Frau, die als »reines Gefäß« zugleich in den Prozess ein- und aus ihm ausgeschlossen ist, ist perfekt. Der doppelte Messias kann auch hier nur männlich sein, während die Frau nur als Inspiration und Gefäß taugt.

(11) Trotz dieser sexualisierten Penetration erscheint er im Gegensatz zur hausbackenen Männlichkeit des alten Terminator verunsichernd androgyn. Der T-1000 ist eine Schnittmengenfigur postmoderner Klischees. Zum einen repräsentiert er selbst die »Krise der Männlichkeit«, die zur oberflächlichen Konsummännlichkeit verkommt (Der T-1000 konsumiert, indem er tötet und trägt dass Konsumierte, die Gestalt des Getöteten, auf seiner nicht von ungefähr spiegelnden Oberfläche zur Schau. Das Ganze hat etwas vampirhaftes...). Gerade in seiner Verweiblichung wird seine Sexualität zutiefst suspekt und bedrohlich. Als Mann fehlt ihm der »harte Kern« Schwarzeneggers, als »Frau« ist er sexuell dimorph und bedrohlich. Es dürfte interessant werden, die schon im Vorfeld deutliche Sexualisierung der weiblichen »Terminatrix« aus T3 zu untersuchen.

Phase 2 Berlin