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Gegendruck

Linke Medien und Medienkritik

Herbst 2011

Editorial

Zehn Jahre Phase 2. Das verführt zu stereotypen Formulierungen à la »wie die Zeit vergeht « oder zu Geschichten, die mit »weißt du noch« beginnen. Nicht so unser aktueller Medienschwerpunkt; wir blicken anlässlich des Jubiläums eher nach vorne als zurück. Dabei kann die Lektüre alter Phasen durchaus interessant sein. Auf jeden Fall amüsant. Gerade die ersten Ausgaben sind noch deutlich geprägt vom Durcheinander, thematisch und stilistisch. So orientierte sich beispielsweise die Bebilderung direkt am Inhalt: geht es um Anti-Rassismus, werden Bilder von Demos gegen Abschiebung im Text verteilt, die Vorstellung der Rubrik gender jungle verziert eine gezeichnete Frau mit Knarre usw. Noch heute gerne zitiert: der Abschiebeknast-Bastelbogen »zum Selbersprengen« als Gimmick in der ersten Ausgabe. Ach, lang ist‘s her. Weiter

Inhalt

Top Story

Phase 2 Leipzig

Gegendruck

Linke Medien und Medienkritik

Happy Birthday Phase 2! Zehn Jahre und 40 Ausgaben sind seit der Gründung unserer Zeitschrift vergangen. Dermaßen ins Alter gekommen, soll nicht einfach gefeiert werden, ohne die Bedingungen unseres Weiterbestehens in Augenschein zu nehmen: Wieso eine Phase feiern, die ursprünglich doch lediglich eine Übergangsphase sein sollte zwischen einer gescheiterten Antifa-Bewegung mit revolutionärem Anspruch und der »wirklichen Bewegung« (Marx)?  Weiter…

Felix Riedel

Un-Möglichkeiten

Fragmentarisches über Kulturindustrie und die Aktualität dialektischer Kritik

Der universitären Philosophie ist die Analyse der Kulturindustrie bei Adorno ein Anathema – es lässt sich kein Geheimnis zaubern aus der offenherzigen Kritik, keine kryptische Sprache daran entwerfen, die beweisen könnte, dass der Sachverständige nicht umsonst Jahr und Tag am Schreibtisch gebuckelt hat. Einen klar und deutlich schreibenden Adorno kann niemand gebrauchen, der Übersetzerarbeit und den Kultus des Genies zum Beruf hat.  Weiter…

Oliver Jelinski

A Means to an End

Über Medientheorie und - Kritik von Adorno bis Enzensberger

Die Wortschöpfung »Medienkritik« ist ein ziemlicher Unsinn. Ein Medium ist in der Kommunikationstheorie dasjenige, was die Vermittlung einer Nachricht zwischen Senderin und Empfänger ermöglicht. Als solches ist das Medium eine Mitte, ein Mittel. Das Mittel aber ist immer Mittel zu etwas; es ist wesentlich bestimmt durch seinen Zweck. Unabhängig von ihm mag es wohl Etwas sein, ein Gegenstand, ein technischer Komplex, was auch immer, aber eben kein Mittel, kein Medium. Eine Kritik des Mediums an sich ist insofern nicht möglich. Kritisieren lässt das Mittel sich nur in Bezug auf seinen Zweck, und das ist dann eben eigentlich keine »Medienkritik«, sondern eine Kritik eines Verhältnisses, in dem das Medium nur ein Moment ausmacht. Noch sinnentleerter allerdings wird das Wort, wenn, wie es heute gängig ist, die »Medien« als Pluraletantum betrachtet werden.Wolfgang Hagen, Wie ist eine »eigentlich« so zu nennende Medienwissenschaft möglich?, in: Claus Pias (Hrsg.), Was waren Medien?, Zürich 2011. Die Medien sind dabei explizit ein großer Sammelcontainer, der unabhängig davon gebildet ist, was sein begrifflicher, also sachlicher Gehalt sein mag. Die Medien sind dabei für jede das, was sie dafür hält. Für den einen sind es die Massenmedien, Rundfunk und Fernsehen, heute sicherlich das Internet, für die andere sind es alle Mittel der Übertragung von was auch immer schlechthin. Nach einer langen, notwendig ergebnislosen Debatte der Medienwissenschaften darüber, was deren Gegenstand denn eigentlich sei, wird die Disziplin heute gerade dadurch bestimmt, dass ihr Gegenstand keiner ist, beziehungsweise erst durch die Wissenschaft hergestellt, die ihn untersucht: es gibt »die Medien außerhalb der Medien selbst nur als Gegenstände der Medienwissenschaft«.Ebd., 95. Das führt nicht etwa zur Aufgabe solch theoretisch sinnloser, wenngleich doch immerhin im akademischen Bereich entlohnter Tätigkeit. Im Gegenteil: Wo die Wissenschaft von keinem Gegenstand gebremst wird, verbreitet sie sich ungehemmt. Weiter…

Christoph Schneider

Die Medialität des Weltverhältnisses

Über Handlung und Wirklichkeit im linken Mediendiskurs

Für einen Seitenblick auf die Erkenntnistheorie der Medien könnte eine Zeitschrift, die sich an Konzepten des Politischen orientiert, die falsche Adresse sein. Denn thematisiert wird, was in der Kritik der Verhältnisse samt ihren Repräsentationslogiken vorausgesetzt ist: die Bedingungen der Wahrnehmung, des Verstehens und des Darstellens. Medientheorie ist kein linkes Thema. Allenfalls einzelnen Medienerzeugnissen und bestimmten medientechnischen Entwicklungen wird politische Bedeutung attestiert. Dabei kursieren in der Regel zwei konträre Auffassungen: Die eine unterscheidet Medien und Mediengebrauch nach der Maßgabe von Manipulation bzw. Authentizität, eine zweite attestiert der medientechnischen Entwicklung, den Zugang zur Wirklichkeit verunmöglicht zu haben. Auf der einen Seite steht eine These, die mit Blick auf mediale Kontexte die Angemessenheit und Faktizität bestimmter Darstellungen und Äußerungen beglaubigen will (und andere verwirft), auf der anderen Seite eine Position, die angesichts von Reality-TV, Twitter usw. solche Unterscheidungen für überkommen hält, weil die Grundlage dafür geschwunden sei. Weiter…

Doris Akrap

Alleinstellungsmerkmal »links«?

Über die Schwierigkeiten des linken Publizierens

Spricht man heute von einer linken Zeitung, wirkt das irgendwie anachronistisch. Denn die Frage danach, wo heute links ist und was es bedeutet, stellt sich auch mit Blick auf die Medien. In diesen spiegelt sich doch auch nur wieder, was sich so in der Gesellschaft tut. Ein Großteil der Linken ist akademisiert, verrichtet in Projekten, Stiftungen, Vereinen und bei anderen Arbeitgebern seine politische Arbeit. Mit Ausnahme von einigen wenigen Standpunkten in politischen Fragen gibt es kaum Merkmale, die sie von ihren Kollegen unterscheiden. Weder sind sie besser angezogen, noch sind die WG, der Rastazopf oder die vegane Ernährung Kriterien, an denen man Linke erkennen könnte. Und das ist auch völlig in Ordnung so. Ähnlich aber verhält es mit linken Medien. Fast jedes ernstzunehmendes Medium thematisiert Alltagsrassismus, Ausbeutung, Antisemitismus oder gar Antifaschismus, Themen, die einst linken Publikationen vorbehalten waren. Auch die spielerische Formatvielfalt, die betont autonome Bebilderung, der ironische Tonfall oder die überraschende Bearbeitung von Themen, einst auf dem linken Spielfeldrand der Medienlandschaft entstanden, sind Mainstream geworden. Längst sucht man nicht mehr nur in linken Medien den eigenen, den anderen Zugang. Weiter…

Juri Dadarin

Mehr als eine unabgeschlossene Phase unserer Jugend

Wie die Zeitschrift gegen die Realität zwischen Anspruch und Wirklichkeit vermittelt und warum sie sich dafür ändern muss

Im Sommer 2000 herrschte große Sorge in so mancher Antifa-Gruppe, denn die Nazis wurden zu gut bekämpft. Und zwar vom Staat, der die Zivilgesellschaft zum »Aufstand der Anständigen« aufrief. Der Staats-Antifa Sommer war nicht so sehr der Startschuss, sondern eher der bittere Moment der Wahrheit. Grundlegende Unzulänglichkeiten des von Gruppen wie der Antifaschistischen Aktion Berlin und der Autonomen Antifa [M] aus Göttingen vertretenen Konzepts des »revolutionären Antifaschismus« wurden offenkundig.Die etwas hilflose Reaktion auf Antifa.de kann man z.B. hier nachlesen: http://www.antifa.de/cms/content/view/65/32/. Bereits seit Mitte der neunziger Jahre war die Antifa in der Krise.Insbesondere galt das für die [M] aus Göttingen, gegen die die Staatsanwaltschaft einen großen Prozess angestrengt hatte, der 1995 gegen Auflagen eingestellt wurde. Damit fiel für diese Gruppe das inhaltliche Hauptbetätigungsfeld, nämlich die Thematisierung der eigenen Kriminalisierung, weg. Weiter…