2 03

Enduring Weltordnung

Februar 2002

Editorial

Die zweite Phase geht in die dritte Runde. Eigentliche eine gute Zeit zum Aufhören. Wir haben das Redaktionsleben kennen gelernt, wir haben tausende Mark eingenommen und wieder zum Fenster rausgeworfen, wir durften in Rezensionen über uns lesen – mal gutes mal schlechtes — alles war ein bisschen aufregend, Lob hat uns gefreut, Kritik haben wir als völlig unbegründet zur Seite gelegt. Weiter

Inhalt

Top Story

Phase 2 Leipzig

Enduring Weltordnung

Der antiterroristische Dauerfall und seine Konflikte

Einleitung zum Schwerpunkt Militärisch war der Krieg gegen die Taliban schnell entschieden. Ihre Kämpfer, durch ein propagandistisches Dauerbombardement als furchtlos und wahnwitzig stilisiert, erwiesen sich als rationale Nutzenabwäger. Meist früher als zu spät schmissen sie ihre Knarren hin oder handelten mit örtlichen Stammesfürsten einen pragmatisch unblutigen Modus aus. Im Allgemeinen widerstanden sie so dem Angebot des Märtyrertodes, der ihnen doch, glaubte man der hiesigen Medienberichterstattung nach dem 11.9., mit einer erklecklichen Anzahl von Jungfrauen und der Vergebung aller Sünden versüßt werden sollte. Weiter…

Mark Schneider

Der Krieg, die Linke und Stürme im Wasserglas

Golfkrieg 1991, Jugoslawienkrieg 1999, Krieg gegen den Terror 2001 - zu den letzten drei Kriegen mit weltgeschichtlicher Bedeutung hatte die Linke viel zu sagen und zu schreiben. Sie erlangte damit aber weder eine Diskursmächtigkeit noch konnte sie politisch wirksam intervenieren. Der von der Linken zurecht kritisierten Friedensbewegung ging es in dieser Dekade nicht besser - zum Glück, möchte man meinen. Allerdings gebar die linke Ohnmächtigkeit angesichts der Verhältnisse neben klugen Gedanken auch einige krude Theorien. Und die Debatten wurden umso heftiger ausgetragen, je stärker die eigene Bedeutungslosigkeit offensichtlich wurde. Eine Besichtigung der dabei angerichteten Sturmschäden und gezüchteten Stilblüten nimmt der folgende Text vor. Mobilisierungsfähigkeit und emanzipatorische Propaganda leben von Gut-Böse-Dichotomien, die die Identifikation und Abgrenzung ermöglichen. In den Konflikten seit 1989 haben diese Raster allerdings an Erklärungskraft verloren. Zum einen ließen sich die weltpolitischen Entwicklungen nicht mehr mit klassischen antiimperialistischen Anschauungen in Übereinstimmung bringen. Andererseits setzte mit dem Untergang der Linken eine kritische Reflexion ein, die die alten Anschauungen auch rückwirkend für verkürzt oder gar falsch erklärte. D.h. es gab real keine Subjekte, Bewegungen, Staaten, Klassen oder andere Formationen mehr, auf die sich positiv bezogen werden konnte - und selbst wenn, war die StellvertreterInnen- und Solidaritätspolitik gründlich diskreditiert. Dass sich einige Unverbesserliche dennoch in alte Gewissheiten zu flüchten versuchten, machte es für den Rest immer schwieriger, politisch zu agieren und zu argumentieren. Dieser Prozess wird bei einem Blick auf das Verhältnis der antimilitaristischen Linken zu den drei erwähnten Kriegen deutlich. Der Friedensbewegung hingegen, die dem gleichen Abwärtstrend unterworfen war, lässt sich nicht einmal nachsagen, für das vermeintlich Gute eingetreten zu sein. Denn das, worauf sich die Friedensbewegung mehrheitlich bezogen hat, hat sich nicht etwa verflüchtigt, sondern in deutscher Regierungspolitik verfestigt. Während die kommunistisch geprägten Teile der Friedensbewegung in den 80ern prosowjetisch argumentierten, halluzinierten sich die anderen als Opfer eines "atomaren Holocaust" und der Blockkonfrontation. Als Ausweg wurde mehr nationale Friedenssouveränität propagiert. Dieser ist nun mit den humanistischen Kriegseinsätzen zur Verhinderung eines "Auschwitz'" in Jugoslawien an sein Ende gelangt. Weiter…

Thomas Hauke

Vom Imperialismus zum Empire

Wenn von Antonio Negris und Michael Hardts Buch "Empire" die Rede ist, wird fast ausschließlich auf die Konzeption der multitude verwiesen, jener gesellschaftlichen Kraft, die früher der Ausgangspunkt des revolutionären Subjekts war und als "die Massen" bezeichnet wurde. Sie ist für Negri und Hardt auch heute noch - jetzt allerdings in ihrer individualisierten Vielfalt - Motor gesellschaftlicher Entwicklung und Quell der Hoffnung auf eine kommunistische Zukunft, wobei sich die Konturen dieser Zukunft all überall schon abzeichnen. Solche Schwelgereien in den Träumen einer absoluten Demokratie riefen in den Rezensionen hierzulande bestenfalls Hinweise auf einen in diesen Zeiten bewundernswerten bis verwunderlichen Optimismus, der die beiden Autoren befallen habe, hervor. Obwohl die Fragen der multitude für Negri und Hardt unbestreitbar von zentraler Bedeutung sind, soll sich hier und in der nächsten Ausgabe jedoch mit jener Hälfte ihrer Analyse der gegenwärtigen Situation auseinandergesetzt werden, die nicht darauf aus ist, Niedergang und Verfall einer globalisierten Ordnung zu beschreiben, sondern erklären will, was das Empire unserer Zeit im Gegensatz zum Imperialismus sonst noch ausmacht. Weiter…

Detlef Hartmann

Der neue Griff nach der Weltmacht

Detlef Hartmann gehörte in den 70er Jahren zur undogmatischen Linken (Proletarische Front, Arbeiterkampf etc.) und bewegte sich im Stadtteilkampf, in der Antipsychiatriebewegung etc. Autor von "Leben als Sabotage", Tübingen 1981, Veröffentlichungen u.a. in der Zeitschrift "Autonomie", dann in der Gruppe "Materialien für einen neuen Antiimperialismus". Er arbeitet in der Kampagne "Kein Mensch ist Illegal" mit und ist Rechtsanwalt in Köln. Irgendwie scheint diese Message an uns vorbei gegangen zu sein: Rezzo Schlauch, seit 1980 Partei-Grüner, seit Oktober 1998 Vorsitzender der Fraktion und Mitbetreiber des Einstiegs in den Kosovo-Krieg gab uns in der Zeit vom 22. Nov. 2001 "vier Lehren für Afghanistan". Eine von diesen Lehren liest sich so: Weiter…

Stephan Grigat

Never ending story

Bücher zum linken Antisemitismus

Stephan Grigat gehört in Wien zu der Gruppe "Café Critique", die sich auf Grund unüberbrückbarer Gegensätze in der Einschätzung von Nationalsozialismus und Antisemitismus, von Nation, Krise und postfaschistischer Gesellschaft, von Israel und dem Massenmord im World Trade Center vom "Kritischen Kreis", in dem bis vor kurzem unterschiedliche Richtungen einer an Marx und der Kritischen Theorie orientierten wertkritischen und antinationalen Gesellschaftskritik vereinigt waren, abgespalten hat. Weiter…