Vom Erkenntniswert der Fiktion für die Geschichte

Nachtrag zur Debatte um Jonathan Littells Roman Die Wohlgesinnten

Vor dreißig Jahren schrieb Günther Anders nach der Erstausstrahlung der US-amerikanischen Fernsehserie Holocaust, nur durch fictio könne das factum, nur durch Einzelfälle könne das Unabzählbare deutlich und unvergessbar gemacht werden. Millionen Ermordete zu betrauern, dazu sei niemand in der Lage. Dan Diner deutete auf das gleiche Problem, als er in den neunziger Jahren schrieb, der Holocaust habe eine Statistik, aber kein Narrativ. In kaum zu überbietendem Zynismus hatte Stalin ein Opfer eine Katastrophe genannt, Millionen dagegen als Statistik bezeichnet. Hannah Arendt unterschied weniger zwischen Literatur und Geschichtsschreibung, einzig das Kriterium der Wahrhaftigkeit des Dargestellten war für sie zentral. Jorge Semprun schließlich hat Anfang 2008 in einem Gespräch über Jonathan Littells Roman Die Wohlgesinnten (2006) zu bedenken gegeben, dass die Erinnerung an den Holocaust oder auch die Résistance verschwinde, wenn sich nicht junge, nachgeborene Autoren dieser Themen annähmen. Semprun traut den Dichtern dabei etwas zu, was er der Geschichtsschreibung abspricht: Nur Erstere könnten das Erinnern erneuern, das ohne Fiktion stürbe. Freilich wäre eine Fiktionalisierung, die sich nicht um eine historisch richtige Rekonstruktion des Geschehenen bemüht, auch für eine emphatische Vorstellung von Erinnern ein Problem. Sempruns Stellungnahme kann daher als Herausforderung aufgefasst werden, über das Verhältnis von Geschichtsschreibung und fiktionaler Darstellung des Holocaust erneut nachzudenken.

Die seit dem Erscheinen von Les Bienveillantes (dt. Die Wohlgesinnten) in Frankreich vor allem dort, sowie in Deutschland, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Israel geführte Diskussion – in den jeweiligen Ländern jeweils aktualisiert durch die Übersetzungen – verlängert die bereits Jahrzehnte dauernde Debatte um die Darstellbarkeit des Holocaust. Bis heute besteht Uneinigkeit darüber, wie am besten an den Holocaust erinnert werden sollte bzw. werden kann, welche Darstellungsformen am angemessensten sind, wie verfügbar der historische »Stoff« tatsächlich ist und damit nicht zuletzt auch, wer überhaupt dafür infrage kommt, ihn zu gestalten. Diese Debatte hat sich in der Vergangenheit immer wieder gerade an fiktionalen Repräsentationen entzündet, wie z.B. beim Erscheinen von Art Spiegelmans Maus oder 1978/79 bei der Erstausstrahlung der Holocaust-Serie. Während damals im bundesdeutschen Diskurs insbesondere von KritikerInnen der Serie auf den Topos der Undarstellbarkeit zurückgegriffen wurde, setzte sich Günther Anders für die Notwendigkeit der Darstellung, insbesondere auch der fiktiven, ein. Er plädierte dafür, an dem Mittel der Personalisierung festzuhalten und sah gerade darin, dass in der Fernsehserie durch eine kleine Anzahl fiktiver Biographien an den Genozid an den europäischen Juden erinnert wurde, eine Möglichkeit, die in der Entrechtung und später im Massenmord betriebene De-Personalisierung der Opfer sichtbar zu machen. Richtiger müsse seiner Auffassung nach also von einer Re-Personalisierung durch die Fiktion gesprochen werden. In der Serie wird der jüdischen Familie Weiss, deren meiste Mitglieder im Holocaust ermordet werden, der nichtjüdische Nazikarrierist Erich Dorf gegenübergestellt. Ähnlich wie der ebenso fiktive Protagonist Dr. Max Aue aus Littells Die Wohlgesinnten ist die Figur Erich Dorfs so angelegt, dass sie an einer Vielzahl zentraler Orte der nationalsozialistischen Vernichtung auftaucht. Es ist gerade der erkennbare Kunstcharakter der Figur, der es ermöglicht, eine solche Synthese der Darstellung zu erreichen.

Auch aktuell ist an neuen fiktionalen oder semi-fiktionalen Texten, die von Nationalsozialismus und Holocaust handeln, kein Mangel, ganz zu schweigen von den zahllosen Filmen, die jährlich in die Kinos kommen, zuletzt Quentin Tarantinos Inglourious Basterds. So ist in den letzten fünf Jahren in den Vereinigten Staaten und Europa eine Reihe von Romanen erschienen, die sich erneut der Geschichte des Zweiten Weltkriegs, des Holocaust und anderer NS-Verbrechen nähern und dabei zum Teil auch fiktional die Perspektive der damaligen Täter einnehmen. Littells Die Wohlgesinnten, ein in der deutschen Fassung immerhin 1400 Seiten umfassender Roman, der in Frankreich u.a. mit dem renommierten Prix Goncourt ausgezeichnet wurde, ist dabei nur das bekannteste, umfangreichste und umstrittenste Beispiel. Ebenfalls kontrovers diskutiert, wenn auch insgesamt viel weniger wahrgenommen, wurde Volker Harry Altwassers in diesem Jahr veröffentlichter Roman Letzte Haut, in dem ein SS-Richter, ausgestattet mit einem Geleitbrief Heinrich Himmlers, ab 1943 in Buchenwald und anderen Konzentrationslagern gegen einzelne der Korruption verdächtige Angehörige der SS ermittelt. Erzählt wird aus dem Rückblick, den Kurt Schmelz, wie Altwasser seinen nach dem historischen Konrad Morgen (1909–1982) gestalteten Protagonisten nennt, auf seine Ermittlungen als SS-Richter wirft. Auch William T. Vollmanns preisgekrönter Roman Europe Central (2005) bedient sich teilweise mit seinen wechselnden Erzählern einzelner Täterperspektiven, während Nicholson Bakers Human Smoke (2008) die ersten zwei Jahre des Zweiten Weltkriegs vor dem US-amerikanischen Kriegseintritt anhand von Presseberichten in US-amerikanischen Zeitungen rekonstruiert. Während nach einem zeitlichen Abstand von mehr als 60 Jahren nach ihrer Befreiung die Überlebenden immer weniger werden, machen sich Angehörige einer jüngeren Generation daran, das historische Geschehen in fiktionalen Texten zu bearbeiten. Das mag Anlass zur Befürchtung geben, dass dabei der von Saul Friedländer in seinem einschlägigen Essay Kitsch und Tod (1982) herausgearbeitete Widerschein einer Faszination am Nationalsozialismus erneut zu beobachten sein könnte. Harald Welzer, auf den noch ausführlicher eingegangen wird, machte im Zusammenhang mit Littells Roman und dessen Rezeption gar eine »neue Eskalationsstufe der Nazi-Faszination« aus. Andererseits, und gerade angesichts derartiger Verdikte, erfordert jede einzelne der Darstellungen, nach ihrer historischen Angemessenheit ebenso wie nach den literarischen Strategien befragt zu werden.

Der Sozialpsychologe und Erinnerungstheoretiker Welzer hat sich in seiner Raul Hilberg gewidmeten Studie Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden (2005) ausführlich mit dem Verhalten von Menschen beschäftigt, die sozialpsychologisch nicht als auffällig gelten und dennoch zu Tätern werden und die die Mehrheit der NS-Täter bildeten; in der Formel von Christopher Browning: »ganz normale Männer«. Auch wenn der Titel der Studie einen universalen Erklärungsanspruch formuliert, bezieht sich sein Quellenmaterial auf NS-Täter. Einige seiner Thesen finden sich in knappster Form auch im Nachwort zu einer kürzlich erschienenen Edition von Erinnerungen eines unbekannten NSDAP-Mannes Lodemann wieder, worin Welzer außerdem den Begriff des »Zivilisationsbruchs« als Erklärungs- und Beschreibungsfigur für den Holocaust zurückweist. Ihm gelten gesellschaftlich dominante Normen ebenso wie situativ gebildete Gruppennormen, im Falle des NS außerdem eine spezifische nationalsozialistische Moral sowie Eigeninitiative, Karrieredenken und Idealismus als zentrale Motive für die Täter und damit für ein Verständnis des insgesamt prozessual zu verstehenden Geschehens von Massenmorden oder eines Genozids wie des Holocaust. Genau hieran setzen auch die Romane von Littell und Altwasser an, in denen Karriereüberlegungen der Protagonisten, Bürokratie und nationalsozialistische Moral literarisch konstruiert werden. Interessant ist diese Beobachtung auch deshalb, weil Welzer – trotz der auffälligen Parallelen im Verständnis von Täterschaft – gerade zu den schärfsten Kritikern von Littells Roman zählt.

In einer Besprechung vom 14. Februar 2008 in der Wochenzeitung Die ZEIT wirft er Littell regelrecht vor, mit der Mischung von Fakten und Fiktionen die Täterforschung zurückzuwerfen. An den Anfang seiner Rezension stellt Welzer eine knappe Erzählung über Hitlers Besuch in Paris drei Tage nach dem Sieg über Frankreich, bei dem dieser in wenigen Stunden eine Reihe touristischer Sehenswürdigkeiten aufsucht und sich im Operngebäude als genauer Kenner des Gebäudegrundrisses zeigt. Dass Hitler nach seinem Parisbesuch den ursprünglichen Plan verwirft, Paris zu zerstören, aber nun an Speer die Direktive ausgibt, Berlin müsse architektonisch »schöner« gestaltet werden, deutet Welzer als einen Utopismus, der auch die Geschichte betreffe. Die emotionale Durchschlagskraft des NS-Systems habe auf dieser umstandslosen Transformation von bloßen Behauptungen in Wirklichkeit beruht, worin die ungebrochene Faszinationswirkung begründet liege, die auch heute noch von Hitler, dem Nationalsozialismus und dessen Verbrechen ausgehe. Und genau da kommt dann für ihn Littell ins Spiel: In der Faszination des NS sieht Welzer auch den Grund dafür, »dass sich ein junger Autor nun bemüßigt fühlte, all die Taten, Täter und Toten jener Zeit in einer schier endlosen Erzählung aufzulisten«. Harald Welzer, Am Ende bleibt die Faszination. Jonathan Littell vermischt in seinem Roman Fakten und Fiktion und wirft die Diskussion um die NS-Täter weit zurück, in: Die Zeit vom 14. Februar 2008. Noch einen zweiten Zusammenhang konstruiert er zwischen Littell und Hitlers »Kurztrip« nach Paris, der in einem provozierenden Vergleich zweier »Dilettanten« besteht: Während Hitler ein profunder Kenner der Architekturgeschichte gewesen sei, wisse Littell alles über den Vernichtungskrieg. Mit diesem rhetorischen Paukenschlag hebt Welzer zu seiner Demontage des Bestseller-Autors an, der als detailversessener Kenner von Zweitem Weltkrieg und Holocaust charakterisiert, dem die fachwissenschaftliche Methodik und Kenntnis aber abgesprochen wird. Die daran anschließende Kritik bezieht sich aber auch auf die literarische Gestaltung, ein Feld, auf dem der Kritiker nun allerdings selbst offenbar vor allem kennerschaftlich unterwegs zu sein scheint. Welzer zählt die vielen einschlägigen Verbrecher und Repräsentanten des NS-Systems auf, die in den »Wohlgesinnten« auftreten und resümiert: »Alle sind sie da; aber die Dialoge, die sie produzieren, sind so mechanisch wie die Akten, in denen sie ihre Spuren hinterlassen haben. Diese Männer ohne Eigenschaften sind in diesem seltsamen Roman überhaupt nur das, was in den Quellen über sie zu finden ist; literarisch werden sie nicht gestaltet.« Ebd. Einerseits wird Littell also vorgeworfen, seine Quellen allzu wörtlich zu nehmen und sie nicht – zu ergänzen wäre: im Sinne der fachwissenschaftlichen historischen Forschung – quellenkritisch zu überprüfen und auch das wahrzunehmen, was nicht in den Quellen steht. Darüber hinaus aber verbindet Welzer die unterstellte Quellenblindheit mit dem Vorwurf eines literarischen Unvermögens zur Gestaltung des Stoffs. Insgesamt erklärt er sich die Entstehung des Romans schlicht damit, der Autor habe eine Theorie beweisen wollen, nämlich die, dass sich Opfer und Täter glichen. Dafür muss ein Zitat von Littells Protagonisten Dr. Max Aue herhalten, der im Roman sagt: »Sie sind wie wir.« Die Figurenaussage verknüpft Welzer mit einer aus dem Zusammenhang gerissenen und ungenau wiedergegebenen Aussage Littells, der im Gespräch mit Pierre Nora gesagt habe, »der Holocaust müsse ›dejudaisiert‹ werden«.

Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat in dem von ihr eingerichteten Reading room die Frage nach dem Verhältnis von Fakten und Fiktionen gestellt und gefragt, ob der Roman der Geschichtsschreibung überlegen sei. Die Experten, die darauf antworteten, zeichnen im Gegensatz zu Welzer ein eher ausgewogenes Bild dieser Beziehung als das eines Wechselverhältnisses. Der Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister verweist zum Beispiel darauf, dass Littell von den geschichtswissenschaftlichen Forschungen zu NS-Tätern aus den neunziger Jahren extrem profitiert habe, um im Anschluss auch für die Geschichtswissenschaft einen Nutzen von populären Darstellungen zu konstatieren, insofern gerade die besten Arbeiten zur NS-Forschung wesentlich lesbarer geworden seien. Littells Roman weise gerade in den Passagen, die phantasmagorisch daherkämen oder aber im Stile von Pulp-Fiction, über eine schlichte Aneignung geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisse hinaus. Ebensowenig hält es Friedmar Apel für plausibel, Geschichtsschreibung und Literatur gegeneinander auszuspielen, auch wenn er einer weitgehenden Gleichsetzung beider Erzählformen widerspricht, wie sie ihm in Hayden Whites Theoriebildung angelegt scheint. In Littells Roman sieht er den legitimen Versuch »gegenläufiger narrativer Geschichtsschreibung«, durch den der Anteil von Individuen am historischen Prozess ausgelotet werden könne, »ohne den Täter von vornherein entlastend in den Bereich des Außermenschlichen und Abscheulichen abzuschieben«. Der Freiburger Romanist Frank-Rutger Hausmann schließlich erinnert einerseits an den Unterschied zwischen Sachbuch und Roman und verweist auf verschiedene literarische Techniken wie Verkürzung, Stilisierung, Verschmelzung oder Trivialisierung, um andererseits auf die partielle Außerkraftsetzung literarischer Kriterien bei Literatur über den Holocaust hinzuweisen. Es ginge nicht so sehr um die literarische Qualität des Dargestellten, sondern um Emotionen, um Lerneffekte.

An diese Hinweise anknüpfend lassen sich resümierend einige Beobachtungen zum Verhältnis von Geschichtsschreibung und Literatur am Beispiel von den »Wohlgesinnten« festhalten: Die fiktive Darstellung des Holocaust, noch dazu aus der Perspektive eines Täters, die hybrid zwischen zwei Genres platziert ist, den Narrativen der Geschichtsschreibung und denen der Literatur, erregt offenbar auch dann Anstoß, wenn die Fakten weitgehend korrekt rekonstruiert wurden. Die literarische Konstruktion von Littells Roman, die sich u.a. auf ein komplexes intertextuelles Verweisspiel auf den griechischen Mythos der Orestie bezieht, zu der aber an erster Stelle ein höchst dubioser Ich-Erzähler gehört, dessen gesamte Erinnerungen daher immer unter der Perspektive der Selbstrechtfertigung eines Täters zu lesen sind und damit durchgängig eine Provokation für die Lesehaltung darstellen, muss analysiert werden, wenn die Leistung des Romans beurteilt werden soll. Letztere kann kaum darin liegen, HistorikerInnen von Holocaust und Zweitem Weltkrieg oder einem einschlägigen Täterforscher auf der Ebene der Fakten etwas Neues zu präsentieren; wohl aber darin, in der Perspektivierung, im Arrangement, der Kommentierung und wohl auch der partiellen Emotionalisierung und Popularisierung. Littell nutzt als Material für seinen Text sowohl Erinnerungen von Tätern wie die von Rudolf Höß, Adolf Eichmann oder Albrecht Speer, historische Darstellungen zum Zweiten Weltkrieg und zum Holocaust von Hilberg bis Kershaw sowie eine ganze Reihe weiterer Textsorten. Das ergibt ein Amalgam, das nicht als restlos geglückt angesehen werden muss, um den Einwand, der Roman diene nur der Illustration einer falschen These, zurückweisen zu können. Dass Max Aue verschiedentlich Juden und Nazis gleichsetzt und auch sonst Anhänger von allerlei verstiegenen Theorien ist, gehört zu seiner Anlage als einem Nazi, der schlussendlich im Rückblick in suggestiver Weise bei den als »Menschbrüdern« adressierten LeserInnen um Verständnis für sein Verhalten und seine Beteiligung am Massenmord wirbt. Littell mag durch einzelne provozierende Aussagen in Interviews selbst dazu beigetragen haben, dass Vorstellungen seines Protagonisten mit Ansichten seines Autors verbunden wurden. Die »Dejudaisierung« des Holocaust, die sich im Originalzitat auf die Frage von Rezeption und Zugangsmöglichkeiten zu Holocaust und Zweitem Weltkrieg bezieht, mag eine missverständliche Formulierung sein. Allerdings folgt Littells Satz: »Das ›dejudaisiert‹ das Problem irgendwie und macht daraus ein universelles Problem« der didaktischen Fragestellung, ob nicht durch die Kenntnis, dass praktisch allen europäischen Familien, wenn freilich auch auf häufig unterschiedliche Weise, Zweiter Weltkrieg und die Verbrechen des NS in »den Knochen« steckten, auch bei Nachgeborenen ein individuelles Interesse am Holocaust geweckt werden könne. Damit zielt die Person Littell im Gespräch – wie im übrigen auch Welzer in seinem Täterbuch – auf eine Universalisierung der Frage von Täterschaft. In seinem Roman wird jedoch die historische Partikularität des Genozids an den europäischen Juden keineswegs infrage gestellt und aus der fiktiven Perspektive eines Täters an etlichen der Vernichtungsstätten eingeholt – in einer schier endlosen Erzählung über die Taten, Täter und Toten jener Zeit. Darin lässt sich eine Form erkennen, die das fehlende »Narrativ« des Holocaust und seine vorhandene »Statistik« (Dan Diner) miteinander verbindet. Der Erkenntniswert der »Wohlgesinnten« für die Geschichtsschreibung dürfte aber wohl vor allem in einer doppelten Provokation liegen: dass der Roman durch seine spezifische Literarizität, die nicht vor Splatter-Elementen haltmacht, erneut auch auf die rhetorischen Muster der von der historischen Forschung produzierten Narrative verweist – und dass sein enormer Erfolg eine Auseinandersetzung der historischen Zunft auch mit populären Geschichtsdarstellungen und anderen Repräsentationsstrategien erfordert.

~Von Hans-Joachim Hahn. Der Autor ist Literaturwissenschaftler und lebt in Berlin.