Von Einigkeit keine Spur

Ein Statement des Conne Island fordert die radikale Linke heraus

Anlässlich einer öffentlichen Erklärung des Leipziger Kulturzentrums Conne Island (CI) im Oktober 2016 zum Umgang mit sexuellen Übergriffen unter anderem von Seiten Geflüchteter entbrannte eine bundesweite Diskussion. Die Stellungnahme provozierte viel hitzige Kritik, aber wenig alternative Analysen oder Lösungsvorschläge. In der Phase 2 führen die Gruppen Aktion 3. Welt Saar, [sic!], Demob, einige Redakteurinnen der Zeitschrift outside the box und der Berliner Club ://aboutblank die Debatte fort.

Jenseits des Realitätsprinzips – 8 Thesen zur CI-Debatte. Ein Problemaufriss

Anne, Barbara, Constanze, Kimey und Vero (Outside the Box)

Im linken Kulturzentrum CI kam es im letzten Jahr mehrfach zu »sexistische(n) Anmachen und körperliche(n) Übergriffe(n)«Stellungnahme des CI »Ein Schritt vor, zwei zurück«, http://bit.ly/2dC7F4M. auf Frauen durch männliche Refugees, die das CI in der Absicht einer solidarischen, antirassistischen Politik explizit zu seinen Partys und Veranstaltungen eingeladen hatte. Auch wenn es im CI innerhalb seiner 25-jährigen Geschichte immer wieder sexuelle Übergriffe auf Frauen und LGTBIQ* gab wie an anderen Orten in dieser Gesellschaft auch, waren Häufigkeit und Form der Übergriffe neu: »Dabei erlebten wir teilweise eine neue Qualität der Vorfälle – meist unabhängig von der Besucher_innenzahl und der Art der Veranstaltung«Ebd., so das Plenum des CI. Dies hatte unter anderem zur »Konsequenz, dass weibliche Gäste auf Besuche verzichten, um Übergriffen und Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen«.Ebd. Die antirassistischen Bemühungen des CI hatten unfreiwillig und massiv den eigenen antisexistischen Anspruch verletzt, ein Schutzraum für Frauen und LGTBIQ* zu sein. Das CI-Plenum beschloss, die gehäuft auftretenden Übergriffe und die Überforderung im eigenen Umgang damit öffentlich in einem Text zu problematisieren.

1. Die bis heute nicht abreißenden linken Kritiken am Statement des CI (vom »Nachruf auf das Conne Island«»Im Zug der Opportunisten: Ein Nachruf auf das Conne Island«, http://bit.ly/2k3VL5c. bis zum »Inselwitz«»Ein Inselwitz – Bernhard Torsch über die Rassismus-Debatte im linken Kulturzentrum Conne Island«, in Konkret 12 (2016).)reagierten mehrheitlich auf den Akt des öffentlichen Problematisierens in Form eines Textes; auf die dem Text zugrunde liegende Realität – sexuelle Übergriffe gegenüber Frauen – reagierten sie nicht. Stattdessen verurteilten sie das CI dafür, es gewagt zu haben, eine offensichtlich konflikthafte Realität als solche zu benennen. Wir wissen, nicht zuletzt aus feministischen Kämpfen in der Geschichte, dass die Formung, Wahrnehmung und Bewertung von Wirklichkeit immer im Zusammenhang mit Herrschaftsverhältnissen steht. In Bezug auf das Herrschaftsverhältnis Geschlecht bedeutet das, dass Realität überwiegend aus Sicht von Männern als allgemeingültig gesetzt ist, wohingegen weibliche Erfahrung die unsichtbare Sphäre des Privaten bleibt. So wichtig und politisch es daher ist, mit Bedacht um die sprachliche Erfassung der Realität zu ringen und zu streiten, wäre es fatal, die Realität als politische Kategorie gänzlich über Bord zu werfen. Was wäre das für ein Feminismus, der den Aussagen von Frauen nicht traut? Und was ist das für eine linke Politik, das CI – das seit 25 Jahren der antifaschistischen Politik verpflichtet ist – nicht als Verbündeten zu behandeln? Den Akt des CI, eine gesellschaftliche Realität und das eigene Hadern und Scheitern damit offen zu thematisieren, finden wir richtig und unterstützenswert! Sexuelle Übergriffe dürfen kein Privatproblem Einzelner bleiben sondern gehören selbstredend an die Öffentlichkeit.

2. Verweigert man sich einer nüchtern-kritischen Analyse dessen, wie die Gesellschaft eingerichtet ist, wirft man freiwillig die Flinte ins Korn, anstatt diese Realität anzugreifen und umzustürzen. Und war nicht genau das einmal das Metier der Linken gewesen: der Angriff auf Herrschaftsverhältnisse? Schaut man sich die Debatte um den CI-Text an, scheint das lange vorbei zu sein. Sich aus Angst, rechtspopulistischen Tendenzen in die Hände zu spielen, mit Schweigen zu begnügen, ist eine fürchterlich defensive Position. Auch der Streit um Begrifflichkeiten muss auf die sprachliche Durchdringung der Realität zielen, nicht auf ihre Verschleierung. Der Verlauf der Debatte zeugt einmal mehr von der Situation der gegenwärtigen Linken, die sich in großen Teilen durch die Fixierung auf die Rechten, durch identitätspolitische Relativierungen und durch Sprechverbote mit dem Rücken zur Wand stellt. Stattdessen gibt sich eine Kritik der gesellschaftlichen Totalität, um die es uns geht, weder mit dem Politgrüppchen als eigenem »Safe Space« zufrieden noch mit dem Attackieren anderer Politgrüppchen. Man muss nicht alles richtig finden, was das CI tut, um zu begreifen, dass die Drastik, mit der viele Beiträge gegen das CI geschossen haben, mehr vom autoritären und selbstreferenziellen Gehabe der Autor_innen berichtet als vom CI.

3. Anders als der/die Beschwichtiger_in aus dem CI-Text glauben möchte (»Woher soll er wissen, dass man hier mit Frauen so nicht umgeht?«)typo3/Stellungnahme des Conne Island »Ein Schritt vor, zwei zurück«, http://bit.ly/2dC7F4M., sind sexuelle Belästigung und Angriffe nicht einfach nur das Missachten von Etikette. Sexuelle Übergriffe sind ein Akt der Gewalt. Die Unterwerfung von Frauen, Lesben wie auch von Schwulen und Transmenschen ist konstitutiv für männliche Subjektivität, die sich in ihrer Autonomie ständig bedroht fühlt. Das heißt nichts anderes, als dass das Subjektsein der Frau fragil und von ihrer Auslöschung bedroht ist und bleiben muss, um das Subjektsein des Mannes zu gewährleisten. Auch für die männlichen Täter im CI haben die Übergriffe genau diese Funktion: Durch den Akt der Erniedrigung von Frauen und LGTBIQ* werden sie ihrer angegriffenen Männlichkeit wieder Herr. Das bleibt also jedem noch so gesellschaftlich benachteiligten, von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bedrohten Mann – unter ihm gibt es die Frau, die noch weniger wert ist. Dass die linke Debatte diesen Zusammenhang ignoriert, legt die These nahe, dass es ihr nicht um die Emanzipation von ihrer eigenen beschädigten männlichen Subjektivität geht, sondern um die Wahrung des Status quo.

4. Zu benennen, dass die Übergriffe von Refugees ausgingen, ist nicht zwangsläufig rassistisch, sondern bezogen auf die Geschehnisse im CI Realität. Diese Aussage impliziert weder, dass alle Übergriffe im CI und anderswo von Refugees ausgehen, noch dass alle Refugees Übergriffe begehen. Weltweit liegt der Gewalt gegen Frauen die männliche Subjektstruktur zugrunde, nicht jedoch ein spezifischer Raum oder »Kulturkreis«. Nichtsdestotrotz käme es erneut einer gedanklichen Vernebelung gleich zu übersehen, dass sich Ausmaß und Form der patriarchalen Organisation von Staat, Nation und Kapital unterscheiden – und damit auch die Vergesellschaftung der Einzelnen.Vgl. Interview mit den Frauen* von International Women Space (IWS) in Berlin, erschienen in: outside the box #6 (2016).Dazu gehören Ausprägungen des Islam, die religiöse Geschlechtertrennung propagieren und mit Gewalt durchsetzen. Ein Hinweis auf die Unfreiheit iranischer Frauen nach der islamischen Revolution von 1979 kann dies nur anekdotisch aufzeigen. Es muss derzeit dringende Aufgabe einer feministischen Gesellschaftskritik sein, die Rolle religiöser Ideologie zu untersuchen und davon ausgehend eine linke Religions- und Islamkritik zu formulieren.Anhaltspunkte für eine nicht-rassistische Islamkritik finden sich etwa bei Feministinnen wie Houzan Mahmoud, Fatima Mernissi und Nawal El Saadawi.

5. Der Rassismus seitens des Staates und der deutschen Gesellschaft äußert sich derzeit in einem massiven Anstieg verbaler und physischer Gewalt gegen Refugees und jene, die dafür gehalten werden. Er macht es für Linke notwendig, sich mit dieser obendrein meist durch Terror, Krieg und/oder Armut zur Flucht gezwungenen Personengruppe zu solidarisieren. Die Bemühung des CI, die eigenen Räume für Refugees zu öffnen, war daher prinzipiell richtig. Allerdings droht eine solche Politik in eine positiv-rassistische Stereotypisierung abzugleiten, wenn sie die Gruppe der Geflüchteten als homogen und konfliktfrei romantisiert. Zu den Partys im CI kommen schließlich längst nicht alle Refugees – sondern hauptsächlich Männer.

Zudem wird in antirassistischen Kreisen gerne ausgeblendet, dass die Tatsache, als Geflüchtete(r) rassistischen Anfeindungen ausgesetzt zu sein, noch nichts aussagt über ihre/seine politische Verortung und ein mögliches Interesse an linker Politik. Für ein Kulturzentrum, das sich erklärtermaßen gegen jegliches Unterdrückungsverhältnis richtet und in seinen Veranstaltungen über die Notwendigkeit der Emanzipation des Menschen diskutiert, stellt dieser Widerspruch gelinde gesagt eine Herausforderung dar. Das CI hat diese Herausforderung angenommen, ging in seiner antirassistischen Praxis aber bislang noch nicht weit genug.

6. Die Debatte zum CI-Text zielt derart auffällig am Wesentlichen vorbei, dass man die verschiedenen Positionierungen, die dem CI die Veröffentlichung ihres Textes ankreiden, psychoanalytisch als Varianten der Abwehr begreifen muss. Diese Abwehr verweist auf eine lange anti-feministische Tradition, die es verunmöglicht, die Brüchigkeit weiblicher Subjektivität zu begreifen und männliche Subjektwerdung zur Disposition zu stellen. Der Kern des Problems sind die Übergriffe auf Frauen – und diesen Kern hat die Stellungnahme des CI zum Inhalt. In der Kritik daran treffen sich zwei Argumentationen, die aus falsch verstandenem Antirassismus das Problem als »Konstruktion« abtun oder es mit der angeblichen Unüberwindbarkeit unterschiedlicher »Kulturen« zu entschuldigen versuchen. Insbesondere das Insistieren auf »kulturelle Unterschiede« ist anschlussfähig an rassistische Argumentationen und zementiert die Trennung zwischen »denen« und »uns«. Eine solche Trennung zeigt sich auch in jenen queer-feministischen Positionen, die Frauenverachtung und -unfreiheit identitätspolitisch auflösen.Vgl. etwa Koschka Linkerhand, Nestbeschmutzerinnen – Zum Stand der feministischen Islamkritik, in: Phase 2.53 (2016), 39-42.

7. Dass sich die gesamtgesellschaftliche Debatte um Geflüchtete vielfach auf die Unterdrückung von Frauen in islamisch geprägten Gesellschaften einschießt, hat natürlich nichts mit einem erstarkenden Feminismus hierzulande zu tun. Wäre dies der Fall gewesen, wäre der hiesige FrauenhassZur extremsten Form dieses Frauenhasses: Jährlich werden in Deutschland laut Statistik 330 Frauen von ihren (Ex-) Partnern umgebracht (Bundeskriminalamt 2015: http://bit.ly/2kxeCJJ). nicht unerwähnt geblieben. Das Argument der Unterdrückung der Frauen in den »anderen« Gesellschaften wurde instrumentalisiert, um den Gegensatz zwischen Eigenem und dem als bedrohlich imaginierten Fremden zu schüren. Die Instrumentalisierung von rechts-konservativer Seite macht es aber mitnichten falsch, dass Frauen sexuelle Übergriffe durch männliche Geflüchtete öffentlich anklagen. Jeder sexuelle Übergriff gegenüber Frauen und LGBTIQ* ist aufs Schärfste zu kritisieren und zurückzuweisen, ungeachtet dessen, woher der Täter kommt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass es darum gehen muss, Frauen noch viel stärker zu ermutigen, Übergriffe und Anmachen nicht zu normalisieren, sondern zu verurteilen.

8. Linke Zentren sind nach wie vor unverzichtbar, brauchen aber andere Formen, die nur durch mehr inhaltlichen Streit und weniger identitäres Lager-Denken errungen werden können. Anhaltspunkte dafür gibt es schon, insbesondere außerhalb der deutschen Linken. Ein paar Fragen dazu an die Praxis: Wie schafft es ein linkes Zentrum, nicht in eine sozialpädagogische Haltung gegenüber einer marginalisierten Gruppe zu verfallen? Ist die tradierte Format-Aufteilung in »eher spröde Theorie-Veranstaltung« (einige reden viel, andere kaum, manche fehlen ganz) und »hedonistische Clubnacht« (einige kommen nie, manche fühlen sich bedroht, andere feiern angstlos) möglicherweise falsch? Wie kann man über Behelfsmaßnahmen – zum Beispiel Definitionsmacht oder quasi-private »Safe Spaces« – hinauskommen?

Es bedarf Formen der Gesellschaftskritik, die Erfahrung nicht isolieren, sondern in sich aufnehmen, auf eine Aufhebung des Problems zielen und sich nicht mit der Verstetigung der Unterdrückung zufriedengeben. Ein Denken, das sich dem verweigert, schreibt anti-feministische Traditionen in der Linken fort und geht am konkreten Gegenstand der Kritik vorbei.

Der Schutz der Opfer geht vor – nicht der der Kultur

Klaus Blees, Roland Röder (Aktion 3.Welt Saar)

Eigentlich ist es ganz einfach. Der Schutz der Opfer, auch der potentiellen, geht vor. Diesbezüglich haben die Verantwortlichen des Conne Island richtig gehandelt. Wenn auch etwas spät. Das Erschreckende ist für uns neben den Taten vor allem die Ignoranz bei Teilen der Linken gegenüber diesen Taten und ihren Urhebern.

Wenn die Leute vom Conne Island schreiben: »Uns zur Problemlage so explizit zu äußern, fällt uns schwer, da wir nicht in die rassistische Kerbe von AfD und CDU/CSU schlagen wollen«Ein Schritt vor, zwei zurück, Erklärung des Conne Island vom 07.10.2016, http://bit.ly/2dC7F4M., so ist dies ein überflüssiges Zugeständnis an die linken KulturrelativistInnen, die jede Kritik am Verhalten von Flüchtlingen und Migranten als »rassistisch« denunzieren. Nein, wer sich auf die Seite der Opfer und der potentiellen Opfer stellt und potentielle Täter, die in bestimmten Herkunftsmilieus gehäuft auftreten, an Übergriffen hindert, ist nicht rassistisch. Frauen und alle, deren sexuelle Orientierung oder sonstiges Verhalten nicht ins Weltbild der Machos passt, sind kein Freiwild, auch nicht für die, die selber Opfer von Verfolgung sind. Opferschutz muss absolute Priorität haben, selbst wenn dazu drastische Maßnahmen wie rigorose Einlasskontrollen und restriktive Wahrnehmung des Hausrechts gehören.

Opferschutz steht über allem

»Gemeinsam zu feiern und im Zuge dessen wie von selbst eine Integration junger Geflüchteter im Conne Island zu erreichen, stellte sich als recht naiver Plan heraus.«Ebd. Die Verantwortlichen des Conne Island formulieren eine wichtige selbstkritische Erkenntnis, wenn sie auf ihre ursprüngliche Naivität verweisen. Und sie sind in der Lage, den Blick zu öffnen für eine wesentlich Ursache des sexistischen, zum Teil sich nicht auf verbale Anmache beschränkenden übergriffigen Verhaltens von Flüchtlingen gegenüber Frauen und LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender). Ganz richtig sprechen sie die »stark autoritär und patriarchal geprägte Sozialisation in einigen Herkunftsländern Geflüchteter« an. Allerdings drucksen sie herum, denn sie sagen nicht klar, dass diese Sozialisation vor allem eine islamisch geprägte ist, dass die betreffenden Herkunftsländer in erster Linie islamische Länder sind. Das hätten sie alles vorher wissen können, aber lieber eine späte Einsicht als keine. Wenn sie jetzt ausgerechnet wegen dieser Einsicht und daraus gezogener Konsequenzen von Linken angegriffen werden und nicht etwa wegen des vorherigen Versagens beim Opferschutz, sagt dies sehr viel aus über den Zustand einer kulturrelativistischen, durch ein falsches Verständnis von Multikulturalismus geprägten Linken.

Uns erinnert diese Entwicklung an einen relevanten Punkt in der Geschichte der Aktion 3.Welt Saar. In der Solidaritätsarbeit für Flüchtlinge waren wir mit patriarchalen Verhaltensweisen konfrontiert und haben lange geschwiegen, weil wir nicht eurozentristisch und paternalistisch sein wollten. Wir haben diese Muster entschuldigt, weil die Flüchtlinge aus einer anderen Kultur kommen und weil sie es schwer genug haben. Wir haben geschwiegen, wenn Männer das Wort führten. Wir ließen uns zu Hochzeiten einladen, obwohl wir wussten, dass die Ehen nicht freiwillig geschlossen wurden. Deshalb wurden wir aber nie kritisiert. Erst seit wir dies kritisch sehen, sind wir massiven Anfeindungen durch Linke und Multikulti-VertreterInnen ausgesetzt, gelten als NestbeschmutzerInnen und werden auch schon einmal als »rassistisch« oder »islamophob« beschimpft.

»Es ist rassistisch, Flüchtlinge per se als die Guten zu sehen.«

Die Angst davor, rassistisch zu sein, wenn man übergriffiges, patriarchal geprägtes Verhalten bei Flüchtlingen und Migranten entschieden, laut und unmissverständlich kritisiert und dagegen vorgeht, ist aber unbegründet. Andersherum: Es ist rassistisch, zu glauben, »die Araber, die Türken und andere sind halt nun mal so, das ist ihre Kultur und sie können nicht anders.« Es ist rassistisch, Flüchtlinge per se als die Guten zu sehen. Damit wird ihnen die Individualität, die Verantwortlichkeit für ihr Handeln abgesprochen. Es wird so getan, als hätten Fluchtgründe etwas mit gutem oder schlechtem Charakter zu tun, als gebe es nicht auch unter Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, solche mit miesem Charakter; als würden Menschen, die in einem islamischen Milieu aufgewachsen sind, das Gelernte und Gewohnte einfach hinter sich lassen, sobald sie die Grenze zu einem nichtislamischen Land überschreiten.

Diese Bedrohungen sind nicht nur ein Problem von Diskotheken und linken Zentren. Sie haben sich drastisch gezeigt in der Kölner Silvesternacht 2015, auch wenn patriarchale Verhaltensweisen nicht per se ein »muslimischer Export« sind, sondern auch integraler Bestandteil der »deutschen Verhältnisse«. Betroffen sind aber nicht zuletzt Flüchtlinge selbst, denn in Flüchtlingsunterkünften stellt insbesondere ein Teil der männlichen muslimischen Flüchtlinge eine Gefahr für andere Flüchtlinge dar. Frauen, aber auch Schwule können sich nicht sicher fühlen. Es kommt immer wieder zu Übergriffen gegen christliche und »ungläubige« Flüchtlinge, so, als im August 2015 in einem Flüchtlingsheim im thüringischen Suhl Muslime einen afghanischen Flüchtling wegen angeblicher »Koranschändung« fast gelyncht hätten.Matthias Meisner/Andrea Dernbach, Streit zwischen Flüchtlingen über Koran eskaliert, in: Tagesspiegel, vom 20.08.2015, http://bit.ly/2jFd256. 

Linke stehen für Freiheit und Gleichheit. Sollten sie zumindest.

Wenn sich jetzt AfD, PEGIDA, Politically Incorrect und all die fremden- und flüchtlingsfeindlichen Netzwerke genüsslich die Hände reiben, im Glauben, die naiven linken »Gutmenschen« seien in der Realität angekommen, wenn sie in der Reaktion von Conne Island und anderen linken Zentren eine Bestätigung ihrer xenophoben Haltung sehen, so darf man sich dadurch nicht ins Boxhorn jagen lassen. Was die Rechten in ihrem Wahn glauben, darf nicht als Maßstab genommen werden, auch nicht mit umgekehrtem Vorzeichen. Es ist eine typische Masche der RechtspopulistInnen, Vorfälle in ihrem Sinne zu instrumentalisieren. Allerdings gelingt dies nur durch Herausreißen aus dem Zusammenhang. Wäre das Conne Island den umgekehrten Weg gegangen und hätte weiterhin, auf Kosten der Opfer des Übergriffs, Flüchtlingen einen Freibrief ausgestellt, wäre das nicht minder Wasser auf die Mühlen der RechtspopulistInnen gewesen.

Andersrum wird ein Schuh draus: Wenn die Missstände, die daraus entstehen, dass Flüchtlinge ihre Normen und auch Unwerte mitbringen, von der politischen Linken und der »Willkommensszene« nicht benannt werden, ihnen nicht begegnet wird, dann können sich die Rechten als die einzigen inszenieren, die diese Dinge beim Namen nennen.

Es ist die Aufgabe der politischen Linken, diese rechten Inszenierungen zu bekämpfen und zumindest zu schwächen. Dazu gehört auch, die realen Probleme zu benennen und patriarchale Verhaltensweisen von Flüchtlingen aus menschenrechtlicher Sicht zu kritisieren, statt der rassistischen Instrumentalisierung das Feld zu überlassen. So würden Linken, bei aller Unterschiedlichkeit, ihrem eigenen universalistischen Freiheits- und Gleichheitsanspruch gerecht. Drunter geht es nicht.

Die Autoren sind Mitarbeiter der Aktion 3.Welt Saar (www.a3wsaar.de). Die allgemeinpolitische Organisation arbeitet bundesweit und hat ihren Sitz im Saarland, wo sie im Vorstand des Flüchtlingsrates mitarbeitet. Einer der Autoren ist Fußballfan, der andere ist Klassikliebhaber. Beide sind Fleischesser, essen aber auch gerne Gemüse.

Im Kontext sächsischer Verhältnisse – Anmerkungen zum Statement des Conne Island

demob - deutschland demobilisieren - Gruppe aus Berlin

Es wurde schon viel gesagt in Reaktion auf den Text des Conne Island (CI) Plenums unter dem Titel »Ein Schritt vor, zwei zurück«. Wir teilen viele der Kritiken an den Inhalten und Formulierungen des Statements, wie sie beispielsweise vom HATE mag oder dem sprachlos blog geübt wurden. Hauptpunkt ist dabei, dass der Text des CI-Plenums rassistische und sexistische Stereotype reproduziert.

Unser Ziel ist es an dieser Stelle nicht, im Nachgang zu belehren, sondern unsere grundlegenden Überlegungen zu dieser äußerst schwierigen Debatte darzustellen, einige Leerstellen des Statements aufzuzeigen und Ansätze für eine andere Analyse des beschriebenen Problemfelds zu wagen. Für uns sind dafür folgende Fragen zentral: Wie kann Sexismus – auch von Geflüchteten/nicht-weißen Männern – im Kontext linker und sich als emanzipatorisch verstehender Orte thematisiert werden, ohne im rassistischen Mainstream mit zu schwimmen? Wie ist eine solche Auseinandersetzung möglich – vor dem Hintergrund der Debatten, die nur noch unter den Metaphern »Köln« oder »Freiburg« geführt werden und unter Berücksichtigung der Folgen für Frauen*, für Geflüchtete und für andere Menschen, die von Rassismus betroffen sind? Wie blenden diese rassistischen Debatten nicht nur weiße Täter aus, sondern in noch stärkerem Maße die vielfältigen Formen sexualisierter Gewalt, der insbesondere geflüchtete Frauen* und Kinder im Umfeld von Unterkünften von Seiten der Securities, durch Angehörige der Dominanzgesellschaft und durch andere Geflüchtete ausgesetzt sind? Was ist mit einer politischen Solidarität mit Geflüchteten gemeint und welche Herausforderungen sind damit verbunden?

Neben der bereits formulierten Kritik erstaunte uns insbesondere die Verwunderung und das Entsetzen der Verfasser*innen ob der hämisch positiven Reaktionen aus der bürgerlichen und rechten Presse. Wir lesen das Statement des CI als gekränkt anmutenden Hilferuf mit Appellcharakter. Deshalb können wir dieses scheinbare überrascht Sein und die unkritische Rhetorik des Textes bestenfalls als Ausdruck politischer Naivität verstehen. Die Verfasser*innen lassen nicht nur die Debatten um »Köln« außer Acht. Auch die Diskussionen um den Zugang für Geflüchtete im Clubkontext sind bereits an anderer Stelle geführt worden – beispielsweise die Zutrittsverbote für Geflüchtete im linksalternativen Club »White Rabbit« in Freiburg. Weiterhin wird nicht berücksichtigt, dass das CI in Sachsen liegt, der momentanen Hochburg der rassistisch-völkischen Bewegung. Vom CI, einem Ort mit einem linksradikalen Selbstverständnis, würden wir solche Kontextualisierungen erwarten, beispielsweise in einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit den aktuellen Verhältnissen in Sachsen.

Schon der unkritische Einstieg und die positive Bezugnahme auf eine häufig paternalistische »Willkommenskultur« ist problematisch und suggeriert einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den sexistischen Vorfällen und dem Besuch der Partys durch vermeintlich oder real geflüchtete Menschen. In dem Text wird versucht, diese Übergriffe und Gewaltvorfälle durch kulturalistische Zuschreibungen und Ressentiments zu erklären. Das Problem des Sexismus wird zentral verknüpft mit der Frage der vermeintlichen Herkunft und eines »anderen kulturellen« Backgrounds »dieser Männer«. Bestehender Sexismus auch in linken Strukturen wird dadurch unsichtbar gemacht. Doch Sexismus und sexualisierte Gewalt sind generell in Clubs ein großes Problem und es ist wichtig, dies klar zu benennen und dagegen vorzugehen. Linke Clubs und Szeneläden sind davon leider nicht ausgenommen, auch wenn sie einen anderen Anspruch und im besten Fall Awareness-Strukturen haben. Es sollte dabei außer Frage stehen, dass Security und Tür konsequent durchgreifen – egal, wer die Täter sind. Für die Betroffenen von Sexismus und sexualisierter Gewalt spielt es keine Rolle, welche Hintergründe und Motive die Täter haben – es geht um einen klaren Support und Schutz der Betroffenen. Ihnen gilt unsere uneingeschränkte Solidarität. Wäre es dem CI-Plenum um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Sexismus und den Formen sexistischer Anmachen und Gewalt gegangen, so hätten sie einen anderen Text schreiben müssen. In ihrem Statement fällt zudem die homogenisierende Rede von »den Geflüchteten« auf. Ja, auch unter Geflüchteten gibt es, ebenso wie unter Otto-Normalbürger*innen und Linken, sexistische, homophobe, rassistische und antisemitische Arschlöcher – genauso wie Menschen, die eben aufgrund von sexistischen, patriarchalen gesellschaftlichen Strukturen aus ihren Herkunftsregionen geflohen sind. Ähnlich undifferenziert scheinen die Autor*innen auch die Solidarität zu verstehen, die sie mit »den Geflüchteten« zeigen woll(t)en. Die Idee des »Refugee-Fuffzigers« ist ein Versuch, Geflüchteten den Zugang zu linken Räumen zu ermöglichen. Während der Großteil des Publikums über linke Szene und entsprechende Ansprüche angesprochen werden, müssen diese nun weder geteilt, noch überhaupt gekannt werden. Zudem wird der Eintrittspreis vergünstigt, was den Club auch für diejenigen interessanter macht, die ihn eigentlich nicht besuchen wollen würden. Für sie ist das CI also in erster Linie ein Club, der auch für Menschen offen ist, die zu anderen Partys in der Stadt eben häufig keinen Zugang haben. Dieses solidarisch gedachte Prinzip, Menschen qua (vermeintlicher oder realer) Gruppenzugehörigkeit einen finanziellen Rabatt für Clubs zu ermöglichen, hat deutliche Grenzen. Das zeigt sich beispielsweise, wenn es auf andere linke Themenfelder bezogen wird. So wäre vermutlich keine*r auf die Idee gekommen, als Reaktion auf die Hartz4-Reformen plötzlich ohne weitere Einschränkungen allen ALG-2-Empfänger*innen Vergünstigungen und Einlassgarantie ins CI zu gewähren. Keine*r erwartet von Leuten, nur weil sie gerade Sozialleistungen empfangen, dass sie dadurch automatisch die Ansprüche eines sich als emanzipatorisch verstehenden Clubs teilen. Warum sollte das bei Geflüchteten anders sein?

Im Text selbst wird schon die Problematik skizziert, wie schwierig es ist, an der Clubtür darüber zu entscheiden, wer unter dem Label geflüchtete Person fast umsonst rein darf und wer nicht. Die Praxis eines solchen Soli-Beitrags schließt eher an eine oft paternalistische Willkommenskultur an und bleibt auf der monetären/humanitären Ebene von Solidarität stehen, anstatt über emanzipatorische Konzepte nachzudenken. Eine politische Solidarität mit Geflüchteten bedeutet jedoch auch immer, Menschen als Subjekte wahr- und ernst zu nehmen. Hieraus kann ein Dilemma entstehen: Geflüchtete als politische Subjekte ernst zu nehmen und sich mit ihnen als Betroffene von kapitalistischen und rassistischen Strukturen zu solidarisieren, kann eben auch bedeuten, sich mit anderen politischen Haltungen und Wünschen als den eigenen konfrontiert zu sehen. Oder anders gesagt: Mit Blick auf die restriktive und rassistische Asylpolitik gilt der Slogan »Refugees welcome« eben nicht nur für politisch genehme Geflüchtete, sondern erst einmal ebenso für Sexist*innen, Assad-Anhänger*innen, Islamist*innen oder stalinistische Vollidiot*innen. Hier zeigen sich die Ambivalenzen zwischen einer antirassistischen, antifaschistischen Solidarität und einer gleichzeitig notwendigen linksradikalen Kritik und Praxis. Der schon beinahe reflexhafte Zwang mancher Linker, entstehende Probleme und Differenzen mit verallgemeinernden kulturellen Gegebenheiten bestimmter Regionen und Religionen zu begründen, ist zu kurz gegriffen und problematisch mit Blick auf einen gesellschaftlichen rassistischen Mainstream. Als Beispiel dafür seien einige linksradikale Kritiken an »dem Islam« beziehungsweise »den Muslimen« benannt, die nahtlos an rassistische und auch sexistische Diskurse anschließen. Die Debatten um Sexismus von Geflüchteten zeigen deutlich: Bei der Suche nach Erklärungen werden zentrale Fragen nach einer Konstituierung von Männlichkeiten und damit zusammenhängende soziale und ökonomische Perspektiven wie auch der Status und die Lebensbedingungen von Geflüchteten ausgelassen.

Das CI Statement hatte das formulierte Ziel, eine Debatte innerhalb linker Räume anzustoßen. Eine Debatte finden wir äußerst sinnvoll und wichtig. Dabei sehen wir es jedoch als unbedingt notwendig an, dass eine solche Debatte den gesamtgesellschaftlichen Rassismus wie auch gängige rassistische Diskurse und Zuschreibungen im Blick hat. Die Auseinandersetzung um Sexismus im Clubkontext und in linken Räumen muss geführt werden und eben nicht erst dann wieder aufgemacht werden, wenn als »anders« markierte Personen auftauchen.

Wir wollen mit einigen Fragen und Perspektiven für eine linke Praxis im Clubkontext abschließen: Wer steht an der Tür eines Clubs und wer nicht? Wie können Menschen mit anderen Backgrounds und Perspektiven auch in eine Türpolitik einbezogen werden? Wie können linke Orte und ihr Anspruch, möglichst diskriminierungsarme Räume zu sein, für alle Menschen verständlich gemacht werden? Damit verbunden sind ganz praktische Fragen von sprachlicher Vermittlung und Kommunikation ebenso wie ein sensibles Publikum und Awareness-Strukturen auf Partys, die bei Übergriffen reagieren. Wie können insbesondere linke, feministische geflüchtete Menschen in linke Strukturen und Räume einbezogen werden, über einen »Refugee-Fuffziger« hinausgehend? Das wäre ein wichtiger Schritt hin zu einer wirklichen Öffnung des CIs und einer Auseinandersetzung mit Sexismus und anderen -ismen im Partykontext, die solidarisch ist mit den Betroffenen.

Ein Raum für sich allein. Von der Schwierigkeit politische Ansprüche in die Praxis umzusetzen.

[sic!] – something in common. Feministische Gruppe aus Leipzig.

Mit Veröffentlichung dieses Heftes wird nunmehr seit Monaten über das Statement des Conne Island (CI) diskutiert und gestritten. Die vor allem kritische Rezeption des Statements weist dabei auf zweierlei Dilemma des CI hin, das sich dem Bewusstsein der meisten Kommentierenden zu entziehen scheint. Das CI tritt einerseits nicht nur mit besonderem politischen Anspruch auf, sondern versucht als linkes Zentrum seine politischen Ansprüche in konkrete Praxis zu überführen. Andererseits hat es dabei sowohl den Anspruch, ein Schutzraum vor sexualisierten Übergriffen zu sein, in dem FLTI*Personen sich möglichst angstfrei bewegen können, als auch den Anspruch, ein integrativer Raum für rassistisch Diskriminierte und ohnehin gesellschaftlich marginalisierte Geflüchtete zu sein, was begrüßenswert ist, und von allen vernünftigen Personen geteilt werden sollte. Entgegen einiger Reaktionen auf den offenen Brief des CI gilt es das Spannungsfeld, das sich aus der praktischen und gleichzeitigen Umsetzung dieser beiden Ansprüche ergibt, weder zu verheimlichen noch zu skandalisieren. Wer Rassismus und Sexismus als gesamtgesellschaftliche Verhältnisse und entsprechende Problemkonstellationen begreift, wird kaum umhinkommen, auch linke Strukturen einer genauen Prüfung zu unterziehen.

Dementsprechend möchten wir im Folgenden auf zwei Punkte zu sprechen kommen. Zunächst auf die Debatte an sich, in dem wir die Form der Veröffentlichung besprechen. Im Anschluss daran wird es uns um die Grenzen und Möglichkeiten linker Räume gehen, in denen gerade das Verhältnis von Antirassismus und Antisexismus ausgehandelt wird.

Wir befürworten die Veröffentlichung des Statements.

Das CI sah sich in manchen Reaktionen dem Vorwurf ausgesetzt, das Statement so oder in anderer Form überhaupt veröffentlicht zu haben. Das gefährliche politische Fahrwasser, in das sich der Text nach eigener Auskunft begeben hat, diente hierbei als Begründungsfolie für den ersehnten Wunsch, ausgerechnet das eigene Insel-Dasein unangetastet zu lassen und sich über Probleme auszuschweigen, die auftreten, wenn linke Zusammenhänge plötzlich ihre Räume für Menschen öffnen, die nicht Ihresgleichen sind.

Motiviert war die Veröffentlichung wohl vor allem als Hilferuf und in der pragmatischen Einsicht, dass gesellschaftliche Widersprüche sich auch in linken Zentren nicht einfach aufheben lassen. Bei den Auseinandersetzungen, über die das CI klagt, handelt es sich indes um handfeste politisch-soziale Konflikte, über die gerade in linken Zusammenhängen diskutiert gehört. Ein Totschweigen der eigenen Erfahrungen kann nicht Teil einer linken Praxis und Reflexion sein, schon gar nicht im Nachgang der sexualisierten Übergriffe in der Kölner Silvesternacht oder aber vor dem Hintergrund einer gesamtdeutschen politischen Agenda des Antifeminismus. Aus diesem Grund zeigen wir uns mit dem Entschluss des CI-Plenums solidarisch und befürworten die Veröffentlichung. Das CI hat seine eigene politische Praxis kritisch reflektiert und den Diskussionsstand transparent gemacht. Das ist zunächst anzuerkennen.

Dabei dürfen jedoch die zweifelhaften Begründungsfiguren selbstverständlich nicht unter den Tisch fallen oder unkritisch übernommen werden. Das Statement baut durchweg auf einer Begründungsfigur auf, die die Macht- und Herrschaftsverhältnisse weit mehr verschleiert, die sie offenzulegen vorgibt. Das konkretisiert sich vor allem in der problematischen Benennung des Subjekts »Geflüchtete« als stets schon jenes »Anderen«, das durch Kultur und Sozialisation von »Uns« getrennt scheint. Diese Trennung durchzieht – trotz gegenteiliger Bemühungen – den gesamten Text und erzeugt so den Schein einer ontologischen Konstante. Bis zur Naturalisierung ist es nicht mehr weit. Dadurch jedoch passiert etwas, das einem universalistischen linken und emanzipatorischen Anspruch diametral entgegensteht. Das konkrete Individuum wird vorab unter die homogenisierte kulturelle Gemeinschaft subsumiert. Dadurch aber entledigt das CI sich unbewusst seiner emanzipatorischen Grundsätze und argumentiert kulturalistisch.

Gerade die Brisanz, die solch sprachliche Unzulänglichkeit mit sich bringt, verdeutlicht umso mehr die Schwierigkeiten, politische Ansprüche in die Praxis zu überführen. Kritik ist essentiell, gerade im Fall von Ontologisierungen. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass sich das CI darum bemüht, eine missliche Lage zu beschreiben, die eben nicht einseitig aufzulösen ist. Antirassismus und Antisexismus können und sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Debatten bewegen sich aber gerade in diese Richtung. Die Art mancher Reaktionen sagt in dieser Hinsicht weit mehr über das beunruhigende gesellschaftliche und politische Klima aus, in dem diese Debatte stattfindet, als über das – zuweilen mit Recht – kritisierte Statement des CI selbst. Da solche Räume gerade aus feministischer Perspektive unabdingbare Voraussetzung und notwendiger Bestandteil unserer Politik sind, scheint es uns sinnvoll, über den generell prekären Charakter solcher Schutzräume und -konzepte nachzudenken und diese nicht unangetastet zu lassen.

Der prekäre Charakter linker Freiräume – Verbot und Exklusion

Zunächst ist festzuhalten, dass eine Problematisierung linker Freiräume, die sich etwa in Safe-Spaces konkretisieren, immer notwendig bleibt. Das heißt konkret, ein Party-Safe-Space ist gerade keine Selbstverständlichkeit. Ein solcher ist vielmehr das Resultat kämpferischer Auseinandersetzungen, linker Debatten und Diskurse. Dass es auch in bereits bestehenden und funktionierenden Strukturen – euphemistisch gesagt – zu Problemen kommt, hat nicht zuletzt mit der Verhandlung gesellschaftlicher Widersprüche zu tun sowie mit dem stets prekären Charakter der Versöhnung auch innerlinker Interessensgegensätze und Bedürfnisse. So haben, auch wenn Sexismus in innerlinken Kreisen noch immer ein Problem ist, bisherige Strategien zu Kompromissen geführt. Durch konsequenten Rausschmiss, die Bildung von Awareness-Teams, Unterstützer*innengruppen und einer Struktur für Betroffene etwa können sich eben nicht nur Frauen* (und darunter LGBTIQ) zumindest vor der Alltäglichkeit sexualisierter Gewalt im CI geschützt fühlen.

Damit will lediglich gesagt sein, dass einmal erkämpfte Räume nicht statisch und somit unverlierbar sind. Aus diesen Gründen ist die Praxis-Frage hier besonders relevant; vor allem deshalb, weil das CI keine reine Partylocation ist und sein möchte. Das CI lebt von seiner Offenheit gegenüber linken politischen Gruppen und bietet seit Jahren unverzichtbare infrastrukturelle Voraussetzungen für deren Arbeit, für die Umsetzung konkreter Projekte, für Vorträge, Workshops, Konzerte usf. Genau diese Offenheit beruht auf einer strikten Grenzziehung und starken Verboten. Der Sanktionscharakter ist gerade wesentlich für die Aufrechterhaltung von Räumen, die Schutz vor Übergriffen jedweder Art bieten (wollen), wenn sie damit auch nicht frei von Widersprüchen sind. Aus diesem Grund muss klar sein, dass ein Rausschmiss bzw. das Entfernen einer Person aus einem Raum immer ein exkludierendes Moment innehat. Es ist allerdings zu kurz gedacht, dieses einem generell integrativen Anspruch gegenüberzustellen und es somit gegen einen falschverstandenen und vorauseilenden Antirassismus auszuspielen.

Anders sieht es bei präventiven Maßnahmen aus. Im CI stellt sich nun das Problem einer Häufung von sexualisierten Übergriffen, denen im Nachhinein nicht mehr gerecht werden kann und soll. Hier geht es nicht mehr darum, einen konkreten Verstoß zu ahnden, sondern vielmehr darum, potentielle Übergriffe zu verhindern. Um die individuellen Entscheidungsprozesse zu verkürzen, werden strukturelle Lösungen gesucht, die schon den Zugang zu Safe-Spaces schärfer kontrollieren. Diese Suche nach neuen Regelungen ist nicht per se rassistisch. Denn hier bestätigt sich nur erneut der schon erwähnte Verbotscharakter, auf dem ein Safe-Space notwendigerweise beruht. Schwierig wäre es, der (An)wesenheit dieser »neuen Minderheit« alleinige Schuld an ihrer Notwendigkeit zu geben. Ebenso führte die unüberlegte und überstürzte Öffnung eines mit strengen Regeln bedachten Raumes dazu, dass einige der eingeladenen Männergruppen eigentlich gar nicht willkommen waren.

Dies führt zur Frage welche Art von Einlass- und Türpolitik wir uns für uns selber wünschen. Einen Gesinnungscheck am Einlass kann niemand befürworten, dennoch lässt sich an der Tür bereits aggressiv auftretendes Publikum abweisen. Gerade die Besetzung der Einlasscrew ist hier entscheidend. So kann etwa im Umgang mit FLTI*-Personen in der Secu-Crew schon im nüchternen Zustand sexistisches Verhalten – egal von welcher Person – einigermaßen gut abgelesen werden. Dies ist nur ein Beispiel einer praktischen Lösung für eine Reihe essentieller Fragen, die einer weiter eingehenden Debatte bedürfen. Wie inklusiv kann etwa ein linker Raum tatsächlich sein? Welche Kompromisse müssen auch wir eingehen? Wie offen sind Veranstaltungen fernab von Partykonzepten? Wenn sich Orte als Schutzräume für Frauen* verstehen, wo haben dann geflüchtete Frauen* ihren Platz? Welche Art von Schutzraum können wir Geflüchteten bieten? Wir müssen uns über die praktischen Widersprüche unserer politischen Ansprüche klar werden. Dann erst ist eine Debatte möglich, in der Missstände klar benannt werden können ohne einseitig aufgelöst zu werden.

Wie weiter?

Das eigentliche Problem besteht nun darin einen Weg zu finden, der einem emanzipatorischen Anspruch gerecht wird und nicht hinter einmal erreichte Standards zurückfällt. Denn wir glauben, dass es sich um einen falsch verstandenen Antirassismus handelt, wenn Inklusion dort gefordert wird, wo sie die Grundsätze emanzipatorischer Politik unterminiert – übergriffige Personen müssen klar benannt werden (können). Wir sind aber auch der Ansicht, dass es falsch verstandener Antisexismus ist, wenn eine Menschengruppe aufgrund kulturalistischer Argumentationen einem Generalverdacht unterstellt wird. Wir haben auf den fortwährend prekären Charakter von Freiräumen und Schutzkonzepten nicht hingewiesen, um den Status quo zu rechtfertigen. Der exklusive Charakter von Safe-Spaces darf nicht Selbstzweck werden, stattdessen muss er Teil politischer Aushandlungsprozesse bleiben. 

Wir sind uns darüber im Klaren, dass auch wir nicht wissen, wie eine vernünftige Praxis in den bestehenden Verhältnissen aussieht oder auszusehen hat. Wir wissen aber, dass diese nicht widerspruchsfrei sein kann und daher auch stets mit Rückschlägen zu kämpfen haben wird. Ein Anfang jedoch wäre gemacht, wenn wir nicht schon im Vorhinein gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse gegeneinander ausspielen und vereinseitigen, sondern vielmehr vor Ort die konkreten Widersprüche aushalten und bearbeiten. Für das CI-Plenum könnte das auch bedeuten über eine schriftliche Debatte hinaus, etwa in einer Podiumsdiskussion, gemeinsam Strategien zu entwickeln. Nur muss sich das CI grundsätzlich die Frage stellen, ob es die Debatte soweit öffnen will. Bleibt es einzig bei dem Statement, läuft es Gefahr hinter die eigenen Ansprüche zurückzufallen.

Antanzen nur für Deutsche

://about blank - Berliner Club

In vielen medialen Kommentaren wird das Conne Island (CI) vor allem mit Häme bedacht – oft stellvertretend für Ansätze und Initiativen, die unter dem Begriff der Willkommenskultur gefasst werden: »Ernüchterung« sei eingekehrt, das CI sei »in der Realität angekommen«, »Linker Club spricht Klartext über Probleme mit Flüchtlingen«. Von einer Kapitulationserklärung im Umgang mit Refugees ist die Rede und vom Ende der Naivität – ein Stichwort, das das CI selbst gegeben hat als es schrieb: »Gemeinsam zu feiern und im Zuge dessen wie von selbst eine Integration junger Geflüchteter im CI zu erreichen, stellte sich als recht naiver Plan heraus.« Das CI wird in dieser Deutung zum Symbol der gescheiterten, realitätsfernen Grenzöffnungsrhetorik der Merkel-Administration und aller, die dabei mitgewirkt haben. So wie sich die Tatort-Drehbücher von der Abschottungs- und Abschiebepolitik hin zu sogenannten Integrationsproblemen und dem Scheitern der »Gutmenschen« verschoben haben, schlägt die Diskursverschiebung auch hier durch. Für rechte Diskursorgane wie Compact und Junge Freiheit war der Text ein idealer Anlass, um ihre rassistische Hetze mit vermeintlichen Belegen von links zu unterfüttern und mit einem Laden abzurechnen, der sich stets gegen jede Volldeutscherei positioniert hat.

Das Kernproblem des Textes ist in der Tat die Angst vor der rassistischen Ausschlachtung, die sich in Formulierungen wie »verbales Umschiffen des Sachverhalts« ausdrückt – so als gäbe es tatsächlich eine unangenehme Wahrheit, um die man nicht länger herumschleichen könne. Bedrückend ist, dass der Text diese Befürchtung auch klar benennt: »Uns zur Problemlage so explizit zu äußern, fällt uns schwer, da wir nicht in die rassistische Kerbe von AfD und CDU/CSU schlagen wollen«, und zugleich an rassistische Begriffsbilder anschließt: »Die stark autoritär und patriarchal geprägte Sozialisation in einigen Herkunftsländern Geflüchteter und die Freizügigkeit der westlichen (Feier-)Kultur bilden auch bei uns mitunter eine explosive Mischung.« Dieser Erklärungsversuch kürzt ein durchaus sinnvolles Nachdenken über Sozialisation, Ressourcen, Ausgangsbedingungen usw. auf Katastrophenrhetorik runter: die explosive Mischung – die perfekte rhetorische Zutat für den rechtsideologischen Clash of Civilisations, in dem der deutsche Antänzer eine volkstümliche Stimmungskanone und der nichtdeutsche ein wilder Frauenschänder ist.

Wenngleich das CI selbst die Stichworte gegeben hat, an denen sich zutreffende und notwendige Kritik von links, das hämische »Siehste!« des Mainstreams wie auch der menschenfeindliche Beifall von rechts entzündet haben, stehen der Ort und seine jahrelange Praxis für das Gegenteil von Vereinfachung und Kapitulation: Denn es sind gerade linksradikale Projekte wie das CI, in denen keine Illusionen über die Komplexität von tief in die Gesellschaften eingeschriebenen Verhältnissen wie Rassismus, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit, Homo- und Trans*phobie und Antisemitismus bestehen, sondern ihre Verstrickungen und Überlagerungen durchaus begrifflich erkannt und praktisch bearbeitet werden. In diesem Verständnis ist ein Scheitern aus linker, feministischer Perspektive auch keine böse Überraschung, kein Aufwachen aus einem Traum, sondern leider alltägliche Erfahrung in der Auseinandersetzung mit den Dominanzverhältnissen. Ein Jahr nach dem willkommenskulturellen breach ist das beklagte Fehlschlagen der Willkommenspraxis des CI allerdings ungewollt zum Paradebeispiel für die rassistische Konsensbildung geworden.

Antisexismus und Ausschlüsse im Clubkontext

Auch wenn wir es als weißes mittelständisches Clubprojekt mit linksradikal-feministischem Selbstverständnis gern anders hätten: Sexuelle Übergriffe, sexistische Anmachen und Mackerverhalten sind allen feministischen Kämpfen zum Trotz genuiner Bestandteil hiesiger Partykultur. Auch die freizügige, hedonistische, auf Selbstverwirklichung und Exzess, Grenzerfahrung und rauschhaften Genuss ausgerichtete Clubkultur hat sich dieses patriarchalen Erbes keineswegs entledigt, ebenso wenig wie sie sich von anderen Diskriminierungsverhältnissen freimachen kann. Sie kann in ihren besten Momenten ein respektvoller Aushandlungsort sein: ein Ort der Infragestellung und der partiellen Überwindung von Dominanzkultur, eine temporäre autonome Zone, in der Geschlechter, Identitäten und Zuschreibungen ihre Totalität verlieren und für eine gewisse euphorische Dauer aufgehoben sein können. Eine solche experimentelle, auf Emanzipation ausgerichtete Anordnung ist jedoch darauf angewiesen, dass die Teilhabenden in sie ungefähr einwilligen, sich also hineinbegeben, weil sie eine Ahnung haben, was sie erwartet und was sie einzubringen bereit sind – und in dem diejenigen, die das erkennbar nicht tun, draußen bleiben oder schlimmstenfalls hinausbefördert werden müssen. Linke Clubkultur ist also im Best-Case-Szenario ein subversiver Ort, in dem der mindestens latent sexistische, homo- und trans*phobe Normalzustand der Mehrheitsgesellschaft infrage gestellt, angegriffen, gewendet werden kann. Sie ist damit aber immer ein subkultureller Ort, politischer Underground, emanzipatorische Gegenkultur, und begegnet gängigen Amüsierprinzipien mit Distanz, Abwehr, mindestens jedoch Fremdheit. Diese subkulturelle Fremdheit (und nicht irgendeine kulturalistisch gedeutete Identität) ist es, die die Fragen nach Zugehörigkeit, nach Ein- und Ausschlüssen so kompliziert und unbefriedigend machen. Denn einerseits wollen linke Clubs Sammelbecken der vom Mainstream Marginalisierten und Ausgeschlossenen, der Verächtlichgemachten und der Drop-outs, der Sensiblen und der Unreparierten sein (und ziehen doch in der Hauptsache weiße Berufsjugendliche, Mittelstandstwens und Wohlstandsnerds an), und sind andererseits darauf angewiesen, sich vor dem Normaloterror der Dominanzkultur abzuschotten, um ihren experimentellen Charakter aufrechtzuerhalten. Entsprechend hoch sind teilweise die Zugangshürden, wie an den Türen linker Clubs zu besichtigen ist, und entsprechend rigide wird teilweise auf Grenzverletzungen, Anmachen oder Mackerverhalten reagiert – mit dem Rauswurf oder Hausverbot als Ultima Ratio. Fehlentscheidungen, misslungene Vermittlung und Missverständnisse, unnötige Härten oder Überreaktionen ebenso wie Infragestellungen, zu zögerliches Handeln, Sprachbarrieren oder Uneinigkeiten sind auch dabei an der Tagesordnung. Zudem wird subkulturelle Fremdheit häufig nur in Sekundenbruchteilen diagnostiziert, ist allein schon deshalb fehleranfällig und bleibt trotz aller Spiegelung subjektivistisch und gegen die subtile Wirksamkeit rassistischer Stereotypisierungen nicht gefeit. Eine Abweisung kann darüber hinaus als Kränkung, Abwertung und – von abgewiesenen Nichtdeutschen – auch als Rassismus empfunden werden, z.B. weil es diskriminierende Vorerfahrungen aufruft.

Das ist alles nicht schön und viele ungelöste Widersprüche weit entfernt von der Gesellschaft der Freien und Gleichen, gewiss aber allemal besser als der Partysexismus deutscher Volksfeste und Biermeilen oder die Herrenwitzigkeit von Vorstandsfeiern und VIP-Logen.

Kulturalistische Affirmationen und subversives Ausweichen

Ohne dass wir das in irgendeiner Weise statistisch erheben würden, können wir klar sagen: Die übergroße Mehrzahl von sanktionswürdigem Scheißverhalten geht – im ://about blank ebenso wie »da draußen« – von weißen, westlichen Männern aus. Gleichzeitig beklagen nicht wenige Clubs, dass sie ähnlich wie das CI einen Zusammenhang zwischen der Anwesenheit kulturalistisch beschriebener Männer und Belästigungen/Übergriffigkeiten gegenüber Frauen, Trans*, Queers und Homos feststellen. Eine solche »phänotypische« Feststellung lässt sich schwerlich per Knopfdruck wieder aus dem Kopf bekommen, unterschwellig schreibt sie sich in Sichtweisen und Perspektiven ein und stellt den Blick auf vermeintliche Kausalitäten scharf. Dagegen hilft nur kritisches Hinterfragen:

Inwiefern ist es überhaupt nötig, den sogenannten kulturellen oder Herkunftshintergrund einer übergriffigen Person festzustellen oder zu benennen? Ist es nicht bei konkreter Sexismuserfahrung hinreichend, eine antipatriarchale Haltung einzunehmen, vollkommen unabhängig vom Gegenüber? Ist die Zuschreibung »Macker« wirklich zu unspezifisch, um mit ihr antisexistische Standards durchzusetzen? Und müssen antisexistische Reaktionen, die ja gerade nicht nach einem Automatismus funktionieren, sondern sich flexibel an den Grenzen der Betroffenen orientieren, besonders sorgfältig begründet werden, wenn die Grenzverletzung von einem Marginalisierten ausgeht? Spiegelt sich in Sanktionen gegen geflüchtete Männer oder in den Zugangshürden die mehrheitsdeutsche Sehnsucht, »unter sich« bleiben zu wollen? Stehen geflüchtete Männer – egal wie sie sich konkret verhalten – nicht ohnehin längst unter latentem Generalverdacht oder verschärfter Beobachtung?

Auf dem aktuellen Diskursterrain gewinnt derzeit nur eine Deutung an Wirkmächtigkeit: Überall dort, wo Geflüchtete als Täter benannt worden sind, eskaliert die rassistische Hetze – und bei allen Beteuerungen, nicht ganze Gruppen »vorverurteilen« zu wollen, verstärkt sich diese Festschreibung, weil sie der rassistischen Projektion entspricht. Entgegen dem bestehenden Pressekodex beharrt die »Öffentlichkeit« vehement auf der Offenlegung des »Migrationshintergrunds« und fühlt sich andernfalls um die Wahrheit über »kriminelle Flüchtlinge« betrogen. Tatsächlich bestätigt es die Mehrheitsdeutschen vor allem in ihrem Ressentiment gegenüber »Anderen« wie auch in der Imagination, selbst einem überlegenen »Kulturvolk« anzugehören.

Dass es dabei im Kern nicht um Sexismus oder antipatriarchale Kritik geht oder darum zu verstehen, wie spezifische Sexismen, Rollenbilder und kontextabhängige Verhaltensweisen entstehen und fortwirken, wird auch daran deutlich, dass die Unsichtbarmachung von geflüchteten Frauen und Migrantinnen wie auch von Homosexuellen, Trans* oder Queerpersonen fortgeschrieben wird. Obschon sie häufig in mehrfacher Hinsicht von Diskriminierung betroffen sind, werden sie in der Skandalisierung der Übergriffe durch Geflüchtete und Migranten in der vermeintlichen Tätergruppe subsumiert. Ihre Perspektive bleibt extrem marginalisiert, auch weil jede Kritik von geflüchteten Frauen an geflüchteten Männern einer ähnlichen rassistischen Umdeutung unterliegt.

Weil alle kulturalistisch abgeleiteten Benennungen letztlich nur an der Konstruktion eines »Wir« und »den Anderen« mitwirken, scheidet eine identitäre Vorsortierung der Gäste aus. Daran anschließend ist auch eine auf vermeintlich kulturell identifizierte Gruppen ausgerichtete »Gefährderansprache« rassistischer Unfug. Entgegen den auch im CI-Text zitierten, angeblich antirassistisch motivierten Interventionen gehen wir nicht davon aus, dass die Notwendigkeit eines respektvollen, nicht auf Diskriminierung, Erniedrigung oder Objektivierung ausgerichteten Umgangs mit Frauen einer kulturspezifischen Vermittlung bedarf. Wir denken demgegenüber, dass Männer aller Generationen und aus allen Kontexten sehr genau wissen, dass ihre Handlungsweisen Frauen ausbeuten, abwerten, sexualisieren, demütigen und verletzen, sie also keinen Nachhilfeunterricht brauchen, sondern klaren Widerspruch, feministische Gegenwehr bis hin zur dauerhaften Sanktion. Wir bestreiten daher auch, dass man – wie es kulturrelativistische Positionierungen teilweise verlangen – Männern nichtdeutscher Anmutung extra erklären sollte, »dass man hier mit Frauen so nicht umgeht« (wie im CI-Text zitiert). Es reicht im Kontext von Sexismus völlig, wenn sie wie ihre biodeutschen Kollegen als Männer adressiert werden.

Escape through the Clubkultur?

Bei allem Verständnis für die Vertracktheit des Problems ist offenkundig: Die Stellungnahme des CI ebenso wie sämtliche linken und rechten Haken, die darauf folgten, sind auch Ausdruck eines Versagens linker Bewegungen, der wechselseitigen Konstitution von Sexismus und Rassismus mit Nachdruck auf den Grund zu gehen und nach Auswegen aus einem Verhältnis zu suchen, das Sexismus kulturalisiert und jenseits der fröhlichen Willkommensparty verortet. Gegen die Empörungswelle, die sich nach den Ereignissen in der Silvesternacht in Köln Bahn brach, hilft es unterdessen wenig, mit Strategien der Gegenkulturalisierung zu antworten – »Köln war auch nichts anderes als das Oktoberfest!« – und damit eine Spezifik gesellschaftlicher (nicht: kultureller) Verhältnisse als Faktor für die konkreten Manifestationen von Sexismus zu verleugnen. Dass Sexismus im Bundestag andere Wege nimmt als auf dem Tahrir-Platz hat dabei allerdings sehr viel mit jahrzehntelangen feministischen Kämpfen zu tun und nichts damit, dass die Kartoffelmänner Feministen der ersten Stunde gewesen wären. Gleichzeitig – und das haben die Reaktionen auf den CI-Text deutlich gemacht – ist es ebenso fatal, selbst in kulturalisierende Erklärungsmuster sexistischer Übergriffe zu verfallen, sie damit erneut in ein fremdes, homogenes »Außen« abzuschieben und im gleichen Atemzug migrantische feministische Positionen unsichtbar zu machen. Keiner dieser beiden Wege trägt etwas dazu bei, der kulturalisierenden Logik zu entfliehen; keine dieser Strategien eröffnet Auswege aus dem komplizierten Handgemenge, in dem sich antisexistische wie antirassistische Kämpfe derzeit bewegen und auch zukünftig bewegen müssen. Ein erster Ansatzpunkt wäre ein Austausch und eine Verbündung mit eben jenen migrantischen antisexistischen und antirassistischen Kräften, die sicherlich einiges zu dem Dilemma, in dem sich das CI sieht, zu sagen hätten. Damit wäre die Adressierung eines politischen Problems (sexualisierte Gewalt in einem linken Club) auf Basis einer geteilten politischen Agenda (Antisexismus) angestoßen.

Die Suche nach Escape-Routen aus der Kulturalisierung des Sexismus ist eine Aufgabe, der sich die ganze antirassistische und antisexistische Linke stellen muss, will sie nicht ungewollt als Handlangerin des erneuerten rassistischen Konsenses fungieren. Clubkulturelle Orte mit linksradikal-feministischem Selbstverständnis können die Verschränktheiten von rassistischen und sexistischen Diskriminierungen und Zuschreibungen nicht auflösen. Sie können sie aber kenntlich machen und versuchen, sich gängigen Deutungen und Dynamiken zu verweigern, sie bestenfalls subversiv unterlaufen. Als soziale Orte mit primärer, auf der Egalität des Dancefloors beruhender Vergnügungsfunktion haben sie das Potenzial, Menschen zusammenzubringen, die an der Überwindung von Unterdrückungsverhältnissen interessiert sind, und der rassistischen Konsensbildung eine – wenn auch brüchige – andere Wirklichkeit entgegenzusetzen. Eine Voraussetzung dafür ist das Hinterfragen von Homogenität und Normativität sowohl ihrer Gäste als auch ihrer Betreiber*innen- und Belegschaften, um multiple, nicht hegemoniale Perspektiven und Positionen reflektieren und vertreten zu können. Sie werden dabei allerdings weiterhin fortwährend an ihre Grenzen stoßen, steckenbleiben, bisweilen scheitern – das ist auf unabsehbare Zeit das Los aller, die an der Idee umfassender Emanzipation festhalten.