Mark Schneider
Der Krieg, die Linke und Stürme im Wasserglas
Golfkrieg 1991, Jugoslawienkrieg 1999, Krieg gegen den Terror 2001 - zu den letzten drei Kriegen mit weltgeschichtlicher Bedeutung hatte die Linke viel zu sagen und zu schreiben. Sie erlangte damit aber weder eine Diskursmächtigkeit noch konnte sie politisch wirksam intervenieren. Der von der Linken zurecht kritisierten Friedensbewegung ging es in dieser Dekade nicht besser - zum Glück, möchte man meinen. Allerdings gebar die linke Ohnmächtigkeit angesichts der Verhältnisse neben klugen Gedanken auch einige krude Theorien. Und die Debatten wurden umso heftiger ausgetragen, je stärker die eigene Bedeutungslosigkeit offensichtlich wurde. Eine Besichtigung der dabei angerichteten Sturmschäden und gezüchteten Stilblüten nimmt der folgende Text vor. Mobilisierungsfähigkeit und emanzipatorische Propaganda leben von Gut-Böse-Dichotomien, die die Identifikation und Abgrenzung ermöglichen. In den Konflikten seit 1989 haben diese Raster allerdings an Erklärungskraft verloren. Zum einen ließen sich die weltpolitischen Entwicklungen nicht mehr mit klassischen antiimperialistischen Anschauungen in Übereinstimmung bringen. Andererseits setzte mit dem Untergang der Linken eine kritische Reflexion ein, die die alten Anschauungen auch rückwirkend für verkürzt oder gar falsch erklärte. D.h. es gab real keine Subjekte, Bewegungen, Staaten, Klassen oder andere Formationen mehr, auf die sich positiv bezogen werden konnte - und selbst wenn, war die StellvertreterInnen- und Solidaritätspolitik gründlich diskreditiert. Dass sich einige Unverbesserliche dennoch in alte Gewissheiten zu flüchten versuchten, machte es für den Rest immer schwieriger, politisch zu agieren und zu argumentieren. Dieser Prozess wird bei einem Blick auf das Verhältnis der antimilitaristischen Linken zu den drei erwähnten Kriegen deutlich. Der Friedensbewegung hingegen, die dem gleichen Abwärtstrend unterworfen war, lässt sich nicht einmal nachsagen, für das vermeintlich Gute eingetreten zu sein. Denn das, worauf sich die Friedensbewegung mehrheitlich bezogen hat, hat sich nicht etwa verflüchtigt, sondern in deutscher Regierungspolitik verfestigt. Während die kommunistisch geprägten Teile der Friedensbewegung in den 80ern prosowjetisch argumentierten, halluzinierten sich die anderen als Opfer eines "atomaren Holocaust" und der Blockkonfrontation. Als Ausweg wurde mehr nationale Friedenssouveränität propagiert. Dieser ist nun mit den humanistischen Kriegseinsätzen zur Verhinderung eines "Auschwitz'" in Jugoslawien an sein Ende gelangt.
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