2 07

Den Krieg erklären

März 2003

Editorial

Phase 2.06 gliederte sich, wie vielleicht bekannt, in die Auflagen a) und b). Die erste Auflage wurde zunächst als Beweismittel mit dem Verdacht auf Steuerhinterziehung und verfassungswidrige Inhalte beschlagnahmt. Inzwischen existiert der zweite Beschlagnahmungsbeschluss, die gesamte Auflage ist nunmehr ein Tatmittel und somit bleiben die gesamten Hefte weiterhin bei diversen bairischen Behörden unter Verschluss. Deshalb heißt es nach wie vor: »Gebt das Heft frei!« Weiter

Inhalt

Top Story

Phase 2 Leipzig

Gegen den falschen Frieden

Zum Schwerpunkt dieser Ausgabe

Die Entscheidung über einen Krieg im Irak ist zum jetzigen Zeitpunkt gefallen. Die Entscheidung für den Schwerpunkt dieser Ausgabe ist allerdings mehr als drei Monate alt. Wir hätten uns folglich der alten Tradition des Zeichendeutens, die aus den Gedärmen der materiellen Verhältnisse und den Meldungen der Magazine und Tageszeitungen die Zukunft zu weissagen weiß, verschreiben müssen, um die passgerechten Analysen zur Gegenwart hier zu versammeln. Solche Hexerei gehört natürlich zum Handwerkszeug linksradikaler Blätter, aber hier soll verraten werden, wie es uns auch diesmal wieder gelang. Weiter…

Phase 2

Den Krieg erklären

Interview mit Michael Heinrich und Jost Müller

Im Januar veranstaltete die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) eine Veranstaltung mit dem Titel „Sag mir, wo du stehst“, auf der linke Analysekonzepte und ihre Erklärungskraft angesichts des bevorstehenden Irak-Krieges im Zentrum der Diskussion standen. Da die Veranstaltung nicht mitgeschnitten werden konnte, erklärten sich mit Michael Heinrich und Jost Müller zwei der Referenten bereit, zu den wesentlichen Streitfragen in einem kurzen Interview erneut Stellung zu nehmen.   Weiter…

Robert Kurz

Krisen-Imperialismus

Sechs Thesen zum Charakter der neuen Weltordnungskriege

Erstens. Kapitalismus ist keine buddhistische Veranstaltung, ihm ist mit einem ahistorischen Verständnis nicht beizukommen. Die identische Logik des Verwertungsprinzips bewirkt nicht die ewige Wiederkehr des Gleichen, sondern einen irreversiblen historischen Prozess mit qualitativ verschiedenen Verhältnissen. Die jeweilige Weltkonstellation kann nur aus der Entwicklung des Weltkapitals heraus erklärt werden. Wenn sich eine bestimmte Stufe der Verwertung erschöpft hat, werden auch die damit verbundenen politischen Institutionen, Begriffe und Ideologien obsolet. Das gilt umso mehr bei einem Reifegrad des Weltsystems, wie er am Ende des 20. Jahrhunderts erreicht worden ist. Weiter…

Phase 2 Berlin

Bombs ≠ War ≠ Capitalism

Wer vom Krieg für sich redet, sollte vom Krieg an sich schweigen

Begriff und Wirklichkeit des Krieges erscheinen immer unbestimmter: Terror ist Krieg, Krieg ist Terror, und das nicht nur in den Augen der Friedensbewegung. Was aktuell immer mehr ins Wanken gerät, ist eine Vorstellung von Krieg, die seit jeher unzutreffend war: Nicht erst nach dem 11. September 2001 ist die Koppelung von „Krieg“ an Konfliktlinien zwischen Nationalstaaten unzureichend. Was seit der Durchsetzung der Ordnung des bürgerlichen Staates als Normalmodus des Krieges begriffen wurde, nämlich die von ökonomischen oder territorialen Interessen geleitete Auseinandersetzung zwischen sich äußerlichen Staaten, kann jene Verhältnisse, die heute als Krieg bezeichnet werden, scheinbar immer weniger erfassen. Das liegt nicht etwa daran, dass staatliche und ökonomische Interessen sowie deren Verschränkungen in Kriegen keine Rolle mehr spielen würden – Interessen werden aber zunehmend in Räumen ausagiert, die kaum noch als souveräne Staaten erscheinen (wie z.B. in Ex-Jugoslawien) und verschränken sich dort mit scheinbar „irrationalen“ Kriegsmotiven (Religions- und ethnisierte Kriege). Deshalb sprechen manche von den „neuen Kriegen“. Negri und Hardt sehen den Krieg im Empire als Polizeiaktion, die in einer zunehmend „glatten“ Welt agiert. Der Krieg würde somit zunehmend lokale Verhältnisse unmittelbar mit globalen in Beziehung setzen. Nationalstaaten und mafiose Herrschaftsstrukturen treffen auf der gleichen Ebene aufeinander. Der These einer „neuen Qualität“ kriegerischer Formen folgt dieser Artikel zunächst. Die Frage ist jedoch, ob es sich tatsächlich um eine so „neue“ Qualität handelt, oder ob hier nicht einfach Strukturen sichtbar werden, die bereits den „alten“ kriegerischen Auseinandersetzungen der Moderne innewohnten.   Weiter…

Jochen Faun

Die Mobilmachung der Zivilgesellschaft

Da zwischen dem formalen Anspruch auf gewaltfreie Konfliktregulierung und ihrer faktischen kriegerischen Praxis ein Widerspruch besteht, meint die Zivilgesellschaft sich legitimieren zu müssen.

Die Zivilgesellschaft(1) stilisiert sich zum einen selbst als die Instanz, die entscheidet, wo zugunsten der Menschenrechte getötet werden darf und wo nicht. Zum anderen entstand im zivilgesellschaftlichen Kontext in verschiedenen Variationen das Narrativ vom neuen Krieg, welches beinhaltet, dass immer das, was die anderen (GegnerInnen in einem Krieg oder unliebsame Alliierte) führen, Krieg heißt oder bedeutet, nicht aber das eigene Agieren.(2)   Weiter…

Nicolas Siepen

No Angels

Wie der Terror als „Kriegsmaschine“ auf die Existenz von Todesengeln im Empire verweist.

Wenn von Krieg die Rede ist, und im Moment ist permanent die Rede von Krieg, kann man fast sicher sein, dass eine paradoxe Diskursfigur entsteht: was den einen das ewige Mittel zum Zweck der Konservierung der Ordnung der Dinge ist, ist den anderen der beste Weg zur Zerstörung derselben. Der Krieg - ob heilig oder nicht - erscheint jedoch in beiden Perspektiven meist als ein der Geschichte enthobenes Zwischenreich - als Ausnahmesituation. Unter dem Druck der aktuellen Ereignisse mehren sich jedoch die Stimmen, die den Krieg auf die Gesamtheit der gesellschaftlichen Vorgänge ausweiten: Krieg als Normalität. Vom Standpunkt einer auf Emanzipation(1) ausgerichteten Gesellschaftstheorie, ergeben sich daraus erhebliche Schwierigkeiten. Das lässt sich sehr gut an einem theoretischen Entwurf demonstrieren, der in Punkto Emphase nicht gerade geizt. Die Rede ist von Antonio Negris und Michael Hardts Empire(2). Weiter…

Phase 2

Mit den USA gegen Antisemitismus?

Interview mit Matthias Künzel

Während der konkret-Rausschmiss von Jürgen Elsässer lautstark zelebriert wurde und der neu erwachte Friedensfreund nun von Zeitungen hofiert wird, die er selbst noch vor ein paar Jahren als antisemitisch und nationalistisch diffamiert hätte, vollzog sich eine andere Veränderung eher im Stillen. Die Kritik von Matthias Küntzel am Antiamerikanismus des konkret-Kongresses „Deutschland führt Krieg“ (Jungle World 23.01.2002) wurmte die konkret so, dass sie ihn seither nicht mehr als Autor führt. Dabei hat Matthias Küntzel mit „Djihad und Judenhaß. Über den neuen antijüdischen Krieg“ ein Buch vorgelegt, dessen Lektüre ausdrücklich empfohlen sei. Erstmals beschäftigt sich jemand gründlich und faktenreich mit den Ursachen und Folgen des antisemitischen Wahns im Islamismus. Dies betreibt er jenseits von antiislamischen Pauschalisierungen, die man zuweilen aus antideutschen Kreisen gewöhnt ist - und natürlich fern von jeder Verharmlosung des Antisemitismus. Phase 2 befragte Matthias Küntzel Ende Januar zu einigen Schlussfolgerungen, die sich aus den Analysen seines Buches ergeben.   Weiter…

Volker Weiss

Europäischer und arabischer Antisemitismus

Versuch einer Differenzierung

Das antijüdische Ressentiment gleicht dem von ihm geschaffenen „ewigen Juden“, es durchwandert die Geschichte seit Jahrhunderten. Es erwies sich als wandlungsfähig und verließ mit der Aufklärung die religiöse Sphäre in die der Wissenschaften, um schließlich in der Ökonomie seine Projektionsfläche zu finden. Vieles spricht dafür, es als prototypisches Ressentiment des christlichen Europas zu sehen, das sich seither in allen anderen Ressentiments perpetuiert. Auch als mit der Shoa der radikalste Ausdruck des Ressentiments seine Dimensionen der Welt offenbarte, verschwand es nicht. Die leise humanistisch-revolutionäre Hoffnung, Auschwitz habe das „Philosophem von der reinen Identität als dem Tod“ (Adorno 1993) bestätigt und die Menschheit durch diese Erkenntnis zur Emanzipation von den Dingen gebracht, wurde nicht erfüllt. Der im Stande der Unfreiheit entwickelte pragmatische Gedanke des Zionismus, in einem eigenen Staat seien die Juden geschützt und das Thema gewissermaßen durch einseitigen Rückzug „aus der Welt“, sollte sich als Irrtum erweisen. Flohen die Juden einst vor dem Antisemitismus nach Palästina und gründeten Israel, so hat sie das Ressentiment im Zuge des israelisch-arabischen Konfliktes schließlich eingeholt. Nach 1967 hat die vermeintlich antiimperialistisch-antikoloniale Rhetorik den Antisemitismus in der Zusammenführung der Begriffe „Imperialismus“, „Kapitalismus“ und „Judentum“ als „Antizionismus“ progressiv codiert. Davor, dass Antisemitismus im Antizionismus enthalten sei „wie das Gewitter in der Wolke“, warnte Jean Améry bereits 1969 die deutsche und die französische Linke. Trotzdem hat sich die Palästina-Solidarität nie gescheut, noch die dümmsten Märchen des arabischen (und vornehmlich sowjetischen) Antizionismus zu reproduzieren. Die jüngste Wiederkehr dieses Antizionismus vollzog sich zurecht in den grotesken Akten der Möllemann-Karsli-Operette. Weiter…

Udo Schneider

Krach ohne Scheidung

Auch wenn die Konflikte zwischen den USA und einem Deutsch-Französisch dominierten „Kerneuropa“ zunehmen, ist der Ausbruch einer militarisierten europäischen Konkurrenzmacht aus der transatlantischen Allianz weiter in die Ferne gerückt.

Als der US-amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die deutsch-französische Irak-Politik mit den Worten rügte, diese repräsentiere das „alte Europa“, reagierten eine Reihe von deutschen und französischen Intellektuellen mit Akten geistiger Mobilmachung. Auf den Feuilletonseiten der FAZ antworteten Jürgen Habermas, Alice Schwarzer, Christian Clavier, Robert Menasse und einige mehr auf die „amerikanische Provokation“, indem sie die bekannte antiamerikanische Argumentationsweise bemühten, nach der die Außenpolitik der USA vom nackten ökonomischen Interesse getrieben sei, während die der Europäer der Verteidigung von Kultur und Demokratie diene.(1) Dazu gesellte sich allerdings in bisher selten übertroffener Deutlichkeit die Forderung nach einer Forcierung des europäisch-amerikanischen Gegensatzes bis hin zum Marschbefehl. So bejubelte der Schriftsteller Durs Grünbein den deutsch-französischen „Aufstand der Vasallen“ als Schritt in ein „neues Zeitalter der Weltpolitik“, in welchem sich Europa „als dritte Kraft im Spiel der Supermächte“ formiert. Sein französischer Kollege Michel Tournier dachte gleich ein Stück weiter. Er hoffte, dass die „deutsch-französische Entente“ auch so weit geht, dass beide Länder „eine Armeeeinheit in den Irak schicken, um das Volk zu schützen und gegen die amerikanische Aggression zu verteidigen.“ Weiter…

Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus

Bürgerliches Versprechen - linkes Glück?

Zum Antisemitismus in der Linken

Bei dem folgenden Text handelt es sich um die bearbeitete Fassung eines Referates des Bündnisses gegen Antisemitismus und Antizionismus aus Berlin. Im Kontext der Veranstaltung, auf der dieses Referat gehalten wurde, ging es um die Frage, ob angesichts des Antisemitismus der Linken, Interventionen in die Friedens- oder globalisierungskritische Bewegung zu befürworten sind, oder ob hier schlichtweg reaktionäre und aufklärungsresistente Ideologie am Werke ist. Weiter…